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Parlamentarische Anfrage zu NS-Verbrechen : Bremst da wer?

Albert Stein­hau­ser, Jus­tiz­spre­cher der Grü­nen, will es etwas genau­er wis­sen und hat eine par­la­men­ta­ri­sche Anfra­ge zu dem hän­gen­den Ver­fah­ren gegen den ehe­ma­li­gen KZ-Wäch­­ter Johann H. ein­ge­bracht, gegen den die Jus­tiz seit Anfang 2012 ermit­telt. Im Febru­ar 2012 war die Anzei­ge gegen Johann H. (90) bei der Staats­an­walt­schaft Wels ein­ge­bracht wor­den. Die hat dann ein Vorverfahren […]

29. Nov 2013

Im Febru­ar 2012 war die Anzei­ge gegen Johann H. (90) bei der Staats­an­walt­schaft Wels ein­ge­bracht wor­den. Die hat dann ein Vor­ver­fah­ren wegen des „Ver­dachts der Bei­hil­fe zum Mas­sen­mord“ ein­ge­lei­tet. Was dabei ermit­telt wur­de, ob und wie vie­le Per­so­nen befragt, ob und wann his­to­ri­sche Gut­ach­ten in Auf­trag gege­ben wur­den, das will Albert Stein­hau­ser jetzt über die par­la­men­ta­ri­sche Anfra­ge von der Jus­tiz­mi­nis­te­rin erfragen.


KZ Ausch­witz
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Denn mitt­ler­wei­le, nach etli­chen Mona­ten der stil­len Ermitt­lun­gen, ist nur eines klar: es gibt ein Gut­ach­ten zur Ver­hand­lungs­fä­hig­keit von Johann H. Angeb­lich wird ihm dar­in beschei­nigt, ver­hand­lungs­un­fä­hig zu sein. Das erin­nert doch sehr an den Psych­ia­ter Hein­rich Gross, der sich bis zum Jahr 2000 einer Ver­ur­tei­lung wegen sei­ner Betei­li­gung an den Kin­der­eu­tha­na­sie-Mor­den immer wie­der erfolg­reich ent­zie­hen konn­te. Als Gross, der bis knapp vor sei­ner Ankla­ge als Gerichts­sach­ver­stän­di­ger über die Straf- und Ver­hand­lungs­fä­hig­keit von Ange­klag­ten gut­ach­te­te, dann selbst vor Gericht stand, wur­de ihm nach weni­gen Minu­ten Demenz und Depres­si­on attes­tiert und die Ver­hand­lung ver­tagt. 2005 starb Gross dann im Alter von 90 Jahren.

Weni­ge Minu­ten nach der Ver­hand­lung gab der als ver­hand­lungs­un­fä­hig beur­teil­te Hein­rich Gross dann „über­ra­schend fit“ (Kurier, 23.3. 2000) dem ORF ein Interview.


Hein­rich Gross, lebensunwert.at
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Die kur­ze und dann ver­tag­te Gerichts­ver­hand­lung gegen Gross war die ein­zi­ge (!) gegen einen mut­maß­li­chen NS-Ver­bre­cher seit Mit­te der 70er Jah­re. Die Anfang der 70er durch­ge­führ­ten Ermitt­lun­gen gegen NS-Ver­bre­cher wie z.B. gegen die Archi­tek­ten der Gas­kam­mern von Ausch­witz, Wal­ter Deja­co und Fritz Ertl, gegen Ernst Lerch (betei­ligt an den Mas­sen­mor­den der „Akti­on Rein­hard“) und gegen Johann Vin­zenz Gogl, KZ-Wäch­ter und Mör­der von Maut­hau­sen, wur­den ent­we­der ein­ge­stellt oder ende­ten mit Frei­sprü­chen durch die Geschwo­re­nen. Im Fal­le des in Ita­li­en inhaf­tier­ten SS-Man­nes und NS-Mör­ders Wal­ter Reder ver­stand sich Öster­reich sogar als Schutz­macht. Nach sei­ner Frei­las­sung 1985 wur­de Reder vom dama­li­gen Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter Fri­schen­schla­ger sogar mit Hand­schlag am Flug­ha­fen Wien-Schwe­chat emp­fan­gen.


Wal­ter Reder
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Das Ver­hal­ten der öster­rei­chi­schen Poli­tik und Ermitt­lungs­be­hör­den hat­te immer wie­der zu inter­na­tio­na­ler Kri­tik geführt. Das Simon-Wie­sen­thal-Cen­ter hat der Repu­blik Öster­reich zuletzt 2009 die schlech­test­mög­li­che Note für die Straf­ver­fol­gung von NS-Ver­bre­chern gege­ben. Unmit­tel­ba­rer Anlass dafür war die „uner­klär­li­che Ver­zö­ge­rung“ bei der Straf­ver­fol­gung von Mili­voj Asner, der unbe­hel­ligt jah­re­lang in Kla­gen­furt leb­te und dort den per­sön­li­chen Schutz von Lan­des­haupt­mann Hai­der genoss: „Wir schät­zen die­se Fami­lie sehr“ (Der Stan­dard, 18.6.2008). Auch Asner konn­te sich der Straf­ver­fol­gung durch Gut­ach­ten, die ihm Demenz beschei­nig­ten, erfolg­reich bis zu sei­nem Tod entziehen.


Mili­voj Asner
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Als der SPÖ-Abge­ord­ne­te Johann Mai­er zuletzt Anfang 2013 eine par­la­men­ta­ri­sche Anfra­ge zur Straf­ver­fol­gung von NS-Ver­bre­chern an die Jus­tiz­mi­nis­te­rin rich­te­te, bekam er zur Ant­wort, dass eine vom Res­sort ein­ge­setz­te Arbeits­grup­pe ins­ge­samt 188 Per­so­nen­da­ten ermit­telt habe (dazu kom­men noch die vom Wie­sen­thal-Cen­ter bzw. von Lud­wigs­burg ermit­tel­ten Personendaten).

Die­se Lis­te wur­de dem Ver­fas­sungs­schutz für wei­te­re Ermitt­lun­gen über­ge­ben. Der stell­te sodann fest, dass 39 Per­so­nen defi­ni­tiv ver­stor­ben sei­en und bei 145 „die Klä­rung ihrer Iden­ti­tät man­gels ziel­füh­ren­der Anhalts­punk­te nicht mög­lich“ sei (Der Standard,6.Mai 2013). Blie­ben also vier (!) Per­so­nen aus einer Lis­te von min­des­tens 188 übrig, wobei bei zwei davon eine Straf­ver­fol­gung wegen ihrer dama­li­gen Min­der­jäh­rig­keit nicht mög­lich war. Ob Johann H. unter den zwei Übri­gen war, geht aus der Ant­wort der Jus­tiz­mi­nis­te­rin nicht hervor.

Mai­er, der sich beson­ders mit den NS-Ver­bre­chen in Grie­chen­land beschäf­tigt hat, war scho­ckiert, weil unter den Namen kein ein­zi­ger von den Gebirgs­jä­gern der 1. Gebirgs­di­vi­si­on auf der Lis­te war: „Da fra­ge ich mich, wel­che Daten der Ver­fas­sungs­schutz zur Ver­fü­gung hat“ (Der Stan­dard).

Eine ande­re Erklä­rung bie­ten die Ermitt­lun­gen gegen Johann H. Die bei­den Anzei­gen­le­ger gegen den KZ-Wäch­ter von Ausch­witz, waren am 12. April 2012 vom Bun­des­ver­fas­sungs­schutz ein­ver­nom­men wor­den. Der „Kurier“ berich­tet dazu:

„Das war eine sehr unan­ge­neh­me Erfah­rung, die ich nie­man­dem wün­sche“, sagt Brug­ger. Im Ver­lauf des Gesprächs hät­ten die Beam­ten u. a. mehr­fach auf die Schwie­rig­kei­ten der­ar­ti­ger Ermitt­lungs­ver­fah­ren hin­ge­wie­sen. „Das hat auf mich den Ein­druck gemacht, als wür­den sie mich über­zeu­gen wol­len, dass das Gan­ze eh sinn­los ist und ich doch bit­te den armen alten Mann in Ruhe las­sen soll.“ Auf sei­nen Ein­wand hin, dass er es aber trotz aller Pro­ble­me durch ein mög­li­cher­wei­se beein­träch­tig­tes Erin­ne­rungs­ver­mö­gen solch alter Men­schen für not­wen­dig hal­te, zu ermit­teln, soll ein Beam­ter ent­geg­net haben: „Mei­ne Mut­ter hat sich schon mit 60 an nichts mehr erin­nern kön­nen“. Unter­schwel­lig sei ihm auch unter­stellt wor­den, dass er nur auf eine Beloh­nung aus sei. Brug­ger: „Ich hat­te nicht den Ein­druck, dass die Beam­ten Inter­es­se an dem Fall hatten.“

Die Ant­wort der Jus­tiz­mi­nis­te­rin zu den 24 Fra­gen von Albert Stein­hau­ser ist in zwei Mona­ten zu erwarten.

Anfra­ge.

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