Wien (OTS) — Österreich hat ein massives Rechtsextremismusproblem.
Rechtsextreme Straftaten sind inzwischen wieder tägliche Realität im Land. Es ist ein bitteres Resümee, das aus Anlass des Gedenkens an die Novemberpogromnacht gezogen werden muss. Am 9. November jähren sich die mörderischen Übergriffe gegen Juden im Deutschen Reich zum 73. Mal. Der Gedenktag dient nicht nur der so wichtigen Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus, sondern soll auch zum Nachdenken über Ausgrenzung, Diskriminierung und rassistische Gewalt im heutigen Europa anregen.
Daher ruft das 560 zivilgesellschaftliche Organisationen umfassende europäische Netzwerk „UNITED for Intercultural Action”, dem auch SOS Mitmensch angehört, für den 9. November zu einem lautstarken „Internationalen Tag gegen Faschismus und Antisemitismus” auf.
So ein lautstarker Tag ist auch dringend notwendig: Die Anzahl rechtsextremer Straftaten ist in Österreich im vergangenen Jahr förmlich explodiert. 2010 wurde erstmals die 1000er Marke bei Anzeigen zu rechtsextremen Tathandlungen überschritten. Das heißt, es werden täglich drei rechtsextreme Handlungen zur Anzeige gebracht.
Die Dunkelziffer liegt noch deutlich höher.
Doch die Regierung schläft bei der Bekämpfung von Rechtsextremismus. Verharmlosend spricht der vom Innenministerium herausgegebene Verfassungsschutzbericht davon, dass der Rechtsextremismus „keine ernsthafte Gefahr für den Staat oder eine Bedrohung der inneren Sicherheit darstellt.” Von der Möglichkeit eines rechtsextremen Terrorismus will das Innenministerium erst gar nichts wissen. Verleugnet werden im Bericht auch die Verbindungen der FPÖ zu rechtsextremen Szenen innerhalb und außerhalb Österreichs.
Lapidar hält der Verfassungsschutzbericht fest, dass „rechtsextremistische Etablierungsversuche in der österreichischen Parteienlandschaft von den Behörden unterbunden werden konnten”.
Wie zögerlich die Regierung in Sachen Bekämpfung von Rechtsextremismus vorgeht, zeigt die Tatsache, dass von einer geplanten deutlichen Verschärfung des Verhetzungsparagrafen Abstand
genommen wurde. Rechtsextreme Hetze kann damit weiterhin Bestandteil von politischen Kampagnen bleiben.
Politisches Stillschweigen herrscht auch darüber, dass zeitgleich mit dem rechtsextremen Massaker in Norwegen auch in Österreich ein rechtsextremer Anschlag mit tödlichen Folgen stattgefunden hat. In Traun wurde am 22. Juli ein Rumäne erschossen und dessen Ehefrau und Sohn lebensgefährlich verletzt. Schnell wurde der Mordanschlag als „private Streitigkeit” abgetan, doch nun kommt mehr und mehr ans Tageslicht, dass es sich um einen minutiös geplanten rechtsextremen Mordanschlag gehandelt hat.
„Wir fordern die Regierung dazu auf, klare Worte und deutliche Taten gegen Rechtsextremismus zu finden. Rechtsextreme Verhetzung ist kein Kavaliersdelikt und rechtsextrem motivierte Gewalt keine Privatangelegenheit.”, betont Alexander Pollak, Sprecher von SOS Mitmensch. Und Pollak weiter: „Das Novemberprogromgedenken [sic!] sollte uns auch zum Nachdenken über den Schutz und die Gefährdung von Minderheiten im heutigen Österreich veranlassen. Das Massaker von Norwegen, ebenso wie der rechtsextreme Mordanschlag von Traun haben gezeigt, wie mörderisch Rechtsextremismus auch heute noch sein kann. Der verharmlosende Umgang der Verfassungsschutzeinrichtungen mit Rechtsextremismus ist daher ebenso fahrlässig wie die Weigerung der Regierung, schärfer gegen Verhetzung vorzugehen.”