Seit Jahren folgt der Bericht des Verfassungsschutzes einem wiederkehrenden Muster. Um die Aussagen über Links- und Rechtsextremismus abzustützen, die sich nach Auffassung des Verfassungsschutzes gegenseitig hochschaukeln, werden im Bericht Kraut und Rüben vermischt und jenseits des Berichtes werden durch Massenanzeigen gegen antifaschistische Demonstrierende statistische Artefakte geschaffen, die mit der Wirklichkeit wenig bis nichts zu tun haben.
Kraut und Rüben
Wenn in den Verfassungsschutzberichten Tathandlungen nach dem NS-Verbotsgesetz hunderten Anzeigen nach dem Sicherheitspolizeigesetz wegen der Teilnahme an einer antifaschistischen Demonstration gegenübergestellt werden, um in der Summe annähernd vergleichbare statistische Größen zu erhalten, dann werden Kraut und Rüben bzw. Verbrechen mit Verwaltungsstrafen verglichen.
Wenn dann, um auch die Zahl von schwer kriminellen Taten beim Linksextremismus zu erhöhen, mit dem Verdacht der Bildung einer terroristischen Vereinigung gegen Demonstrierende beim Akademiker-Ball operiert wird, der dann in den Verdacht der Bildung einer kriminellen Vereinigung abge“mildert“ wird, aber zusätzlich so massive Vorwürfe wie Landzwang und gefährliche Drohung enthält, dann kann man sich schon ausmalen, wie der Verfassungsschutzbericht 2016 (für das Jahr 2015) aussehen wird. Vor allem, weil das gleiche Muster bei der Demonstration gegen die erste Pegida-Kundgebung am 2.2.15 in Wien stattfand. 456 Demonstrierende gegen Pegida sollen nach § 285 (Verhinderung oder Störung einer Versammlung) strafrechtlich verfolgt werden.
Albert Steinhauser, Justizsprecher der Grünen, der diese Zahlen vom Innenministerium erfragt hat, ist daher Recht zu geben, wenn er dazu festhält: „Aber in der Kriminalstatistik scheinen dann 456 Strafanzeigen auf, mit denen die Innenministerin gegen den Antifaschismus Stimmung machen kann.”
Jetzt hat Albert Steinhauser vom Innenministerium die Zahlen über rechtsextreme Straftaten im Jahr 2014 wissen wollen und dazu eine Antwort erhalten, aus der nicht nur der kontinuierliche Anstieg rechtsextremer Straftaten bzw. der Anzeigen dazu seit 2010 hervorgeht, sondern für das Jahr 2013 auch die Zahlen für rechtsextreme Anzeigen bzw. Tathandlungen nach oben korrigiert werden. Ein „statistischer Mangel“ sei für die niedrigen Zahlen im Verfassungsschutzbericht verantwortlich, so die kryptische Begründung in der Anfragebeantwortung. Welcher Natur dieser „statistische Mangel“ war, wird nicht erläutert.
Immerhin: Das Ministerium korrigiert seine eigenen Zahlen!
Aber dennoch: Wir wagen die Prognose, dass im Verfassungsschutzbericht 2015, in dem dann auch die Zahlen für den Linksextremismus (bzw. das, was der Verfassungsschutz dafür hält) enthalten sein werden, dieser trotz der jetzt eingeräumten Mängel beim Rechtsextremismus kräftig aufgeholt haben wird.
Bei den Vorwürfen mit den Massenanzeigen gegen antifaschistische Demonstrierende handelt es sich allerdings in erster Linie nicht um ein statistisches Problem, sondern um ein ernsthaftes demokratiepolitisches Problem!
Auswahl unserer Kritiken an den Verfassungssschutzberichten
⇒ 2012: Verfassungsschutzbericht (II): Auf dem rechten Auge noch immer blind
⇒ 2013: Verfassungsschutzbericht 2013 (IV): Seltsame Interpretationen
⇒ 2014: Nebelgranaten vom Verfassungsschutz