St. Kanzian (Ktn): Die Hetzbotschaft vom Taschengeld

Seit eini­gen Tagen verur­sacht eine neue Het­zbotschaft heftige Erre­gungswellen. Dem­nach befind­en sich 20 Asyl­wer­ber in St.Kanzian am Klopein­ersee in einem Hunger­streik, weil ihnen, so der FPÖ-Lan­desrat Rag­ger in ein­er Presseaussendung, keine Pässe aus­ge­händigt wür­den. Außer­dem wür­den sie 2.000 Euro Taschen­geld fordern. Eine Mel­dung ganz nach dem Geschmack blauer Het­zer. Natür­lich ist Stra­che ganz vorne mit dabei.

„Ohne Worte!“, schreibt Stra­che am 19.9. auf sein­er Face­book-Seite und übern­immt Bericht und Foto von „unzen­suri­ert“ vom 18.9.. Dort hat man nicht viel mehr gemacht, als eine OTS-Presseaussendung des FPÖ-Lan­desrates Chris­t­ian Rag­ger vom 16.9. nachzuschreiben. Ein biss­chen Zun­der haben die „unzensuriert“-Macher noch dazugelegt, indem sie die ange­bliche Taschen­geld­forderung der streik­enden Asyl­wer­ber mit dem ver­gle­ichen, was Min­dest­pen­sion­is­ten erhal­ten an Aus­gle­ich­szu­lage (870 Euro). „unzen­suri­ert“: „Aber mit diesen Men­schen hat zurzeit keines der Regierungsmit­glieder Mitleid. Das gehört momen­tan ganz den Flüchtlin­gen.“ Als „beson­ders unver­schämt“ beze­ich­nen daher die „unzensuriert“-Macher die ange­bliche Forderung nach 2.000 Euro Taschen­geld. Monatlich. Netto!

Woher „unzen­suri­ert“ das alles weiß? Natür­lich aus der Presseaussendung von Rag­ger und: „Dieser Vor­fall am Mittwoch geht aus einem Polizeipro­tokoll her­vor.” Das ist natür­lich inter­es­sant, denn die Polizei darf gar keine Auskün­fte geben, schon gar keine Pro­tokolle weit­er­leit­en! Das Foto von „unzen­suri­ert“, das einige Per­so­n­en mit handbeschriebe­nen und unle­ser­lichen, an die Brust gek­lebten Zetteln zeigt, wird als „Pri­vat“ deklar­i­ert. Ist es auch von der Polizei?

Auf jeden Fall ist „unzen­suri­ert“ schlecht informiert. Die „Kro­ne“ Kärn­ten berichtete am Don­ner­stag, 17.9., dass der Streik am16.9. been­det wurde – da hat er für „unzen­suri­ert“ erst ange­fan­gen. Auch in der „Kro­ne“ kommt die Polizei zu Wort. Allerd­ings nur mit dem unver­fänglichen Satz: „Sie woll­ten mit handgeschriebe­nen Zetteln ihre Forderun­gen kundtun.“

Der Rest der „Krone“-Meldung ist mehr oder min­der eine verkürzte Nacherzäh­lung der Presseaussendung von Rag­ger. Der FPÖ-Lan­desrat hat­te am Vortag als einziger namentlich über die „unver­schämte Forderung“ von 2.000 Euro Taschen­geld und den Hunger­streik der Asyl­wer­ber in St.Kanzian berichtet. Eine Quelle nen­nt er nicht. Zuständig ist der Lan­desrat, der die Refer­ate Jagd, Tier­schutz, Tier­trans­porte und Verkehrssicher­heit in der Lan­desregierung betreuen und ver­ant­worten darf, auch nicht. Woher hat er die Infor­ma­tio­nen, und – noch wichtiger – hat er sie geprüft?

Der „Kuri­er“ war vor Ort. In sein­er Aus­gabe vom 19.9. heißt es:

… die Behaup­tung von Kärn­tens FPÖ-Chef Chris­t­ian Rag­ger, sie hät­ten bei ihrer Aktion 2000 Euro pro Monat gefordert, ließ die Öffentlichkeit aufhorchen. In Wahrheit haben die Kriegs­flüchtlinge lediglich angeprangert, dass sie seit einem dreivier­tel Jahr auf Vernehmungen in ihren Asylver­fahren warten. (…) Der KURIER besuchte die 50 Asyl­wer­ber aus Syrien, Afghanistan, Iran und Irak in Alt-Stein, nahe dem Klopein­er See. „Viele von uns warten seit acht, neun oder zehn Monat­en auf das erste Inter­view in unserem Asylver­fahren”, sagt Moham­mad Jameel Dal­bani aus Syrien. Daher habe man sich entschlossen, die Mit­men­schen in der näheren Umge­bung mit einem Streik und Schildern auf die Sit­u­a­tion aufmerk­sam zu machen, fügt Lands­mann Ossama Awatah hinzu. Den Vor­wurf, dass sie Geld gefordert hät­ten, weisen sie entsch­ieden zurück. (Kuri­er, 19.9.2015)

Ein Erpres­sungsver­such schaut anders aus!

Stra­che hat die Mel­dung zu Hunger­streik und ange­blich­er Taschen­geld-Forderung am 19.9. mit­tags auf seine Face­book-Seite gestellt (also lange nach­dem der „Kuri­er“ seine Mel­dung veröf­fentlicht hat) . Bin­nen weniger Stun­den war sie tausende Male geteilt und kom­men­tiert. Die Kom­mentare im üblichen Muster: lasst sie ver­hungern! Unver­schämt, ich ver­di­ene nur … Euro und die kriegen alles in den Mund geschoben. Ein ver­ant­wortlich­er Umgang wäre gewe­sen, wenn Stra­che zumin­d­est auf die tat­säch­lichen Leis­tun­gen in der Grund­ver­sorgung hingewiesen hätte. Dann wüssten seine Fans, dass das Taschen­geld in organ­isierten Unterkün­ften 40 Euro beträgt (§ 6 Kärnt­ner Grund­ver­sorgungs­ge­setz). Monatlich. Netto!


Eine andere Möglichkeit wäre gewe­sen, sich vor Ort zu informieren – so wie das Matthias Köchl, Abge­ord­neter der Grü­nen, gemacht hat. Auf Face­book postete er am 19.9. nach­mit­tags knapp: „Die FPÖ ver­bre­it­et per OTS Gerüchte. Aufhet­zung. Habe heute in St. Kanz­ian im Flüchtling­sheim selb­st nachge­fragt. Die wis­sen nichts von einem Protest. Habe das SCHRIFTLICH. Ende der Durch­sage. Danke.“

Ein Nach­trag: Vor zwei Jahren gab es in St. Kanz­ian einen anderen Hunger­streik. Ein Asyl­wer­ber hat­te sich den Mund zugenäht, weil die Ver­sorgung katas­trophal schlecht war, berichtete damals der „Stan­dard“„Für Asyl­wer­ber im Asyl­heim Felsenkeller in Alt-Stein dage­gen muss oft­mals ein Teller Bohnen mit zwei Stück Brot oder ein Teller Makka­roni mit einem Hauch Ketchup reichen. Im Win­ter friere man eingewick­elt in Deck­en über den Schul­tern. Man werde von der Heim­leitung schikaniert und gedemütigt.“

Dage­gen gab’s keine Proteste der FPÖ. Mit der aus den Fin­gern geso­ge­nen Mel­dung über einen fort­dauern­den Hunger­streik, mit dem ein Taschen­geld von 2.000 Euro erpresst wer­den soll, lässt sich hinge­gen ganz gut hetzen.