Wien (OTS) — Scharfe Kritik üben das Mauthausen Komitee Österreich (MKÖ) und das OÖ. Antifa-Netzwerk an Fehlentscheidungen und Versäumnissen der Strafjustiz bei rechtsextremen und rassistischen Delikten. „Gerade in letzter Zeit sind haarsträubende Dinge passiert”, stellt MKÖ-Vorsitzender Willi Mernyi fest.
„Ein bekannter Rechtsextremist aus Oberösterreich hat in einem Artikel die Existenz von Krematorien im KZ Auschwitz ebenso bestritten wie die Ermordung von Anne Frank. Außerdem hat er KZ-Überlebende als „Landplage” beschimpft und als „Kriminelle” verleumdet”, schildert Netzwerk-Sprecher Robert Eiter einen der Fälle. „Die Israelitische Kultusgemeinde und mehrere antifaschistische Organisationen haben Anzeige wegen NS-Wiederbetätigung und Holocaust-Leugnung erstattet. Trotz der eindeutigen Beweislage wurde das Verfahren von der Staatsanwaltschaft Wien sang- und klanglos eingestellt. Man hielt es nicht einmal für notwendig, die Anzeigenden zu verständigen.” Ebenso skandalös ist der folgende Fall: „Im Vorfeld des Matches zwischen SK Rapid und Paok Saloniki hat ein Nazi-Hooligan auf dem Schwedenplatz in Wien einen Rabbiner antisemitisch beschimpft. Mehrere Polizisten wurden Zeugen, unternahmen aber nichts”, berichtet Mernyi. Der Rabbiner schrieb in einem E‑Mail-Protokoll an die Wiener Polizei: „Dass diese Polizisten tatenlos zusehen und auch noch grinsen, ein regelrechtes Schockerlebnis.” Trotzdem konnte die Staatsanwaltschaft Wien kein strafbares Verhalten der Beamten erkennen. Mernyi: „Lautstarke Hassparolen gegen Juden sind offenbar nicht Grund genug für ein Einschreiten.”
Diese „Toleranz” der Strafjustiz kam auch dem Obmann der „Ulrichsberggemeinschaft”, Hermann Kandussi, zugute. Er hatte in einem Zeitungsinterview behauptet, dass „jeder von der Waffen-SS seine Schuldigkeit getan hat. Sagen Sie mir ein Verbrechen, das die Waffen-SS begangen hat.” Eine glatte Geschichtslüge, wie u.a. der Rechtshistoriker Martin Polaschek, Vizerektor der Karl-Franzens-Universität Graz, bestätigte: „Die Gräueltaten der Waffen-SS sind dokumentiert, auch bei Holocaust-Verbrechen.” Kandussi hatte also öffentlich nationalsozialistische Verbrechen gegen die Menschlichkeit geleugnet, was zweifellos den Tatbestand des Paragraphen 3h Verbotsgesetz erfüllt. „Der Staatsanwaltschaft Klagenfurt war das gleichgültig: Sie stellte in Rekordzeit ein”, ist der MKÖ-Vorsitzende empört.
Auch bei den gerade begonnenen Prozessen gegen Mitglieder der kriminellen Neonazi-Organisation „Objekt 21” mutet manches sehr seltsam an. Netzwerk-Sprecher Eiter: „Schon 2010 und 2011 hat es eine Reihe von Anzeigen gegen das „Objekt 21” gegeben. Diese Anzeigen haben aber nur in einem einzigen Fall, nämlich im August 2012, zu einer — übrigens bloß bedingten — Verurteilung geführt. Das heißt, die meisten Anzeigen hat die Staatsanwaltschaft Wels zwei Jahre und länger liegen lassen. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft angesichts einer kriminellen Organisation mit bis zu 200 Beteiligten und einer Vielzahl an schweren Verbrechen nur gegen 35 Beschuldigte, wobei überhaupt nur sieben Beschuldigte wegen NS-Wiederbetätigung vor Gericht stehen sollen! Es ist für jeden Informierten offensichtlich, dass beim „Objekt 21” wesentlich mehr Neonazis aktiv waren.”
„Schon diese Beispiele zeigen: Die Strafjustiz behandelt Rechtsextremismus oft als Kavaliersdelikt”, betont Willi Mernyi. „Natürlich gibt es auch Staatsanwälte und Richter, die den antifaschistischen Auftrag unserer Verfassung engagiert umsetzen. Aber insgesamt kann von einer wirksamen Bekämpfung des Rechtsextremismus durch die Justiz keine Rede sein.” „Wir haben Bundesministerin Karl bereits kurz nach ihrem Amtsantritt in einem Gespräch auf diese Missstände hingewiesen”, sagt Robert Eiter. „Leider hat sich die Lage seither nicht verbessert, sondern weiter verschlechtert. Wir richten an die Justizministerin den dringenden Appell, ihre diesbezügliche politische Verantwortung endlich wahrzunehmen!”