Eigentlich waren es zwei Anschläge auf das Parlament, die im Jahr 1961 verübt wurden. Am 17. August detonierte ein Sprengkörper vor dem Parlament und ein weiterer vor der US-Botschaft in der Boltzmanngasse. War es die zugespitzte politische Situation um die neu errichtete Berliner Mauer, die Anschläge in Südtirol oder eine bewusste Nachrichtensperre – jedenfalls war damals nichts in den Medien über diese beiden Anschläge zu lesen.
Erst nach dem 28. November 1961, als auf das Parlament kurz nach Mitternacht mehrere Schüsse aus einem fahrenden Auto abgefeuert wurden, durch die etliche Anrainer aufgeschreckt wurden, gab es Öffentlichkeit. Weil am Tatort auch ein Karton mit der Aufschrift „Die deutschen Burschenschaften werden kämpfen“ mit einem Stoffband in den Farben Schwarz-Rot-Gold (die Farben der „Olympia“) gefunden wurde, beschleunigte dieser Fund auch das Verbot der Burschenschaft „Olympia“. Die war wegen der Beteiligung etlicher ihrer Burschen an den Südtirol-Attentaten und an einem Marsch mit Nazi-Gegröle über die Ringstraße ins Zentrum polizeilicher Ermittlungen gekommen.
Die allgemeine Stimmung gegenüber Neonazis war damals erschreckend verharmlosend – als „Nazilausbuben“ oder „Radaubrüder“ wurden sie sogar von der Parteizeitung der SPÖ, der „AZ“ bezeichnet.
Als dann Ende Dezember 1961 die ersten zwei Verhaftungen wegen der Schüsse auf das Parlamentsgebäude stattfanden, wurde rasch klar, dass wesentlich mehr Anschläge auf das Konto der beiden verhafteten Neonazis, Gerd Honsik und Günter P., gingen:
- Am 28. Mai brachten sie vor der italienischen Botschaft einen Sprengkörper zur Explosion.
- Am 14. Juni schleppten sie einen (sowjetischen) Kranz vom Heldendenkmal weg.
- Am 25. Juli wurde ein Sprengkörper vor dem Büro der italienischen Fluggesellschaft zur Detonation gebracht.
- Am 17. August erfolgten dann die Sprengkörper-Detonationen vor dem Parlament und der US-Botschaft.
- Am 8. Oktober wurden Schüsse auf die italienische Botschaft und
- am 28. November auf das Parlamentsgebäude abgefeuert.
Die „Illustrierte Kronen Zeitung“ schaffte es dennoch in ihrem Bericht am 29.12.1961, den sie noch reißerisch mit „‚Hitlers Nachfolger’ schoß auf das Wiener Parlament“ titelte, die Verhafteten als „Wirrköpfe“ abzutun und dem allgemeinen Tenor, dass die Gefahr nicht unterschätzt werden dürfe, entschieden zu widersprechen: „Wie sich nun zeigt, hat die Affäre keine echten politischen Akzente. Es handelt sich lediglich um die Aktionen krankhaft geltungsbedürftiger junger Leute.“ (Kronen Zeitung, 29.12.1961)
Über die politische Sozialisation der beiden verhafteten Attentäter wurde zunächst sehr wenig bekannt, nur deren Mitgliedschaft in der pennalen (deutschnationalen) Verbindung Markomannia. Mit der Festnahme von zwei weiteren, am Schussattentat auf das Parlament beteiligten Personen, Gunther Kümel und Rainer B., änderte sich das. Kümel, der dann 1965 wegen „Notwehrüberschreitung“ gegenüber dem Antifaschisten und Kommunisten Ernst Kirchweger zu skandalösen zehn Monaten Haft verurteilt wurde, war schon – so wie Gerd Honsik – einige Jahre in der rechtsextremen Szene aktiv gewesen. Kümel hatte sich bereits als Mittelschüler an Aktionen des neonazistischen „Bundes heimattreuer Jugend“ von Konrad Windisch beteiligt. Wegen einer Stinkbombenaktion beim sozialistischen Maiaufmarsch war er auch schon vor Gericht, aber wegen „mangelnder geistiger Reife“ nicht verurteilt worden. Sowohl Gerd Honsik als auch Kümel sind auch heute noch in der rechtsextremen Szene aktiv.
Die Schüsse der Rechtsextremen auf das Parlament wurden am Rande auch im „Hohen Haus“ diskutiert. Die „Kronen Zeitung“ berichtete am 30.11.1961, dass es am Vortag zu heftigen Debatten gekommen sei:
Es hätte nicht viel gefehlt und einige Abgeordnete wären handgreiflich geworden. Den Startschuß zu dem Wirbel gab ein ÖVP-Abgeordneter, der in einem hintergründigen Zwischenruf der Freiheitlichen Partei (FPÖ) eine Verbindung mit jenen unbekannten Pistolenhelden unterstellte, die in der Nacht auf Dienstag neun Schüsse gegen das Parlament abgefeuert hatten. Einem ÖVP- und einem FPÖ-Abgeordneten wurden später Ordnungsrufe erteilt.
Zu diesem Zeitpunkt war die Einschätzung des ÖVP-Abgeordneten vielleicht gewagt, aber mittlerweile wissen wir es besser.