Am 15. Oktober 2009 legte die FPÖ in einer dringlichen Anfrage zum Thema „Armut“ wieder einmal nach:
Großzügige Familientransfers, de facto beitragsfreie bzw. hoch subventionierte Versicherung im öffentlichen Gesundheits- und Pensionssystem, niedrige oder keine Steuern für geringe Einkommen und ein dichtes Netz von Sozialleistungen, (…) stehen Steuern und Abgaben in unerträglicher Rekordhöhe gegenüber. Eine Zuwanderung, die einen hohen Anteil an unproduktiven Familienmitgliedern beinhaltet, ist volkswirtschaftlich von Nachteil und belastet unsere Sozialsysteme.
Und FPÖ-Obmann Strache führte dazu aus: „Es kann doch nicht so sein, (…) dass soziale Sonderleistungen wie soziale Wohnungen, Familienbeihilfe oder das Kindergeld von jedem, der zu uns kommt, quasi ab dem ersten Tag in Anspruch genommen werden können.“
Nun, die Behauptungen der FPÖ sind zuerst einmal falsch: Kein Mensch kann nach Österreich kommen und sofort Sozialleistungen, Kinderbeihilfe oder eine Wohnung bekommen. Er oder sie muss zuerst arbeiten und Sozialversicherungsbeiträge wie auch Steuern zahlen. Und: „AusländerInnen“ zahlen in Österreich weit mehr an Sozialversicherungsbeiträgen, als sie aus dem System erhalten, wie das Sozialministerium errechnete. Sie bekommen gerade einmal 60% ihrer Beiträge als Leistungen ausbezahlt.
Warum das ist und auch gar nicht anders sein kann, ist leicht erklärt: Die für den Sozialstaat „teuersten“ Phasen im Leben eines Menschen sind die Kindheitsjahre sowie das hohe Alter. Zumindest eine dieser Phasen verbringt ein großer Teil der „AusländerInnen“ aber nicht in Österreich.
Kurz: Die Umsetzung des FPÖ-Plans, eine eigene „Gastarbeitversicherung“ zu schaffen, würde alle Menschen in Österreich treffen, weil dann eine ganze Gruppe von NettozahlerInnen nicht mehr ins System einzahlt. Ein echter Schuss ins eigene Knie!
Es gäbe aber auch noch weitere Absurditäten: Im Sozialsystem müssten nach Wunsch der FPÖ „AusländerInnen“ niedrigere Beiträge zahlen, weil sie für dieselben Beiträge ja nicht nur mit einer unzureichenden „Grundversorgung“ abgespeist werden können (so ist das halt mit dem „Gleichheitsgrundsatz“). Folge: Arbeitskräfte ohne österreichische Staatsbürgerschaft wären für Betriebe weit billiger als solche mit österreichischer Staatsbürgerschaft.
Ein Beispiel: Wenn etwa „AusländerInnen“ keine Familienbeihilfe etc. bekommen sollen (wie es die FPÖ wünscht), dann kann für „AusländerInnen“ auch kein Beitrag zum Familienlastenausgleichsfonds (aus dem Familienbeihilfe, Schulbücher oder das Kinderbetreuungsgeld bezahlt werden) verlangt werden. Sie kämen Betrieben also um 4,5 % billiger als „österreichische“ ArbeitnehmerInnen. Der Vorschlag der FPÖ hat somit die logische Konsequenz, dass „AusländerInnen“ leichter zu Jobs kämen wie „InländerInnen“. Kaum vorstellbar, dass gerade die FPÖ das so will, oder? Oder doch?
Vielleicht ja doch. Denn in der zitierten Anfrage macht die FPÖ deutlich, was ihr eigentliches Ziel ist: den Sozialstaat abzubauen, um die „unerträgliche Rekordhöhe“ an Steuern und Abgaben zu senken. Und wie bereits dargestellt, führt die von der FPÖ vorgeschlagene „Gastarbeitersozialversicherung“ dazu, dass weniger Geld für „NichtgastarbeiterInnen“ zur Verfügung steht und somit Steuern und Abgaben erhöht werden müssten oder das Sozialsystem für alle verschlechtert werden muss, um Steuern und Abgaben zu senken. Und das geht nur, wenn Österreich die solidarische Finanzierung des Sozialsystems aufgibt: Wenn jeder nur mehr das bekommt, was er oder sie einbezahlt. Genau das könnte es sein, was die FPÖ will und dazu den Umweg über rassistische Hetze gegen „GastarbeiterInnen“ wählt, der noch dazu so wunderbar ihre WählerInnen mobilisiert. Das österreichische Sozialsystem baut nämlich im Kern darauf auf, dass jeder Mensch nach seinen Möglichkeiten in das System einbezahlt und dafür bei Bedarf das Notwendige aus dem System herausbekommt.
Etwas vereinfacht und ungenau formuliert: Wer heute weniger als das „Median der beitragspflichtigen Einkommen“ (das waren 2009 1884 Euro brutto im Monat) verdient, hat möglicherweise weniger ins Sozialsystem einbezahlt, als er/sie herausbekommen hat. Wer mehr verdient hat, mag mehr ins System einbezahlt als herausbekommen haben. Logisch: Versicherte zahlen Krankenversicherung, um ärztliche Leistungen und Medikamente zu erhalten, wenn sie krank sind. Sie zahlen Arbeitslosenversicherungsbeiträge, damit sie Arbeitslosengeld erhalten, wenn sie den Job verlieren. Wenn sie aber nicht krank oder arbeitslos werden, dann zahlen sie für etwas, das sie nicht in Anspruch nehmen. Dafür erhalten andere Menschen, die unglücklicherweise öfter krank sind oder den Job verlieren, das, was sie zum Leben brauchen. Und das will die FPÖ abschaffen: Zuerst für „AusländerInnen“, aber in der Folge zwangsläufig für alle.
Würde jeder Mensch wirklich nur das herausbekommen, was er oder sie einbezahlt hat, dann würden Menschen mit niedrigen Einkommen nicht vom Arzt behandelt werden oder keine Medikamente bekommen, Krankheiten würden nicht oder nicht ausreichend behandelt, unzureichende Pensionen zu Altersarmut und Arbeitslosigkeit zu Elend führen.
All das ist die Konsequenz der FPÖ-Forderung nach einer „Gastarbeiter-Sozialversicherung“, die erst kürzlich der FPÖ-Oberburschenschafter der rechtsextremistischen „Olympia“ Martin Graf in einem Interview mit der „Presse“ wiederholt hat (sie soll im Juni 2010 auf einem „Programmparteitag“ ins Parteiprogramm aufgenommen werden).
Die rassistische Hetze der FPÖ gegen „AusländerInnen“, die falsche Behauptung, dass „AusländerInnen das österreichische Sozialsystem über Gebühr in Anspruch nehmen und die Forderung der FPÖ, eine „Gastarbeitersozialversicherung“ zu schaffen, um Steuern und Abgaben zu senken, würde allen Menschen in Österreich auf den Kopf fallen. Wer diese FPÖ-Forderung unterstützt und nicht zufällig MillionärIn ist, schießt sich ins eigene Knie. Ärztlich behandelt wird das Knie aber dann nicht mehr …