Politik gegen die Menschen III: Die FPÖ im Kampf gegen den Sozialstaat: „Gastarbeiter“ prügeln und alle treffen

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„Wir müs­sen umden­ken“, for­der­te FPÖ-Obmann Stra­che am 6. Juni 2007. „Die FPÖ sagt, dass der Sozi­al­staat in ers­ter Linie nur für Staats­bür­ger da zu sein hat – der Sozi­al­staat ist sonst gefähr­det! (…) Wir wol­len eine Gast­ar­bei­ter-Sozi­al­ver­si­che­rung, (…) eine medi­zi­ni­sche Grund­ver­sor­gung (…), aber nicht so(…) dass jeder Zuwan­de­rer ab dem ers­ten Tag ein Recht auf eine Gemein­de­woh­nung haben soll, auf alle sozia­len Son­der­leis­tun­gen, und eben Anspruch auf alles, was eigent­lich Staats­bür­gern zuste­hen sollte.“

Am 15. Okto­ber 2009 leg­te die FPÖ in einer dring­li­chen Anfra­ge zum The­ma „Armut“ wie­der ein­mal nach: 

Groß­zü­gi­ge Fami­li­en­trans­fers, de fac­to bei­trags­freie bzw. hoch sub­ven­tio­nier­te Ver­si­che­rung im öffent­li­chen Gesund­heits- und Pen­si­ons­sys­tem, nied­ri­ge oder kei­ne Steu­ern für gerin­ge Ein­kom­men und ein dich­tes Netz von Sozi­al­leis­tun­gen, (…) ste­hen Steu­ern und Abga­ben in uner­träg­li­cher Rekord­hö­he gegen­über. Eine Zuwan­de­rung, die einen hohen Anteil an unpro­duk­ti­ven Fami­li­en­mit­glie­dern beinhal­tet, ist volks­wirt­schaft­lich von Nach­teil und belas­tet unse­re Sozialsysteme.

Und FPÖ-Obmann Stra­che führ­te dazu aus: „Es kann doch nicht so sein, (…) dass sozia­le Son­der­leis­tun­gen wie sozia­le Woh­nun­gen, Fami­li­en­bei­hil­fe oder das Kin­der­geld von jedem, der zu uns kommt, qua­si ab dem ers­ten Tag in Anspruch genom­men wer­den können.“

Nun, die Behaup­tun­gen der FPÖ sind zuerst ein­mal falsch: Kein Mensch kann nach Öster­reich kom­men und sofort Sozi­al­leis­tun­gen, Kin­der­bei­hil­fe oder eine Woh­nung bekom­men. Er oder sie muss zuerst arbei­ten und Sozi­al­ver­si­che­rungs­bei­trä­ge wie auch Steu­ern zah­len. Und: „Aus­län­de­rIn­nen“ zah­len in Öster­reich weit mehr an Sozi­al­ver­si­che­rungs­bei­trä­gen, als sie aus dem Sys­tem erhal­ten, wie das Sozi­al­mi­nis­te­ri­um errech­ne­te. Sie bekom­men gera­de ein­mal 60% ihrer Bei­trä­ge als Leis­tun­gen ausbezahlt.

War­um das ist und auch gar nicht anders sein kann, ist leicht erklärt: Die für den Sozi­al­staat „teu­ers­ten“ Pha­sen im Leben eines Men­schen sind die Kind­heits­jah­re sowie das hohe Alter. Zumin­dest eine die­ser Pha­sen ver­bringt ein gro­ßer Teil der „Aus­län­de­rIn­nen“ aber nicht in Österreich.
Kurz: Die Umset­zung des FPÖ-Plans, eine eige­ne „Gast­ar­beit­ver­si­che­rung“ zu schaf­fen, wür­de alle Men­schen in Öster­reich tref­fen, weil dann eine gan­ze Grup­pe von Net­to­zah­le­rIn­nen nicht mehr ins Sys­tem ein­zahlt. Ein ech­ter Schuss ins eige­ne Knie!

Es gäbe aber auch noch wei­te­re Absur­di­tä­ten: Im Sozi­al­sys­tem müss­ten nach Wunsch der FPÖ „Aus­län­de­rIn­nen“ nied­ri­ge­re Bei­trä­ge zah­len, weil sie für die­sel­ben Bei­trä­ge ja nicht nur mit einer unzu­rei­chen­den „Grund­ver­sor­gung“ abge­speist wer­den kön­nen (so ist das halt mit dem „Gleich­heits­grund­satz“). Fol­ge: Arbeits­kräf­te ohne öster­rei­chi­sche Staats­bür­ger­schaft wären für Betrie­be weit bil­li­ger als sol­che mit öster­rei­chi­scher Staatsbürgerschaft.

Ein Bei­spiel: Wenn etwa „Aus­län­de­rIn­nen“ kei­ne Fami­li­en­bei­hil­fe etc. bekom­men sol­len (wie es die FPÖ wünscht), dann kann für „Aus­län­de­rIn­nen“ auch kein Bei­trag zum Fami­li­en­las­ten­aus­gleichs­fonds (aus dem Fami­li­en­bei­hil­fe, Schul­bü­cher oder das Kin­der­be­treu­ungs­geld bezahlt wer­den) ver­langt wer­den. Sie kämen Betrie­ben also um 4,5 % bil­li­ger als „öster­rei­chi­sche“ Arbeit­neh­me­rIn­nen. Der Vor­schlag der FPÖ hat somit die logi­sche Kon­se­quenz, dass „Aus­län­de­rIn­nen“ leich­ter zu Jobs kämen wie „Inlän­de­rIn­nen“. Kaum vor­stell­bar, dass gera­de die FPÖ das so will, oder? Oder doch?

Viel­leicht ja doch. Denn in der zitier­ten Anfra­ge macht die FPÖ deut­lich, was ihr eigent­li­ches Ziel ist: den Sozi­al­staat abzu­bau­en, um die „uner­träg­li­che Rekord­hö­he“ an Steu­ern und Abga­ben zu sen­ken. Und wie bereits dar­ge­stellt, führt die von der FPÖ vor­ge­schla­ge­ne „Gast­ar­bei­ter­so­zi­al­ver­si­che­rung“ dazu, dass weni­ger Geld für „Nicht­gast­ar­bei­te­rIn­nen“ zur Ver­fü­gung steht und somit Steu­ern und Abga­ben erhöht wer­den müss­ten oder das Sozi­al­sys­tem für alle ver­schlech­tert wer­den muss, um Steu­ern und Abga­ben zu sen­ken. Und das geht nur, wenn Öster­reich die soli­da­ri­sche Finan­zie­rung des Sozi­al­sys­tems auf­gibt: Wenn jeder nur mehr das bekommt, was er oder sie ein­be­zahlt. Genau das könn­te es sein, was die FPÖ will und dazu den Umweg über ras­sis­ti­sche Het­ze gegen „Gast­ar­bei­te­rIn­nen“ wählt, der noch dazu so wun­der­bar ihre Wäh­le­rIn­nen mobi­li­siert. Das öster­rei­chi­sche Sozi­al­sys­tem baut näm­lich im Kern dar­auf auf, dass jeder Mensch nach sei­nen Mög­lich­kei­ten in das Sys­tem ein­be­zahlt und dafür bei Bedarf das Not­wen­di­ge aus dem Sys­tem herausbekommt.

Etwas ver­ein­facht und unge­nau for­mu­liert: Wer heu­te weni­ger als das „Medi­an der bei­trags­pflich­ti­gen Ein­kom­men“ (das waren 2009 1884 Euro brut­to im Monat) ver­dient, hat mög­li­cher­wei­se weni­ger ins Sozi­al­sys­tem ein­be­zahlt, als er/sie her­aus­be­kom­men hat. Wer mehr ver­dient hat, mag mehr ins Sys­tem ein­be­zahlt als her­aus­be­kom­men haben. Logisch: Ver­si­cher­te zah­len Kran­ken­ver­si­che­rung, um ärzt­li­che Leis­tun­gen und Medi­ka­men­te zu erhal­ten, wenn sie krank sind. Sie zah­len Arbeits­lo­sen­ver­si­che­rungs­bei­trä­ge, damit sie Arbeits­lo­sen­geld erhal­ten, wenn sie den Job ver­lie­ren. Wenn sie aber nicht krank oder arbeits­los wer­den, dann zah­len sie für etwas, das sie nicht in Anspruch neh­men. Dafür erhal­ten ande­re Men­schen, die unglück­li­cher­wei­se öfter krank sind oder den Job ver­lie­ren, das, was sie zum Leben brau­chen. Und das will die FPÖ abschaf­fen: Zuerst für „Aus­län­de­rIn­nen“, aber in der Fol­ge zwangs­läu­fig für alle.

Wür­de jeder Mensch wirk­lich nur das her­aus­be­kom­men, was er oder sie ein­be­zahlt hat, dann wür­den Men­schen mit nied­ri­gen Ein­kom­men nicht vom Arzt behan­delt wer­den oder kei­ne Medi­ka­men­te bekom­men, Krank­hei­ten wür­den nicht oder nicht aus­rei­chend behan­delt, unzu­rei­chen­de Pen­sio­nen zu Alters­ar­mut und Arbeits­lo­sig­keit zu Elend führen.

All das ist die Kon­se­quenz der FPÖ-For­de­rung nach einer „Gast­ar­bei­ter-Sozi­al­ver­si­che­rung“, die erst kürz­lich der FPÖ-Ober­bur­schen­schaf­ter der rechts­extre­mis­ti­schen „Olym­pia“ Mar­tin Graf in einem Inter­view mit der „Pres­se“ wie­der­holt hat (sie soll im Juni 2010 auf einem „Pro­gramm­par­tei­tag“ ins Par­tei­pro­gramm auf­ge­nom­men werden).

Die ras­sis­ti­sche Het­ze der FPÖ gegen „Aus­län­de­rIn­nen“, die fal­sche Behaup­tung, dass „Aus­län­de­rIn­nen das öster­rei­chi­sche Sozi­al­sys­tem über Gebühr in Anspruch neh­men und die For­de­rung der FPÖ, eine „Gast­ar­bei­ter­so­zi­al­ver­si­che­rung“ zu schaf­fen, um Steu­ern und Abga­ben zu sen­ken, wür­de allen Men­schen in Öster­reich auf den Kopf fal­len. Wer die­se FPÖ-For­de­rung unter­stützt und nicht zufäl­lig Mil­lio­nä­rIn ist, schießt sich ins eige­ne Knie. Ärzt­lich behan­delt wird das Knie aber dann nicht mehr …