Parlamentarische Anfrage zu NS-Verbrechen : Bremst da wer?

Albert Stein­hauser, Jus­tizsprech­er der Grü­nen, will es etwas genauer wis­sen und hat eine par­la­men­tarische Anfrage zu dem hän­gen­den Ver­fahren gegen den ehe­ma­li­gen KZ-Wächter Johann H. einge­bracht, gegen den die Jus­tiz seit Anfang 2012 ermittelt.

Im Feb­ru­ar 2012 war die Anzeige gegen Johann H. (90) bei der Staat­san­waltschaft Wels einge­bracht wor­den. Die hat dann ein Vorver­fahren wegen des „Ver­dachts der Bei­hil­fe zum Massen­mord“ ein­geleit­et. Was dabei ermit­telt wurde, ob und wie viele Per­so­n­en befragt, ob und wann his­torische Gutacht­en in Auf­trag gegeben wur­den, das will Albert Stein­hauser jet­zt über die par­la­men­tarische Anfrage von der Jus­tizmin­is­terin erfragen.


KZ Auschwitz
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Denn mit­tler­weile, nach etlichen Monat­en der stillen Ermit­tlun­gen, ist nur eines klar: es gibt ein Gutacht­en zur Ver­hand­lungs­fähigkeit von Johann H. Ange­blich wird ihm darin bescheinigt, ver­hand­lung­sun­fähig zu sein. Das erin­nert doch sehr an den Psy­chi­ater Hein­rich Gross, der sich bis zum Jahr 2000 ein­er Verurteilung wegen sein­er Beteili­gung an den Kindereuthanasie-Mor­den immer wieder erfol­gre­ich entziehen kon­nte. Als Gross, der bis knapp vor sein­er Anklage als Gerichtssachver­ständi­ger über die Straf- und Ver­hand­lungs­fähigkeit von Angeklagten gutachtete, dann selb­st vor Gericht stand, wurde ihm nach weni­gen Minuten Demenz und Depres­sion attestiert und die Ver­hand­lung vertagt. 2005 starb Gross dann im Alter von 90 Jahren.

Wenige Minuten nach der Ver­hand­lung gab der als ver­hand­lung­sun­fähig beurteilte Hein­rich Gross dann „über­raschend fit“ (Kuri­er, 23.3. 2000) dem ORF ein Interview.


Hein­rich Gross, lebensunwert.at
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Die kurze und dann vertagte Gerichtsver­hand­lung gegen Gross war die einzige (!) gegen einen mut­maßlichen NS-Ver­brech­er seit Mitte der 70er Jahre. Die Anfang der 70er durchge­führten Ermit­tlun­gen gegen NS-Ver­brech­er wie z.B. gegen die Architek­ten der Gaskam­mern von Auschwitz, Wal­ter Deja­co und Fritz Ertl, gegen Ernst Lerch (beteiligt an den Massen­mor­den der „Aktion Rein­hard“) und gegen Johann Vinzenz Gogl, KZ-Wächter und Mörder von Mau­thausen, wur­den entwed­er eingestellt oder ende­ten mit Freis­prüchen durch die Geschwore­nen. Im Falle des in Ital­ien inhaftierten SS-Mannes und NS-Mörders Wal­ter Red­er ver­stand sich Öster­re­ich sog­ar als Schutz­macht. Nach sein­er Freilas­sung 1985 wurde Red­er vom dama­li­gen Vertei­di­gungsmin­is­ter Frischen­schlager sog­ar mit Hand­schlag am Flughafen Wien-Schwechat emp­fan­gen.


Wal­ter Reder
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Das Ver­hal­ten der öster­re­ichis­chen Poli­tik und Ermit­tlungs­be­hör­den hat­te immer wieder zu inter­na­tionaler Kri­tik geführt. Das Simon-Wiesen­thal-Cen­ter hat der Repub­lik Öster­re­ich zulet­zt 2009 die schlecht­est­mögliche Note für die Strafver­fol­gung von NS-Ver­brech­ern gegeben. Unmit­tel­bar­er Anlass dafür war die „unerk­lär­liche Verzögerung“ bei der Strafver­fol­gung von Milivoj Asner, der unbe­hel­ligt jahre­lang in Kla­gen­furt lebte und dort den per­sön­lichen Schutz von Lan­deshaupt­mann Haider genoss: „Wir schätzen diese Fam­i­lie sehr“ (Der Stan­dard, 18.6.2008). Auch Asner kon­nte sich der Strafver­fol­gung durch Gutacht­en, die ihm Demenz bescheinigten, erfol­gre­ich bis zu seinem Tod entziehen.


Milivoj Asner
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Als der SPÖ-Abge­ord­nete Johann Maier zulet­zt Anfang 2013 eine par­la­men­tarische Anfrage zur Strafver­fol­gung von NS-Ver­brech­ern an die Jus­tizmin­is­terin richtete, bekam er zur Antwort, dass eine vom Ressort einge­set­zte Arbeits­gruppe ins­ge­samt 188 Per­so­n­en­dat­en ermit­telt habe (dazu kom­men noch die vom Wiesen­thal-Cen­ter bzw. von Lud­wigs­burg ermit­tel­ten Personendaten).

Diese Liste wurde dem Ver­fas­sungss­chutz für weit­ere Ermit­tlun­gen übergeben. Der stellte sodann fest, dass 39 Per­so­n­en defin­i­tiv ver­stor­ben seien und bei 145 „die Klärung ihrer Iden­tität man­gels zielführen­der Anhalt­spunk­te nicht möglich“ sei (Der Standard,6.Mai 2013). Blieben also vier (!) Per­so­n­en aus ein­er Liste von min­destens 188 übrig, wobei bei zwei davon eine Strafver­fol­gung wegen ihrer dama­li­gen Min­der­jährigkeit nicht möglich war. Ob Johann H. unter den zwei Übri­gen war, geht aus der Antwort der Jus­tizmin­is­terin nicht hervor.

Maier, der sich beson­ders mit den NS-Ver­brechen in Griechen­land beschäftigt hat, war schock­iert, weil unter den Namen kein einziger von den Gebirgsjägern der 1. Gebirgs­di­vi­sion auf der Liste war: „Da frage ich mich, welche Dat­en der Ver­fas­sungss­chutz zur Ver­fü­gung hat“ (Der Stan­dard).

Eine andere Erk­lärung bieten die Ermit­tlun­gen gegen Johann H. Die bei­den Anzeigen­leger gegen den KZ-Wächter von Auschwitz, waren am 12. April 2012 vom Bun­desver­fas­sungss­chutz ein­ver­nom­men wor­den. Der „Kuri­er“ berichtet dazu:

„Das war eine sehr unan­genehme Erfahrung, die ich nie­man­dem wün­sche“, sagt Brug­ger. Im Ver­lauf des Gesprächs hät­ten die Beamten u. a. mehrfach auf die Schwierigkeit­en der­ar­tiger Ermit­tlungsver­fahren hingewiesen. „Das hat auf mich den Ein­druck gemacht, als wür­den sie mich überzeu­gen wollen, dass das Ganze eh sinn­los ist und ich doch bitte den armen alten Mann in Ruhe lassen soll.“ Auf seinen Ein­wand hin, dass er es aber trotz aller Prob­leme durch ein möglicher­weise beein­trächtigtes Erin­nerungsver­mö­gen solch alter Men­schen für notwendig halte, zu ermit­teln, soll ein Beamter ent­geg­net haben: „Meine Mut­ter hat sich schon mit 60 an nichts mehr erin­nern kön­nen“. Unter­schwellig sei ihm auch unter­stellt wor­den, dass er nur auf eine Beloh­nung aus sei. Brug­ger: „Ich hat­te nicht den Ein­druck, dass die Beamten Inter­esse an dem Fall hatten.“

Die Antwort der Jus­tizmin­is­terin zu den 24 Fra­gen von Albert Stein­hauser ist in zwei Monat­en zu erwarten.

Anfrage.