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Alpen-Donau-Nazis: Von allzu langen Ermittlungen

Gott­fried Küs­sel und eine wei­te­re Per­son wur­den ges­tern Abend auf Anord­nung der Staats­an­walt­schaft im Zusam­men­hang mit Alpen-Donau fest­ge­nom­men, sechs Haus­durch­su­chun­gen wur­den in Wien und der Stei­er­mark durch­ge­führt. Das ist gut so. Wenn aller­dings die Staats­an­walt­schaft in einer Pres­se­mit­tei­lung dar­über jam­mert, dass die Ermitt­lun­gen behin­dert wur­den „durch öffent­lich­keits­wirk­sa­me Dis­kus­si­on von Ver­dachts­la­gen“, dann hat sie offen­sicht­lich noch […]

12. Apr 2011

Ab März 2009 waren die Web­site alpen-donau.info und das gehei­me Forum der Nazis (alinfodo.com) online. Zwei lan­ge Jah­re, in denen es rund 200 Anzei­gen und Sach­ver­halts­dar­stel­lun­gen gegen die Betrei­ber gege­ben hat.

Und was ist pas­siert? Kri­mi­na­li­siert wur­den zunächst ein­mal Geg­ner von alpen-donau. Vier Mona­te nach Eröff­nung der Nazi-Home­page wur­den nach einer Anzei­ge der FPÖ blitz­ar­tig Ermitt­lun­gen durch die Poli­zei gegen den Kri­mi­nal­be­am­ten Uwe Sai­ler und mich auf­ge­nom­men. Eben­so blitz­ar­tig hat sich das Par­la­ment ent­schlos­sen, einen Unter­su­chungs­aus­schuss ein­zu­rich­ten, der die Vor­wür­fe der FPÖ gegen Sai­ler und mich unter­su­chen soll­te. Die straf­recht­li­chen Ermitt­lun­gen gegen Sai­ler und mich wur­den vor kur­zem ein­ge­stellt, der Unter­su­chungs­aus­schuss brach­te eini­ge für die FPÖ unan­ge­neh­me Ergeb­nis­se. Sai­ler wur­de 2009 vom Dienst sus­pen­diert und mit einem Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren bedacht.

Die Neo­na­zis um alpen-donau haben in die­sen lan­gen zwei Jah­ren nicht nur all­ge­mei­ne Het­ze und Wie­der­be­tä­ti­gung betrie­ben, son­dern etli­che Per­so­nen auch kon­kret bedroht: „Wir wer­den her­aus­fin­den wo du wohnst, und dann [wird] es dir leid tun was du getan hast.” Einem jun­gen Fami­li­en­va­ter, der enga­giert einen Blog gegen alpen-donau betrieb, wur­de das Bild sei­ner Toch­ter mit einer Dro­hung geschickt. Einem ande­ren ein Stück Strick. Dut­zen­de Per­so­nen wur­den auf der Home­page von alpen-donau mit Foto und Adres­se vor­ge­führt, bei etli­chen zu einem Haus­be­such ermuntert.

Zwei Jah­re lang erklär­te der Ver­fas­sungs­schutz gebets­müh­len­ar­tig, dass der Ser­ver von alpen-donau in den USA lie­ge und man daher kei­nen Zugang zu den Daten der Betrei­ber habe. Im Som­mer 2010 brach­te ich gemein­sam mit mei­nen grü­nen Kol­le­gIn­nen eine umfang­rei­che par­la­men­ta­ri­sche Anfra­ge zu alpen-donau ein. Wir sind beun­ru­higt, weil wir wis­sen, dass der Vater eines von uns im Dunst­kreis von alpen-donau geor­te­ten Rechts­extre­men beim Bun­des­amt für Ver­fas­sungs­schutz tätig ist. Wir nen­nen den Namen des Soh­nes gemein­sam mit den von ande­ren Ver­däch­ti­gen in der Anfra­ge – ein Fin­ger­zeig an die Behör­den! Gott­fried Küs­sel ran­giert in unse­rer Anfra­ge aller­dings an ers­ter Stel­le. Und was pas­siert? Im Herbst wird der betrof­fe­ne Beam­te klamm­heim­lich von der Obser­va­ti­ons­ab­tei­lung des BVT abge­zo­gen und versetzt.

Kurz dar­auf, Ende Okto­ber 2010, nach ein­ein­halb Jah­ren (!) Nazi-Pro­pa­gan­da, fin­den dann erst­mals Haus­durch­su­chun­gen statt: 18, hieß es damals – und nicht 13, wie die Staats­an­walt­schaft heu­te schreibt. Aber wir wol­len nicht klein­lich sein! Was wir aber nicht so schnell ver­ges­sen: dass bei Gott­fried Küs­sel eine Haus­durch­su­chung einen Tag vor den ande­ren statt­fand und der Öffent­lich­keit nach­her erklärt wur­de, die Küs­sel-Raz­zia habe unab­hän­gig von den ande­ren statt­ge­fun­den und Küs­sel wer­de nicht wegen alpen-donau ver­däch­tigt. Guten Mor­gen, Exe­ku­ti­ve! Wer trägt denn für die­se wun­der­bar koor­di­nier­te Akti­on Verantwortung?

Zur glei­chen Zeit wie die Haus­durch­su­chun­gen bei alpen-donau fin­den in der BRD eben­falls 18 Haus­durch­su­chun­gen gegen die Betrei­ber des Nazi-Inter­net-Radi­os „Wider­stand-Radio“ (WR) statt. Die Betrei­ber wur­den fest­ge­nom­men und am 11.4.2011, also zum Zeit­punkt der neu­er­li­chen alpen-donau-Raz­zia, ver­ur­teilt. Die Über­ein­stim­mun­gen sind eben­so frap­pie­rend wie die Unter­schie­de. Ein Jahr haben die Behör­den in der BRD gegen das Nazi-Radio, das eben­falls über einen US-Ser­ver (mög­li­cher­wei­se über den glei­chen wie alpen-donau) lief, ermit­telt, dann haben sie gehan­delt: Die Täter sind bereits ver­ur­teilt. Dau­er vom Beginn der Ermitt­lun­gen bis zum Urteil: ein­ein­halb Jahre.

In Öster­reich gibt es nach zwei Jah­ren, vie­len Dro­hun­gen und noch mehr Het­ze durch alpen-donau die ers­ten zwei Fest­nah­men. Und was erklärt uns die Staats­an­walt­schaft? „Aus kri­mi­nal­tak­ti­schen Grün­den konn­te es daher gera­de nicht im Inter­es­se der Ermitt­lungs­be­hör­den lie­gen, eine wie von der Öffent­lich­keit immer wie­der gefor­der­te Sper­re der Sei­te zu ver­fü­gen.“ [Her­vor­he­bun­gen SdR] Die Staats­an­walt­schaft Wien sagt uns damit durch die Blu­me, sie hät­te ger­ne alpen-donau noch ein wenig län­ger online gese­hen. Wie vie­le Jah­re braucht es, bis die Ermitt­lungs­be­hör­den in Öster­reich genü­gend Erkennt­nis­se über die Betrei­ber einer Nazi-Sei­te haben? Drei Jah­re, vier Jah­re? Und wie erklärt das die Staats­an­walt­schaft den Bedroh­ten? Ver­hal­tet Euch ruhig – in einem Jahr sind wir so weit!?

Was die Staats­an­walt­schaft (und nicht nur sie!) offen­sicht­lich nicht wahr­ha­ben will: Erst der öffent­li­che Druck, die immer deut­li­cher wer­den­den For­de­run­gen nach Ermitt­lungs­er­geb­nis­sen und – ja! — auch die Arbeit von „Stoppt die Rech­ten“ (und vie­len ande­ren) haben dazu geführt, dass etwas wei­ter­geht – hoffentlich!

Karl Öllin­ger, Abg. z.NR