Verfassungsschutzbericht (II): Auf dem rechten Auge noch immer blind

Kein Ver­fas­sungss­chutz dieser Welt operiert ohne poli­tis­che und rechtliche Grund­la­gen, die in der Regel durch Ver­fas­sung, geset­zliche Nor­men, aber auch den poli­tis­chen Gestal­tungswillen der Regierung, der Ressortver­ant­wortlichen usw. aus­ge­füllt wer­den. Die Def­i­n­i­tion von Extrem­is­mus, Ter­ror­is­mus und anderen Gefährdungspo­ten­tialen für die Demokratie ist immer auch eine poli­tis­che. Unter Schwarzblau ver­schwan­den recht­sex­treme Burschen­schaften vom Radarschirm der Ver­fas­sungss­chützerIn­nen, obwohl ger­ade in dieser Phase Neon­azis beispiel­sweise bei der Burschen­schaft Olympia ein- und aus­gin­gen. Aus den Bericht­en ver­schwun­den sind prak­tis­cher­weise auch jegliche Ver­suche, den Extrem­is­mus begrif­flich zu erfassen, zu definieren.

Es mutet daher schon selt­sam an, wenn das BVT in seinem Bericht seit eini­gen Jahren aus­drück­lich unter dem Kapi­tel „Hal­tun­gen“ betont: „Seine Auf­gaben erfüllt das .BVT sach­lich, unvor­ein­genom­men und objek­tiv. Allen Strö­mungen jen­seits des demokratis­chen Spek­trums gilt die gle­iche Wach­samkeit“.

„Objek­tiv, sach­lich und unvor­ein­genom­men“ nimmt also das BVT in seinen Bericht­en Wer­tun­gen und Pri­or­isierun­gen von Gefährdungspo­ten­tialen vor:

Über den islamistisch motivierten Extrem­is­mus heißt es im Bericht 2011: „Derzeit stellt jedoch der islamistisch motivierte Extrem­is­mus und Ter­ror­is­mus eine der größten Gefährdun­gen für die Sicher­heit­slage inner­halb der Europäis­chen Union sowie in Öster­re­ich dar“. Das ist eine poli­tis­che Bew­er­tung, für die der Ver­fas­sungss­chutzbericht wenig konkrete Anhalt­spunk­te liefert.

Zu den mil­i­tan­ten Tier­rechts­grup­pen, die nun auch schon seit Jahren vom Ver­fas­sungss­chutz beobachtet wer­den, fällt dem Bericht im wesentlichen nur die Stag­na­tion des Aktiv­ität­sniveaus auf. Zum „Tier­recht­sprozess“ in Wiener Neustadt kommt die- angesichts der richter­lichen Freis­pruchs — ziem­lich unange­brachte Fest­stel­lung: „Durch Sol­i­dar­itäts- und Protes­tak­tio­nen im In- und Aus­land wurde ein­er­seits ver­sucht die Angeklagten in einem pos­i­tiv­en Licht darzustellen und ander­er­seits die sicher­heits­be­hördlichen Maß­nah­men bzw. die Jus­tiz zu kri­tisieren“.

Zum Link­sex­trem­is­mus hält der Bericht fest: „Gefährdun­gen der öffentlichen Sicher­heit ergaben sich im Bericht­s­jahr vor allem in Form von Gewalt­tat­en bei eskalieren­den Protesten und Demonstrationen.“

Beim Recht­sex­trem­is­mus trifft das BVT eine sehr weit­ge­hende Bew­er­tung: „Der Recht­sex­trem­is­mus stellte im Jahr 2010 keine ern­sthafte Gefahr für den Staat bzw. die Ver­fas­sung oder eine Bedro­hung der inneren Sicher­heit dar.“

Dem­nach wäre der islamisch motivierte Extrem­is­mus und Ter­ror­is­mus derzeit die Haupt­ge­fahr in Öster­re­ich, dann — mit Abstand — der Link­sex­trem­is­mus, dann die Tier­schützerIn­nen und am Ende — sozusagen amtlich freige­sprochen — die handzahme Vari­ante des Extrem­is­mus, der Recht­sex­trem­is­mus, der haupt­säch­lich nur „Sprüh‑,Ritz‑,Klebe- bzw. Schmier­ak­tio­nen von ein­schlägi­gen Sym­bol­en“ schafft. Wie hieß es im Kapi­tel „Hal­tun­gen“ des BVT? „Allen Strö­mungen jen­seits des demokratis­chen Spek­trums gilt die gle­iche Wach­samkeit“.

Der nor­wegis­che Sicher­heits­di­enst hat in sein­er „Jährlichen Bedro­hungs­be­w­er­tung“ für 2011 fest­gestellt: “Wie in vorheri­gen Jahren stellen 2011 rechte und linke Extrem­is­ten keine ern­ste Gefahr für die nor­wegis­che Gesellschaft dar“ (zitiert nach Der Spiegel Nr. 31/2011).

Kurz danach kam Breivik und mordete.

Der deutsche Ver­fas­sungss­chutz verzichtet in seinen Bericht­en (zulet­zt: Ver­fas­sungss­chutzbericht 2010) über­haupt auf der­ar­tige Bew­er­tun­gen. Dafür kommt in dessen Bericht die FPÖ vor, im öster­re­ichis­chen Bericht nicht.

  • Teil III: Die offe­nen Widersprüche
  • Bisher erschienen:

  • Teil I: Zunahme der leeren Seiten