Die Partei der „Saubermänner” (I)

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Kei­ne Par­tei kann davor sicher sein, dass nicht irgend­ei­ner ihrer Man­da­ta­re oder Funk­tio­nä­re (die männ­li­che Form ist beab­sich­tigt) einen Fehl­tritt macht. Alle Par­tei­en haben Mecha­nis­men, wie sie mit poli­ti­schen oder sons­ti­gen, „dem Anse­hen“ der Par­tei schäd­li­chen Vor­gän­gen oder Ver­hal­tens­wei­sen und straf­recht­li­chen Delik­ten umge­hen. Die poli­ti­sche Kul­tur, die in einer Par­tei gepflegt wird bzw. die sie aus­strahlt, bewirkt wohl auch die Attrak­ti­vi­tät für bestimm­te Per­so­nen und Ver­hal­tens­wei­sen. Eine Ori­en­tie­rungs­hil­fe für die bevor­ste­hen­de Nationalratswahl.

Ein Abge­ord­ne­ter auf der Flucht

Es war – in kri­mi­nel­ler Bezie­hung – so etwas wie der Super­gau der alten FPÖ unter Jörg Hai­der. Ende April 1998 ver­schwin­det der amtie­ren­de Klub­kas­sier des frei­heit­li­chen Par­la­ments­klubs, der Natio­nal­rats­ab­ge­ord­ne­te Peter Rosen­stingl mit sei­ner Lebens­ge­fähr­tin zunächst unbe­merkt aus Öster­reich. Am 3. Mai erfährt die Öffent­lich­keit vom Unter­tau­chen des FPÖ-Poli­ti­kers und von sei­nen Betrü­ge­rei­en. Die FPÖ, immer­hin eine der Haupt­ge­schä­dig­ten, reagiert erst am 4. Mai und ent­hebt Rosen­stingl aller poli­ti­schen Funk­tio­nen. Am 6. Mai stellt auch der Ring Frei­heit­li­cher Wirt­schafts­trei­ben­der (RFW NÖ), des­sen Obmann Rosen­stingl war, das Feh­len von meh­re­ren Mil­lio­nen Schil­ling fest, am 7. Mai schließt die FPÖ Peter Rosen­stingl aus der Par­tei aus. Am 12.5.98 dis­ku­tiert der Natio­nal­rat zum ers­ten Mal über die Cau­sa Rosenstingl.

Rasch gehan­delt? Nicht wirk­lich. Die Zeit­schrift „News“ (Nr. 20/98) stell­te in einem Dos­sier akri­bisch zusam­men, wel­che Hin­wei­se es schon vor­her gege­ben hat­te: eine anony­me Anzei­ge wegen Geld­wä­sche im Okto­ber 97, Pfän­dungs­ti­tel auf das Abge­ord­ne­ten­ge­halt im Okto­ber 97, ein kom­plet­tes Dos­sier über Rosen­stingls Mal­ver­sa­tio­nen, das im Jän­ner 98 an die Spit­ze der FPÖ NÖ über­ge­ben wur­de. Deren Lan­des­ob­mann ver­such­te zu die­ser Zeit noch, die an Rosen­stingl ver­lie­he­nen Mil­lio­nen der nie­der­ös­ter­rei­chi­schen Lan­des­par­tei zurückzubekommen.

Im Juni 1998 wird Rosen­stingl im Bade­ort For­ta­le­za in Bra­si­li­en ent­deckt und nach einem kom­pli­zier­ten Aus­lie­fe­rungs­ver­fah­ren ins Wie­ner Lan­des­ge­richt über­stellt (Juni 99). Mit 30.9.98 wird ihm das Man­dat als Abge­ord­ne­ter aberkannt – ein ein­ma­li­ger Vor­gang in der 2. Repu­blik. Der Pro­zess gegen Rosen­stingl wegen schwe­ren gewerbs­mä­ßi­gen Betrugs und Untreue mit einem Gesamt­scha­den von 51,5 Mil­lio­nen Schil­ling endet mit einer sie­ben­jäh­ri­gen Haft­stra­fe im März 2000. Am 19.2.2002 ist Rosen­stingl aller­dings wie­der frei. Er wird wegen Voll­zugs­un­taug­lich­keit aus der Haft ent­las­sen, nach­dem ihm ein Gut­ach­ten eine „fort­schrei­ten­de Herz­er­kran­kung“ attes­tiert hat. Ende April 2009 mel­det sich Peter Rosen­stingl wie­der zurück in den Medi­en: beim Bezirks­ge­richt Ebreichs­dorf wird über sei­nen Pri­vat­kon­kurs in der Höhe von 11 Mil­lio­nen Euro verhandelt.

Die Betrü­ge­rei­en brin­gen die FPÖ ordent­lich ins Schleu­dern. Nicht nur finan­zi­ell. Der Ruf der „Sau­ber­mann­par­tei“ ist ordent­lich beschä­digt. Der Klub- und Lan­des­ob­mann der FPÖ NÖ, Bern­hard Grat­zer wird zu drei Jah­ren Haft, davon neun Mona­te unbe­dingt, ver­ur­teilt. Die Natio­nal­rats­ab­ge­ord­ne­ten Erich Schrei­ner und Her­mann Men­til tra­ten Mit­te Mai 1998 von ihren Man­da­ten zurück. Men­til ver­such­te im Okto­ber 98 ein Come­back, war einen Tag noch FPÖ-Abge­ord­ne­ter, wur­de dann aus dem Klub aus­ge­schlos­sen und blieb bis zum Ende der Legis­la­tur­pe­ri­ode (28.10.99) „wil­der“ Abgeordneter.

Die Rück­trit­te bzw. die Man­dats­ab­erken­nung bei Rosen­stingl brin­gen neue FPÖ-Abge­ord­ne­te ins Par­la­ment, die sich dort aber nur weni­ge Tage hal­ten kön­nen, dann wer­den sie von ihrer Par­tei wie­der abser­viert. Einer davon ist Josef Trenk, der schon damals rechts­kräf­tig wegen Spiel­au­to­ma­ten­be­trugs ver­ur­teilt war (sie­he „Ein Ex-Abge­ord­ne­ter taucht unter“).

Frei­gang vom Häfen für den Landtag

Die FPÖ ist nicht nur die ein­zi­ge Par­tei, bei der einem Abge­ord­ne­ten das Man­dat aberkannt wur­de, sie ver­fügt auch über den ein­zi­gen Abge­ord­ne­ten, der als Häft­ling bzw. “Frei­gän­ger“ einer Jus­tiz­an­stalt zeit­wei­se sein Abge­ord­ne­ten-Man­dat im nie­der­ös­ter­rei­chi­schen Land­tag aus­üb­te. Bern­hard Grat­zer, Chef der FPÖ Nie­der­ös­ter­reich und deren Klub­ob­mann bis zur Affä­re Rosen­stingl, wur­de im Jahr 2001 wegen Untreue zu drei Jah­ren teil­be­ding­ter Haft (davon neun Mona­te unbe­dingt) ver­ur­teilt. Damit war Grat­zer zwar sei­nen Offi­ziers­pos­ten beim Bun­des­heer los, nicht aber sein Man­dat im Land­tag, das er auch wei­ter­hin als „wil­der“ Abge­ord­ne­ter aus­üben wollte.

Unmit­tel­bar nach dem Plat­zen der Mil­lio­nen-Affä­re um Rosen­stingl hat­te Grat­zer zwar sei­nen Rück­tritt als Abge­ord­ne­ter ver­kün­det und sich in den Urlaub nach Mau­ri­ti­us ver­ab­schie­det, um dar­auf sei­nen „Rück­tritt vom Rück­tritt“ zu voll­zie­hen. Nach sei­nem Haft­an­tritt im August 2002 agier­te der „Polit­kna­cki“ (News) als „Frei­gän­ger“ der Jus­tiz­an­stalt Sim­me­ring, um sein Land­tags­man­dat aus­zu­üben. (News, 5.9.2002, Pres­se, 28.9.2001)

„Was war mei­ne Leistung?”

Wal­ter Meisch­ber­ger war schon vor die­sem Spruch ein­schlä­gig bekannt. Im Dezem­ber 1998 wur­de er wegen Anstif­tung zur Steu­er­hin­ter­zie­hung vom Obers­ten Gerichts­hof rechts­kräf­tig ver­ur­teilt (3 Mil­lio­nen ATS – „bar auf’s Hand­erl“). Hai­der hat­te nach dem Rosen­stingl-Skan­dal eine neue, sau­be­re Par­tei ver­spro­chen, mit viel Tam­tam, Sau­ber­keits­er­klä­run­gen, Ehren­ge­rich­ten usw. Die Ver­ur­tei­lung Meisch­ber­gers brach­te die FPÖ des­halb ziem­lich in die Bre­douil­le. Ein Aus­schluss hät­te Meisch­ber­ger nicht bloß zum „wil­den“ Abge­ord­ne­ten gemacht, son­dern den FPÖ-Klub um viel Geld gebracht. Damals galt noch eine Rege­lung, die im Fall des Ver­lus­tes des 41. Man­dats eine Kür­zung der Klub­för­de­rung um fast 300.000 Euro jähr­lich bedeu­tet hätte.

Ein Man­dats­ver­zicht hät­te für Meisch­ber­ger, der damals schon fast zehn Jah­re im Par­la­ment saß, ande­rer­seits den Ver­zicht auf eine fet­te Poli­ti­ker­pen­si­on bedeu­tet. Meisch­ber­ger woll­te dar­auf nicht ver­zich­ten, die Par­tei nicht auf die Klub­för­de­rung. Also wur­de hin­ter den Kulis­sen hef­tig ver­han­delt und öffent­lich demen­tiert. Am 23. Febru­ar 1999 erklär­te Meisch­ber­ger sei­nen Rück­tritt als Abge­ord­ne­ter, um dann am 20.4. vom Rück­tritt zurück­zu­tre­ten. Der frei­heit­li­che Klub schloss dar­auf­hin Meisch­ber­ger aus, für wei­te­re zwei Tage war „Mei­schi” wil­der Abge­ord­ne­ter, um dann end­gül­tig aus dem Natio­nal­rat aus­zu­schei­den. Die zehn Jah­re als Vor­aus­set­zung für die Poli­ti­ker­pen­si­on hat­te er damit knapp ver­fehlt, der Klub hin­ge­gen behielt sei­ne Klubförderung.

Erst 2012 wur­de dann bekannt, dass sich Meisch­ber­ger sei­nen Ver­zicht auf das Man­dat hat­te abkau­fen las­sen. Zwar nicht bar aufs Hand­erl, aber auf ein Spar­buch wur­den 2,5 Mil­lio­nen Schil­ling (ca. 180.000 Euro) von der FPÖ über­wie­sen – als Abgel­tung für die Pen­si­ons­bei­trä­ge, die Meisch­ber­ger für sei­ne Poli­ti­ker­pen­si­on ein­be­zahlt hat­te. Im Ver­gleich zu den Pro­vi­sio­nen, die Meisch­ber­ger spä­ter für sei­ne „Leis­tun­gen“ erhal­ten hat, ist die Sum­me jedoch fast schon als beschei­den zu bezeichnen.

Der FPÖ-Ehren­rat, der nach der rechts­kräf­ti­gen Ver­ur­tei­lung von Meisch­ber­ger ein­ge­setzt wor­den war, hat­te mit­ten im Tru­bel der gehei­men Ver­hand­lun­gen zwi­schen Meisch­ber­ger und Par­tei ent­schie­den, dass ihm trotz Ver­ur­tei­lung „kein uneh­ren­haf­tes Ver­hal­ten“ nach­zu­wei­sen sei. Das kam nicht wirk­lich gut rüber, sodass der dama­li­ge Gene­ral­se­kre­tär der FPÖ, Peter Wes­ten­tha­ler, den Spruch wegen „Ver­fah­rens­män­geln und Form­feh­lern“ stan­te pede aufhob.

Hypo-Dank ist des Abge­ord­ne­ten Lohn

Heinz Anton Marolt war eher ein Kurz­zeit-Abge­ord­ne­ter der FPÖ. Zwi­schen Juni 1998 und August 1999 saß er für die FPÖ im Natio­nal­rat, dann noch zwei Mona­te als „wil­der“ Abge­ord­ne­ter. Weil er für die bei den Natio­nal­rats­wah­len 1999 ver­geb­lich kan­di­die­ren­de Lis­te „Die Unab­hän­gi­gen“ von Richard Lug­ner zusam­men mit den FPÖ-Abge­ord­ne­ten Elfrie­de Madl und Anton Blün­eg­ger eine Unter­stüt­zungs­er­klä­rung abge­ge­ben hat­te, war er aus der FPÖ aus­ge­schlos­sen worden.

Der Hotel­be­sit­zer Marolt, der nicht gera­de durch beson­de­res Enga­ge­ment im Natio­nal­rat auf­ge­fal­len ist (acht Rede­bei­trä­ge), mach­te sich wäh­rend sei­ner blau­en Peri­ode zunächst als Gemein­de­rat von St. Kan­zi­an am Klo­pei­ner­see, dann als Abge­ordn­te­ter ver­dient um die FPÖ: „Die ‚blaue Lagu­ne‘ der Marolts, eine Bar unweit des Hotels, wird zum Hot­spot der Frei­heit­li­chen in Kärn­ten. Wer in der Liga der blau­en Auf­stei­ger mit­spie­len will, fei­ert mit den Par­tei­gran­den in der ‚Blau­en Lagu­ne‘ ab.“ (News, 23.9.2010)

Sei­nem Betrieb ging es jedoch nicht sehr gut: Die Schul­den stie­gen bis 1997 auf 127 Mil­lio­nen Schil­ling an. Kurz bevor Marolt zum Abge­ord­ne­ten auf­stieg, wur­de mit sei­ner Haus­bank über eine Sanie­rung ver­han­delt. Das Ergeb­nis: Die Haus­bank Hypo Alpe Adria ver­zich­te­te auf 15 Mil­lio­nen Schil­ling und wei­te­re 15 Mil­lio­nen wur­den als „Bes­se­rungs­ka­pi­tal“ abge­schrie­ben. „News“ kom­men­tier­te: „Sei­ne schloss­ähn­li­che Vil­la am See hat er noch heu­te, den Fer­ra­ri zeig­te er einst jedem, der ihn sehen woll­te. Für die 30 Mil­lio­nen Schil­ling, die Jörg Hai­ders frü­he­rem Weg­ge­fähr­ten geschenkt wur­den, ste­hen heu­te alle Steu­er­zah­ler Öster­reichs gera­de.“ (News, 23.9.2010)

Von Harald Fischl, zwi­schen 1994 und 2001 mehr­mals Abge­ord­ne­ter, wur­de Ähn­li­ches bekannt, und auch Det­lev Neu­deck (FPÖ‑, dann BZÖ-Abge­ord­ne­ter), steht in der Zie­hung.

Ein Ex-Abge­ord­ne­ter taucht unter

Josef Trenk war zwei­mal Kurz­zeit-Abge­ord­ne­ter der FPÖ im Natio­nal­rat, 1998 gar nur für sechs Tage. Im Gefol­ge der Affä­re Rosen­stingl soll­te er das frei­ge­wor­de­ne FPÖ-Man­dat von Erich Schrei­ner über­neh­men. Nach Anga­ben des SPÖ-Klubs war Trenk in den 1980er-Jah­ren zu einer Haft­stra­fe wegen Betrugs ver­ur­teilt wor­den, was zu einem „Umden­ken“ in der FPÖ und bei Trenk über das Man­dat geführt haben soll. Der „Pres­se“ (20.5.1998) gegen­über wink­te Trenk jeden­falls ab: „Das hat sich schon erüb­rigt.“ Eine Ver­ur­tei­lung demen­tier­te er damals heftig.

Nur zwei Wochen spä­ter, im Juni 1998, leg­te Trenk alle sei­ne Funk­tio­nen in der Ter­nit­zer Bezirks­par­tei der FPÖ nie­der: in der Stadt­par­tei­kas­se der FPÖ Ter­nitz waren Fehl­be­trä­ge fest­ge­stellt wor­den. Im Jahr 2002 wur­de Trenk wie­der auf­fäl­lig. Wie „News“ (Nr. 34/02) berich­te­te, war der Ex-Natio­nal­rat zu ins­ge­samt 39 Mona­ten Haft wegen Ver­un­treu­ung und schwe­ren Betrugs ver­ur­teilt wor­den, trat aber sei­ne Haft­stra­fe nicht an. Zuletzt war er in Pfaff­stät­ten bei Baden gesich­tet wor­den, wo er in einer Pen­si­on wochen­lang wohn­te, ohne die Zeche zu bezah­len. Der „Schwarza­ta­ler Bezirks­bo­te“ bat dar­um, „Hin­wei­se auf den Ver­bleib von Josef Trenk bei der nächs­ten Gen­dar­me­rie­dienst­stel­le“ zu mel­den. Der Auf­ruf hat­te Erfolg: im Sep­tem­ber 2002 mel­de­te sich Trenk in kur­zer Hose und mit einer Bar­schaft von 5,2 Euro bei der Jus­tiz­an­stalt Wie­ner Neu­stadt zum Haftantritt.

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