Kurt Scheuch, freiheitlicher Spitzenmann aus Kärnten, beschimpfte den Richter, der 2011 seinen Bruder Uwe verurteilt hatte, als „Kröte“ und „wild gewordenen Rambo-Richter“. Dafür wurde jetzt eine Diversion vereinbart. Was aber ist mit seinem Vorwurf der „Freimaurer“-Verschwörung? Einblicke in die Gedanken- und Gefühlswelt eines Freiheitlichen im Graubereich zwischen esoterisch-rechtsextremistischer Ewiggestrigkeit und pathologischer Paranoia .
Kurt Scheuch, immerhin stellvertretender Landeshauptmann und Vorsitzender der Freiheitlichen Partei (FPK) in Kärnten, ist ein Sensibelchen der besonderen Art: „Ich habe mich in den letzten Monaten gefühlt wie ein gehetztes Reh“, erklärte er nach der Gerichtsverhandlung, in der eine Diversion durch Bezahlung einer Geldbuße in der Höhe von 6.600 Euro und eine schriftliche und öffentliche Entschuldigung gegenüber dem betroffenen Richter vereinbart wurde.
Im August 2011 war Kurt Scheuch nicht so sensibel. Am Abend jenes Tages, an dem sein Bruder Uwe Scheuch, der damals stellvertretender Landeshauptmann und Obmann der Freiheitlichen Kärntens (FPK) war, von einem Klagenfurter Richter in erster Instanz zu einer unbedingten Haftstrafe verurteilt worden war, hielt die FPK eine Solidaritätsveranstaltung mit dem Verurteilten ab, die ein Zeuge vor Gericht als „fast unheimlich“ beschrieb. Dabei fielen die jetzt gerichtlich behandelten Sager von Kurt Scheuch.
Tage danach fiel Kurt Scheuch noch anderes ein und auf: „Welche Verbindungen der Richter Christian Liebhauser-Karl zur linken Reichshälfte und zu den Freimaurern pflegt, werden wir uns noch genauer anschauen.“ ( OTS FPK, 4.8.2011) Sein Bruder Uwe, dem Kurt damals noch ein langes Leben als FPK-Obmann prophezeite, griff die „Freimaurer- Verschwörung“ in der gebotenen Weise auf:
„Kleine Zeitung“: “In Ihrer Partei will man das Umfeld des Richters ausleuchten. Das ist niederträchtig.”
Scheuch: „Das finde auch ich abstoßend. Ich würde so etwas nie tun. Was aber spannend ist: Es wurde mir zugetragen, dass der Kollege Liebhauser Karl dem Netzwerk der Freimaurer angehören soll. Das wird man noch sagen dürfen. (Kleine Zeitung, 6.8.2011)
Wir halten fest: Es ist zwar abstoßend, das Umfeld des Richters auszuleuchten (pfui, Kurt!), aber auch spannend, die Freimaurer hinter dem Urteil zu vermuten, meinte Uwe damals.
Auch ein Jahr später wissen wir nicht mehr darüber. Weder Uwe noch Kurt ist es gelungen, etwas auszuleuchten, aber der Kurt hält auch in der Gerichtsverhandlung vom 17. Jänner noch daran fest, dass es „eben Gerüchte gegeben [hat], dass eben die Freimaurer das Urteil beschlossen haben, und das hat man ja gesehen, dass der Richter das Urteil schon vorgeschrieben gehabt hat.“

Kurt war zwar bei der Verhandlung damals nicht dabei, aber er hat von jemandem gehört, dass jemand gesehen hat, dass das Urteil schon vorgeschrieben war! Ein Klassiker der Verschwörungstheorie: Es waren die Freimaurer! Deshalb stellt Kurt vor Gericht auch den Antrag, den Richter Liebhauser zu laden, um ihn zu befragen, ob er Freimaurer ist.

Die Vorstellung, es gäbe eine Geheimorganisation, die Strafhöhen in Gerichtsverfahren festlegen und tatsächlich durchsetzen könnte, ohne von der Öffentlichkeit, der Justiz, der Polizei oder den Medien bemerkt zu werden, ist zwar bis zum Fremdschämen peinlich dumm, aber in extrem rechten und esoterisch angehauchten Kreisen seit Jahrzehnten sehr beliebt: Die Freimaurer-Schablone kann jederzeit durch die der Juden, des Mossad, der CIA oder auch durch UFOs ersetzt werden.
Kurt Scheuch stellt also einen Antrag, von dem er weiß, dass er abgelehnt werden muss. Die Ablehnung dieses Antrags durch das Gericht kann natürlich auch als starkes Indiz für eine freimaurerische Verschwörung gewertet werden, aber dazu äußert sich das „gehetzte Reh“ Kurt Scheuch nicht mehr.

Während Bruder Uwe 2011 noch trotzig zu den Freimaurer-Spekulationen meinte, „das wird man noch sagen dürfen“, vertraut Kurt mehr einer symbolischen Bildsprache. Im Herbst 2012 präsentierte sich Kurt Scheuch über das Video „Furchtlos“ einer staunenden Öffentlichkeit. In dem Video können selbst Echsen, Schlangen und Spinnen, die in seinem Büro herumkrabbeln, dem Landeshauptmannstellvertreter nichts anhaben. Eine kurze Bildsequenz zeigt den „Furchtlosen“ mit einem Tattoo auf der Schulter. Das Tattoo zeigt einen Krieger mit Drudenfuß auf dem Helm, dahinter einen grimmigen Wolf. Aha! Ob nun der Drudenfuß als Symbol der Freimaurer gemeint ist oder als Bannzeichen gegen das Böse, ob sich Kurt, das „gehetzte Reh“ eher im Krieger oder im Wolf erkennt, das will Kurt nicht enträtseln: „Meine Familie weiß, was es damit auf sich hat. Alle anderen geht das nichts an.” (Kleine Zeitung)

Warum aber präsentiert der freiheitliche Spitzenpolitiker dann seinen Eso-Schrott in einem öffentlichen und von seiner Partei finanzierten Video?
Die Symbole, die sich in rechtsextremistischen Esoterikkreisen großer Beliebtheit erfreuen, können in Zeiten des Fantasyhypes als skurrile Nullaussage eher weltabgewandter Spinner abgetan werden. Wenn sie jedoch in Kombination mit Spitzenfunktionären einer zumindest partiell rechtsextremistischen Partei und Verschwörungstheorien auftreten, darf mensch sich schon die Frage stellen: Ist da wer tief in rechtsextremistischen Symbolwelten verhaftet, oder hat er sonstwie gravierende Probleme?
Siehe auch: Strache, Scheuch und die Freimaurer
Und: zeitzuender — Antisemitische Tätowierung eines Kärntner Landesrates, oder was sonst?