Ehrenerklärungen

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Von Kellernazis, Burschenschaften, Idioten, Spitzeln, Duellen und einer verkrachten Sonnwendfeier

Der Anlass ist schnell erzählt: Am 21. Juni 2007 fand am Wie­ner Kobenzl eine jener Sonn­wend­fei­ern statt, die vom Wie­ner Kor­po­ra­ti­ons­ring (WKR) und den Öster­rei­chi­schen Lands­mann­schaf­ten (ÖLM) ver­an­stal­tet wer­den und bei denen auch ger­ne Bar­ba­ra Rosen­kranz, ihr Horst Jakob und Neo­na­zis wie Gott­fried Küs­sel anwe­send waren.

Aber dies­mal muss­te alles anders wer­den: HC Stra­che war als Fest­red­ner ange­sagt! Der hat­te gera­de Kum­mer mit sei­nen Fotos von Wehr­sport­übun­gen, „Wiking-Jugend“ und den drei Fin­gern. Begeg­nun­gen mit Neo­na­zis wie Küs­sel vor der lodern­den Flam­me waren des­halb nicht ange­sagt. Der Zutritt wur­de kon­trol­liert: „Kei­ne Glat­zen, kei­ne Springerstiefel!“

Küs­sel hat­te weder das eine noch das ande­re, son­dern Frau und Kin­der dabei, durf­te aber den­noch nicht zum Feu­er und HC Stra­ches Rede: „Weil er der ärgs­te Spit­zel ist, der ärgs­te Schlecht­ma­cher !“ Der Satz mach­te die Run­de inner­halb der rechts­extre­men Sze­ne: Es wur­de hef­tig gestrit­ten, wer der Idi­ot und wer der Ver­rä­ter ist. Als Lösung wur­de ein Duell ange­bo­ten. Auf dem NPD-nahen Info-Por­tal „Alter­me­dia“ phi­lo­so­phier­te Jür­gen Schwab (sie­he „Olym­pia-Dos­sier“) über Kel­ler­na­zis und die FPÖ (Feh­ler im Ori­gi­nal belassen).

Die Ehren­er­klä­rung für Küs­sel, die Schwab in sei­nem Pos­ting anspricht, hat­te der FPÖ-Abge­ord­ne­te und Lan­des­ob­mann OÖ Lutz Wein­zin­ger schon zuvor abge­ge­ben, nach­dem er Gott­fried Küs­sel zuvor einen „Idio­ten“ genannt hat­te. Küs­sel war im August 2006 auf einer von der FPÖ ange­mel­de­ten Kund­ge­bung in Brau­nau am Inn auf­ge­taucht und hat­te dort gemein­sam mit Bur­schen­schaf­tern und diver­sen Rechts­extre­men demonstriert.

Jürgen Schwab

“Wer hat Nut­zen davon, wenn man einen natio­na­len Akti­vis­ten samt sei­ner Fami­lie von einer Brauch­tums­fei­er von Kor­po­rie­re­ten ausschließt?”
Der Nut­zen besteht dar­in, daß es in deutsch­ös­ter­rei­chi­schen Ver­bin­dun­gen, vor allem in Bur­schen­schaf­ten, vie­le per­so­nel­le Quer­ver­bin­dun­gen zur FPÖ gibt. Die FPÖ ist wie jede ande­re Par­tei dem “ehe­ren Gesetz der Oli­ag­ar­chie” (Robert Michels) unter­wor­fen, also in letz­ter Kon­se­quenz dem Geld­erwerb im Par­la­ments­be­trieb (Man­dats­be­zü­ge, Pos­ten und Gehäl­ter, Mit­glieds­bei­trä­ge, Spen­den usw.).
Das heißt, ein Par­tei­füh­rer wie Stra­che ist auf bür­ger­li­che Salon­fä­hig­keit, auf gesell­schaft­li­che Repu­ta­ti­on ange­wie­sen. Da Küs­sel über die­se nicht ver­fügt, glaubt Stra­che sich von ihm bil­lig distan­zie­ren zu müs­sen, glaubt der FPÖ-Funk­tio­när Wein­zin­ger Küs­sel einen “Idio­ten” nen­nen zu müssen.
Die Distan­zie­rung ist wohl in den meis­ten Fäl­len nicht ernst gemeint, denn in Ver­bin­dun­gen gibt es vie­le Kel­ler­na­zis, die also nicht wie Küs­sel den mann­haf­ten Mut auf­brin­gen, sich offen zum NS zu beken­nen, dafür dann ins Gefäng­nis gehen, die aber im Kel­ler des Ver­bin­dungs­hau­ses NS-Ona­nie betrei­ben – sozu­sa­gen als Ersatz­hand­lung. Wenn die Leu­te dann über die FPÖ im Par­la­ment lan­den, betrach­ten sie die Bur­schen­schaft als ihr kul­tu­rel­les Vor­feld (“Drit­tes Lager”), das den FPÖ-Anfor­de­run­gen der bür­ger­li­chen Salon­fä­hig­keit und gesell­schaft­li­chen Repu­ta­ti­on zu ent­spre­chen hat. Die Bur­schen­schaft hat sich also an dem Nut­zen des Geld­erwerbs bestimm­ter Mit­glie­der, die FPÖ-Funk­tio­nä­re sind, unter­zu­ord­nen. Die Ehre läuft dann oft­mals – nicht immer und nicht für jedes Mit­glied! – auf Geld hinaus.
Der Bus­son ist ein Regel­werk, um Streit zu schlich­ten. Jeder deut­sche Mann, egal ob Aka­de­mi­ker, Ver­bin­dungs­mensch oder nicht, kann sich dar­auf beru­fen – also auch Küs­sel! Der Vor­sit­zen­de des WKR wird also um ein mög­li­ches Duell nicht her­um­kom­men mit der Aus­re­de, Küs­sel gehö­re kei­ner Kor­po­ra­ti­on an, er wird – um sei­ne Angst vor Küs­sel zu ver­ber­gen – ver­mut­lich sagen, Küs­sel ver­fü­ge über kei­ne Ehre, wie dies auch schon FPÖ-Wein­zin­ger behaup­te­te, dies dann aber zurück­zie­hen muß­te. Spä­ter behaup­te­te Wein­zin­ger dann doch, Küs­sel sei kein Ehren­mann, weil er über eine Ehren­an­ge­le­gen­heit Geheim­nis­ver­rat began­gen hätte.
Für mich stellt sich die Fra­ge, ob die Ehre Küs­sels davon abhängt, ob er an einer Son­nen­wend­fei­er teil­neh­men darf, auf der Par­tei­po­li­ti­ker Stra­che einen Vor­trag hält. Küs­sel hät­te ahnen kön­nen, daß er dort zurück­ge­wie­sen wird. War­um ist er den­noch hin­ge­gan­gen? Viel­leicht hät­te er sich vor­her infor­mie­ren sol­len. Ist es für ihn wich­tig, an einer sol­chen Ver­an­stal­tung teil­neh­men zu dür­fen? Oder hat er es auf einen Eklat ankom­men lassen?
Der Bus­son ist wie schon gesagt eine Ehren­ord­nung zur Rege­lung von Strei­tig­kei­ten, wenn es um die äuße­re Ehre geht (Belei­di­gun­gen usw.). Damit ist über den (inne­ren) Inhalt der per­sön­li­chen Ehre noch über­haupt nichts gesagt. Wer sei­ne Ehre nur von dem Anse­hen abhän­gig macht, das ihm ande­re, von außen her zubil­li­gen, der ist im Grun­de genom­men ein B ü r g e r .
Es ist immer wie­der erstaun­lich, wie selbst Sys­tem­op­fer wert dar­auf legen, von Sys­tem­leu­ten äuße­re Aner­ken­nung zu erhal­ten. Das ist in der NS-Sze­ne wohl weit ver­brei­tet, ich erin­ne­re noch mal an Gerd Hon­sik, der sich zurecht gegen den Ver­zicht gegen die Ost­ge­bie­te aus­spricht, aber in einem sei­ner Tex­te den Ver­fol­ger­staat BRD als legi­tim dar­stell­te. Dann stellt sich für mich die Fra­ge, ob er, Hon­sik, von der BRD und der RÖ die Wie­der­ge­win­nung der Ost­ge­bie­te und Süd­ti­rols erwartet?
In die­sem Zusam­men­hang möch­te ich noch ein­mal dar­an erin­nern, daß Stra­che vor der letz­ten Natio­nal­rats­wahl Hon­sik in die Nähe eines “Ver­bre­chers” gestellt hat­te. Das ist auch in sich schlüs­sig, da der Ex-Neo­na­zi und ver­mut­lich immer noch Kel­ler­na­zi Stra­che als Bür­ger Ehre mit gesell­schaft­li­cher Repu­ta­ti­on gleich­setzt, wor­über ja Hon­sik nicht ver­fügt. Man soll­te den Bus­son auch aus dem his­to­ri­schen Kon­text zu ver­ste­hen ver­su­chen, der 1907 ver­öf­fent­licht wur­de, also zur Zeit der guten alten Donau­mon­ar­chie, als ein Dr. Bus­son davon aus­ge­hen muß­te, daß die Gesell­schaft ins­ge­samt und die Herr­schen­den ehren­haft sind. Zwi­schen Waf­fen­stu­den­ten­tum und Gesell­schaft bestand also damals nicht unbe­dingt ein Wider­spruch. Nur wer heu­te Küs­sel von einer Son­nen­wend­fei­er aus­schließt, schließt ihn ja des­halb aus, weil er über kei­ne gesell­schaft­li­che Repu­ta­ti­on ver­fügt. Um die Selbst­lü­ge vor sich zu ver­ber­gen bege­hen die­se bür­ger­li­chen Leu­te dann einen Trick, den sie wahr­schein­lich selbst nicht mer­ken, da das Refle­xi­ons­ver­mö­gen dazu nicht aus­reicht: Sie behaup­ten nun – ohne Bele­ge -, Küs­sel sei ein “Agent”, womit dann die gesell­schaft­li­che Repu­ta­ti­on und die Ehre, über die Küs­sel nicht ver­fü­ge, wie­der im Ein­klang wären. Aber natür­lich nur dem Anschein, also der Selbst­lü­ge entsprechend.
Aller­dings muß ich man­chen Kri­ti­kern hier schon inso­fern Recht geben, daß in einem bestimm­ten Spek­trum die poli­ti­sche Rei­fe nicht beson­ders aus­ge­prägt zu sein scheint (davon abge­se­hen, daß manch einer dazu­ler­nen kann). Das ist aber selbst­ver­ständ­lich kein Grund, Küs­sel mit samt Fami­lie von der Teil­nah­me an einer Son­nen­wend­fei­er aus­zu­schlie­ßen. Nie­mand hät­te es Stra­che übel neh­men kön­nen, wenn er nach sei­ner Rede dort in der Pres­se gesagt hät­te, er stim­me nicht in allen Punk­ten mit jedem Teil­neh­mer einer Sonn­nen­wend­fei­er überein.

Ehrenerklärung von Lutz Weinzinger an Gottfried Küssel (4.10.2006)

Ehren­er­klä­rung von Lutz Wein­zin­ger an Gott­fried Küs­sel (4.10.2006; Quel­le: Info­la­den Wels)