Die Partei der Saubermänner (II)

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Wer erin­nert sich heu­te noch, wel­che frei­heit­li­chen Man­da­ta­re in den letz­ten Jah­ren auf­fäl­lig gewor­den sind? Dass es einen frei­heit­li­chen Man­da­tar gab, der zeit­wei­se als Frei­gän­ger einer Jus­tiz­an­stalt sein Man­dat aus­üb­te? Mit unse­rer Auf­lis­tung wol­len wir an die­se Man­da­ta­re erin­nern – als klei­ne Wahl­hil­fe für Vergessliche.

Ein Abge­ord­ne­ter im Flughafen-Parkhaus

In Inns­bruck war am 27. März 2001 eine völ­lig des­ori­en­tier­te und ver­wirr­te 34-jäh­ri­ge Frau am Flug­ha­fen in der Tief­ga­ra­ge auf­ge­grif­fen wor­den. Büs­ten­hal­ter, Slip und ein 1.000 Schil­ling-Schein waren neben ihr auf dem Boden gele­gen. Laut Über­wa­chungs­ka­me­ra war die Frau aus dem Wagen von Patrick Ort­lieb gestie­gen. Eine ärzt­li­che Unter­su­chung ergab, dass die Frau kurz vor ihrem Auf­fin­den Geschlechts­ver­kehr hat­te. Ein Schnell­test auf K.O.-Tropfen ver­lief negativ.

Ort­lieb, ehe­ma­li­ger Ski-Star und ab 2000 Abge­ord­ne­ter der FPÖ zum Natio­nal­rat, erklär­te über die APA damals: „Nach Rück­spra­che mit der Inns­bru­cker Bun­des­po­li­zei­di­rek­ti­on wur­de ich gebe­ten, dem media­len Druck nicht nach­zu­ge­ben und mich gegen­über den Medi­en ruhig zu ver­hal­ten, denn nur so sei eine lücken­lo­se Klä­rung der besag­ten Nacht mög­lich.” Er habe sich dar­an gehal­ten, „da mir sei­tens der ermit­teln­den Behör­den sowie­so nie ein straf­recht­lich rele­van­tes Fehl­ver­hal­ten vor­ge­wor­fen wur­de”, teil­te der Vor­arl­ber­ger mit.

Die Staats­an­walt­schaft stell­te im Juni 2001 die Ermitt­lun­gen gegen Ort­lieb ein. In einer OTS-Aus­sendung von News vom 30.5.2001 wird Ort­lieb aus einem Ein­ver­nah­me-Pro­to­koll zitiert. Dem­nach sei er mit der Frau in sei­ner Woh­nung gewe­sen und habe ihr dann gesagt: „Pack schnell alles zusam­men, ich muss schnell zum Flug­ha­fen. Ich nehm dich mit, am Flug­ha­fen kannst du dir ja ein Taxi neh­men.” Der Auf­bruch sei der­ar­tig über­stürzt von­stat­ten gegan­gen, dass die Frau nicht mehr dazu gekom­men sei, sich voll­stän­dig anzu­zie­hen und daher in der Inns­bru­cker Flug­ha­fen­ga­ra­ge in einem Zustand vor­ge­fun­den wur­de, der zu Spe­ku­la­tio­nen Anlass gab.

Inter­view­aus­zug „For­mat“ 2.4.2001:

For­mat: Die Dame wur­de ohne Slip und Strumpf­ho­se auf­ge­fun­den. Die Kri­mi­na­lis­ten ermit­teln daher in Rich­tung Sexu­al­de­likt. Hat­ten Sie in die­ser Nacht Sex mit ihr?
Ort­lieb.: Ich war es ganz sicher nicht. Das wür­de sich ja ganz leicht her­aus­fin­den las­sen, wenn man mich unter­su­chen wür­de. Ich ver­ste­he die gan­ze Auf­re­gung nicht – aber gut, ich weiß, ich bin der Patrick Ort­lieb und dazu noch ein FPÖ-Poli­ti­ker. Das kommt erschwe­rend dazu. Es war aber auf gar kei­nen Fall Ehe­bruch. Die­ses Wort darf man da auf gar kei­nen Fall mit hineinziehen.

Ein Abge­ord­ne­ter im Dienst

Rein­hart Gaugg war einer der eif­rigs­ten Jün­ger, trug Hai­der 1986 auf den Schul­tern nach der Abwahl Ste­gers zu Red­ner­pult und Par­tei­vor­sitz, buch­sta­bier­te spä­ter N.A.Z.I. mit „neu, attrak­tiv, ziel­stre­big und ideen­reich“, war Sozi­al­spre­cher der FPÖ im Natio­nal­rat und wur­de 2002 nach einer bemer­kens­wer­ten Pos­ten­scha­che­rei zwi­schen ÖVP und FPÖ zum stell­ver­tre­ten­den Gene­ral­di­rek­tor der Pen­si­ons­ver­si­che­rungs­an­stalt (PVA) bestellt – mit einer Jah­res­ga­ge von 200.000 Euro. Sein Man­dat als Abge­ord­ne­ter zum Natio­nal­rat woll­te er den­noch nicht aufgeben.

Dann kam der 4. August 2002, als Gaugg nach einer feuch­ten Nacht in Schlan­gen­li­ni­en auf der Wör­ther­see- Süd­ufer­stra­ße fah­rend, von der Poli­zei gestoppt wur­de. Das Man­dat und die Immu­ni­tät hal­fen nur mehr kurz: „Ich bin Abge­ord­ne­ter zum Natio­nal­rat. Ich bin im Dienst”, soll Gaugg laut Poli­zei-Pro­to­koll erklärt und sich dar­auf „unsi­che­ren Schrit­tes“ ent­fernt haben. Einen Tag spä­ter wur­de zwi­schen den FPÖ-Spit­zen und Gaugg eine Ver­ein­ba­rung getrof­fen, die vor­sah, dass Gaugg gegen den Ver­zicht auf Man­dat und PVA-Job eine monat­li­che „Ren­te“ in der Höhe von 10.000 Euro erhal­ten sollte.

Die FPÖ zahl­te zunächst auch brav (ins­ge­samt 115.000 Euro), stell­te ihre Zah­lun­gen aber nach der ver­nich­ten­den Wahl­nie­der­la­ge 2002 ein. Gaugg klag­te dage­gen, erhielt vom Erst­ge­richt wei­te­re 352.000 Euro zuge­spro­chen, ver­lor aber in der Beru­fung alles und wur­de zur Rück­zah­lung von ins­ge­samt 150.000 Euro ver­pflich­tet. (Pres­se, 13.11.2007) Damit war Rein­hart Gaugg nach Wal­ter Meisch­ber­ger der zwei­te frei­heit­li­che Abge­ord­ne­te, der gegen Geld sein Man­dat zurück­leg­te bzw. sich abkau­fen ließ. Der Ver­kauf eines Man­dats ist in Öster­reich nicht strafbar.

Der von sei­ner Par­tei fal­len­ge­las­se­ne Gaugg erhielt 2005 über Ver­mitt­lung von Jörg Hai­der dann doch noch eine Geld­zu­wen­dung. Jörg Hai­der ver­half ihm zu einem Auf­trag für eine „Stu­die“ über Pen­sio­nen. Die Fir­ma Valo­ra des Peter Hoch­eg­ger zahl­te anstands­los 30.000 Euro (plus Mehr­wert­steu­er) für das Pen­si­ons­kon­zept (Öster­reich, 30.4.2012), das mitt­ler­wei­le nicht mehr auf­find­bar ist und von der Tele­kom bestellt wor­den sein dürf­te. Eine wei­te­re Zah­lung von 30.000 Euro wur­de von Valo­ra abge­lehnt. 2013 stell­te Gaugg einen Antrag auf Mit­glied­schaft in der SPÖ – die SPÖ lehn­te ab.

Trotz Ver­ur­tei­lung wegen fal­scher Zeu­gen­aus­sa­ge in den Nationalrat

Der ehe­ma­li­ge FPÖ-Gene­ral­se­kre­tär und der­zeit noch Natio­nal­rats­ab­ge­ord­ne­te des BZÖ, Peter Wes­ten­tha­ler, wur­de Ende Juli 2008 wegen fal­scher Zeu­gen­aus­sa­ge zu einer beding­ten Haft­stra­fe von neun Mona­ten ver­ur­teilt. Das Beru­fungs­ver­fah­ren bestä­tig­te den Schuld­spruch, redu­zier­te aber die Stra­fe auf sechs Mona­te. Wes­ten­tha­lers Leib­wäch­ter hat­te auf einer Wahl­par­ty den Spre­cher der Jus­tiz­mi­nis­te­rin Gastin­ger ver­prü­gelt, angeb­lich im Auf­trag Wes­ten­tha­lers. Im Zuge des Ver­fah­rens gegen den Leib­wäch­ter tätig­te Wes­ten­tha­ler eine Falsch­aus­sa­ge. (pro­fil, 8.8.2011)

Wes­ten­tha­ler bezeich­ne­te den Urteils­spruch in ers­ter Instanz als „poli­ti­sches Urteil, der nächs­te Akt einer Het­ze“ und sich als „Opfer einer poli­tisch gefärb­ten Jus­tiz“ (Kurier, 30.7.2008). Her­bert Scheib­ner( BZÖ) gab nach der Ver­ur­tei­lung sei­nes dama­li­gen Par­tei­ob­man­nes Wes­ten­tha­ler auf Pro 7 (29.7.2008) Fol­gen­des von sich: „Ein Poli­ti­ker soll­te nach sei­ner Poli­tik, die er betreibt, beur­teilt wer­den und nicht nach dem, was irgend­ein Gericht sagt!”

2008 wur­de gegen Wes­ten­tha­ler auch noch wegen Kör­per­ver­let­zung und Wider­stand gegen die Staats­ge­walt ermit­telt. Nach einem EM-Fuß­ball­match im Ernst-Hap­pel-Sta­di­on wur­de Wes­ten­tha­ler anschei­nend unge­dul­dig und woll­te mit sei­nem Auto nicht war­ten, bis die Kolon­ne der deut­schen Kanz­le­rin abge­fer­tigt war. Wes­ten­tha­ler wähl­te einen alter­na­ti­ven Weg, dabei war lei­der ein Poli­zist im Weg. Der Poli­zist gab an, am Knie von Wes­ten­tha­lers Auto gerammt wor­den zu sein. Das Ver­fah­ren wegen Kör­per­ver­let­zung wur­de ein­ge­stellt, 2010 wur­de von einer wei­te­ren Ver­fol­gung wegen Wider­stands gegen die Staat­ge­walt aus „ver­fah­rens­öko­no­mi­schen Grün­den“ abge­se­hen.

Weit­ge­hend ver­ges­sen ist die „Trottel“-Affäre von Wes­ten­tha­ler. Anfang 1999, gera­de als Meisch­ber­gers Ver­ur­tei­lung bestä­tigt wur­de, wur­de eine Ver­wal­tungs­stra­fe des dama­li­gen FPÖ-Gene­ral­se­kre­tärs öffent­lich bekannt. Im Juli 1996 war Wes­ten­tha­ler wegen Über­schrei­tens der Höchst­ge­schwin­dig­keit von einer Funk­strei­fe ange­hal­ten wor­den. Der Gene­ral­se­kre­tär und Land­tags­ab­ge­ord­ne­te der Par­tei, die sich sonst immer für Recht und Ord­nung und für die Poli­zei aus­spricht, ging mit den Beam­ten wenig zim­per­lich um. Er bezeich­ne­te sie zunächst als „Scherz­kek­se“ und wenig spä­ter dann als „Idi­ot“, „Voll­kof­fer“ und „Trot­tel“.

➡️ Die Par­tei der Sau­ber­män­ner (I)
➡️ Die Par­tei der Sau­ber­män­ner (III)
➡️ Die Par­tei der Sau­ber­män­ner (IV)