Deutschland: Neonazis als Mörderbande

Man muss sich das vorstellen: In ein­er Neon­azi-Organ­i­sa­tion, dem „Thüringer Heimatschutz“ wer­den 1998 funk­tions­fähige scharfe Bomben hergestellt. Die drin­gend der Tat Verdächti­gen wur­den zwar observiert, kon­nten aber prob­lem­los unter­tauchen. Als sie 2011 wieder auf­tauchen, waren sie tot.

Die bei­den bei Eise­nach aufge­fun­de­nen Toten, Uwe Mund­los und Uwe Böhn­hardt, sollen sich nach Angaben der Polizei selb­st erschossen haben. Zuvor, das scheint gesichert, hat­ten sie am 4.11. um 9h30 eine Bank in Eise­nach über­fall­en. Der Über­fall wurde sehr bru­tal aus­ge­führt, ein Bankangestell­ter zusam­mengeschla­gen, weil die Beute (70.000 Euro) den Räu­bern zu niedrig war. Wenige Stun­den nach dem Über­fall find­et die Polizei in einem bren­nen­den Wohn­mo­bil in Eise­nach nicht nur die toten Bankräu­ber, son­dern auch die Dienst­waf­fen ein­er 2007 in Heil­bronn ermorde­ten Polizistin und ihres damals lebens­ge­fährlich ver­let­zten Kol­le­gen. Kurz danach explodieren Teile eines Wohn­haus­es in Zwickau.

Die bei­den Bankräu­ber haben dort mit der 36 Jahre alten Beate Zschäpe (alias Susann Dienelt alias Mandy Struck) zusam­men­gelebt. Zschäpe hat­te vor der Explo­sion noch ihre Katzen bei ein­er Nach­barin deponiert und war dann ver­schwun­den. Die zur Fah­n­dung aus­geschriebene Zschäpe stellt sich am 8. Novem­ber der Polizei in Jena.


Banküber­fall der Neonazis

Mit­tler­weile hat die Polizei her­aus­ge­fun­den, dass ein weit­er­er bru­taler Bankraub in Arn­städt im Sep­tem­ber von den gle­ichen Neon­azis verübt wurde. Über die Videos find­et die Polizei her­aus, dass möglicher­weise noch ein weit­eres Dutzend Banküber­fälle in den let­zten Jahren auf das Kon­to der Neon­azis geht. Zschäpe ist jet­zt zwar in U‑Haft, spricht aber nicht über Tat und Motive.

Die Antifa hat schon ziem­lich früh auf die poli­tis­che Biogra­phie des Mord-Trios aufmerk­sam gemacht und darauf hingewiesen, dass die drei im Thüringer Heimatschutz, ein­er neon­azis­tis­chen Struk­tur von „freien Kam­er­ad­schaften“ in den 90er-Jahren aktiv waren. Der„Thüringer Heimatschutz“ (THS) war von Spitzeln des Thüringer Ver­fas­sungss­chutzes unter­wan­dert. Tino Brandt, ein gut bezahlter Spitzel, war zeitweise sog­ar Chefor­gan­isator des mil­i­tan­ten THS.

Da stellen sich natür­lich die ersten Fra­gen: Warum kön­nen die drei Bomben­bauer trotz geziel­ter Razz­ia unter­tauchen? Warum wird 2003 die Fah­n­dung nach den Unter­ge­taucht­en eingestellt – wegen „Ver­jährung“? Warum beeilt sich der Ver­fas­sungss­chutz Thürin­gen, in aktuellen Presseaussendun­gen darauf hinzuweisen, dass die drei zu kein­er Zeit informelle Mitar­beit­er des Ver­fas­sungss­chutzes Thürin­gen waren?

Mit­tler­weile haben jeden­falls Krim­i­nalpolizei und Spuren­suche die abge­fack­elte Woh­nung gründlich unter­sucht und weit­ere Schuss­waf­fen und neon­azis­tis­ches Pro­pa­gan­da­ma­te­r­i­al gefun­den. Eine der gefun­de­nen Waf­fen ist die Verbindung zu ein­er Mord­serie, den soge­nan­nten Döner-Morden.


Das gesprengte Wohn­haus, ver­mut­lich um Beweise zu ver­nicht­en Bildquelle: tagesschau.de

Ins­ge­samt neun Män­ner, acht Türken und ein Grieche, waren zwis­chen 2000 und 2006 bru­tal von unbekan­nten Tätern ermordet wor­den. Ver­mutet wur­den Fam­i­lien­fe­hden und ähn­lich­es, aber keine Mord­serie von Neon­azis. Die ist aber jet­zt evi­dent, denn, wie ein Sprech­er der Bun­de­san­waltschaft am 11.11. erk­lärte, in der ver­wüsteten Woh­nung wurde auch Pro­pa­gan­da­ma­te­r­i­al, darunter ein Video, das Bezüge zu den Dön­er-Mor­den her­stellt, gefun­den. Der Sprech­er nan­nte eine Gruppe „Nation­al­sozial­is­tis­ch­er Unter­grund“, die das Video pro­duziert haben soll.

Mit­tler­weile wer­den auch Verbindun­gen zu einem Nagel­bomben-Anschlag im Juli 2000 („Wehrhahn“-Anschlag) in Düs­sel­dorf, bei dem eine Gruppe jüdis­ch­er Aussiedler schw­er ver­let­zt wurde, und zu einem Bombe­nan­schlag in der Köl­ner Keup­straße, wo 22 Türken die Opfer waren, geprüft.

Die Bun­de­san­waltschaft hat die Ermit­tlun­gen an sich gezo­gen und ermit­telt wegen des Ver­dacht­es der Mit­glied­schaft in ein­er ter­ror­is­tis­chen Vere­ini­gung in Tatein­heit mit Mord, ver­suchtem Mord und schw­er­er Brand­s­tiftung: „Gegen­stand des Ermit­tlungsver­fahrens ist auch die Ver­strick­ung möglich­er weit­er­er Per­so­n­en aus recht­sex­trem­istis­chen Kreisen in die Taten.“

Dass drei als Neon­azis bekan­nte Bomben­bauer vor den Augen des Ver­fas­sungss­chutzes, dessen Spitzel in der Szene aktiv sind, unter­tauchen und unerkan­nt 13 Jahre mor­dend und plün­dernd durch Deutsch­land ziehen kön­nen, ist nicht nur ein poli­tis­ch­er Skan­dal der Son­derk­lasse, son­dern wird noch einige gute Ermit­tlungsar­beit benöti­gen. Denn dass die drei diese Mord­serie allein, ohne Unter­stützung und ohne poli­tis­che Motive aus­ge­führt haben, das glaubt nicht ein­mal die Bundesanwaltschaft.

faz.net — Heil­bronn, Eise­nach, Dönermorde