Der Verfassungsschutz und die Identitären (II)

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Was sich der Ver­fas­sungs­schutz in sei­nem Bericht 2015 dabei gedacht hat, als er die kur­di­sche Arbei­ter­par­tei PKK im Kapi­tel „Isla­mis­ti­scher Extre­mis­mus / Ter­ro­ris­mus“ ange­führt hat, ent­zieht sich unse­rer Kennt­nis. Die­se Ein­schät­zung ist aber nicht die ein­zi­ge gro­be Ent­glei­sung. Nach­dem der Bericht für 2014 eine ziem­lich tref­fen­de Beschrei­bung der Iden­ti­tä­ren vor­ge­nom­men hat (ohne sie nament­lich zu erwäh­nen), tritt der Bericht für 2015 ziel­si­cher daneben.

Im Bericht für das Jahr 2014 wer­den die Iden­ti­tä­ren so charakterisiert:

„Seit dem Jahr 2012 ver­su­chen jün­ge­re Neo­na­zis und Per­so­nen aus dem stu­den­ti­schen und bur­schen­schaft­li­chen Milieu, ein aus Frank­reich kom­men­des, im Inter­net sehr akti­ves, moder­nes und von pop­kul­tu­rel­len Pro­test­for­men gepräg­tes Ideo­lo­gie­kon­zept der „Neu­en Rech­ten“ in Öster­reich zu eta­blie­ren. Die als „Bewe­gung“ auf­tre­ten­de Sze­ne, stellt die „Iden­ti­tät des eige­nen Vol­kes“ in den Mit­tel­punkt ihrer Pro­pa­gan­da. Unter dem Deck­man­tel das jewei­li­ge Land respek­ti­ve „ganz Euro­pa“ vor einer „Isla­mi­sie­rung“ und vor Mas­sen­zu­wan­de­rung schüt­zen zu müs­sen, wird auf einer pseu­do-intel­lek­tu­el­len Grund­la­ge ver­sucht, das eige­ne rassistisch/nationalistisch gepräg­te Welt­bild zu ver­schlei­ern. Die Distan­zie­rung vom Neo­na­zis­mus in öffent­li­chen State­ments ist als tak­ti­sches Manö­ver zu wer­ten, da sich in den Rei­hen der Bewe­gungs­eli­ten amts­be­kann­te Neo­na­zis befin­den und Kon­tak­te in ande­re rechts­extre­mis­ti­sche Sze­n­e­be­rei­che bestehen“.

Obwohl die­ser Cha­rak­te­ris­tik noch ein wesent­li­ches ideo­lo­gi­sches Moment fehlt und sie außer­dem dem mitt­ler­wei­le übli­chen unver­ständ­li­chen Usus folgt, die beschrie­be­ne Grup­pe nicht zu nen­nen, ist sie in dem, was sie beschreibt, über­ra­schend prä­zis. Der Bericht für 2015 bringt da inso­fern eine neue völ­lig fal­sche Kom­po­nen­te ein, als er die Iden­ti­tä­ren, was ihr Gewalt­po­ten­zi­al betrifft, gera­de­zu verharmlost:

„Aus­schrei­tun­gen und Gewalt­ak­ti­vi­tä­ten sowie straf­recht­lich rele­van­te Tat­be­stän­de bei Ver­an­stal­tun­gen und/oder Kund­ge­bun­gen wer­den mög­lichst ver­mie­den“.

Das ist ein star­kes Stück! Die gewalt­tä­ti­gen Atta­cken der Iden­ti­tä­ren Anfang 2016 in Graz (16.1. 16 Über­fall auf das „Sub“, 17.1. auf lin­ke Gegen­de­mons­tran­tIn­nen) kamen wohl zu spät für den Bericht, aber was ist mit den Gewalt­at­ta­cken nach einer Kund­ge­bung der Iden­ti­tä­ren am 6. Juni 2015 in Wien, wo sie am Pra­ter­stern her­um­prü­gel­ten?


Iden­ti­tä­rer Angriff, Pra­ter­stern; Quel­le: vice.com
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Was ist mit den unver­hoh­le­nen Gewalt­dro­hun­gen gegen­über der Anti­fa­schis­tin und Buch­au­to­rin Nata­scha Strobl, von denen zumin­dest drei akten­kun­dig sein sollten?


Mitt­ler­wei­le gelöscht Face­book-Sei­te gegen Nata­scha Strobl
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Die Prä­sen­ta­tio­nen ihrer Buch­ver­öf­fent­li­chun­gen zu den Iden­ti­tä­ren wer­den regel­mä­ßig gestört seit 2014, gegen sie gab es Mord- und Ver­ge­wal­ti­gungs­dro­hun­gen und sogar einen Sti­cker, mit dem gegen sie gehetzt wurde.


„Lin­ke Wei­ber aus­kno­cken”. Dro­hung mit Foto von Nata­scha Strobl
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Was in der Cha­rak­te­ris­tik der Iden­ti­tä­ren im Ver­fas­sungs­schutz­be­richt 2014 schon fehl­te, ist ihre Ideo­lo­gie, in der sie sich als die letz­te Chan­ce sehen, um den Unter­gang des Abend­lan­des auf­zu­hal­ten und in der sie die poli­ti­schen Ver­tre­te­rIn­nen einer mensch­li­chen Asyl­po­li­tik als Mör­der denun­zie­ren („An den Hän­den Grü­nen klebt das Blut von Brüs­sel!“). Die ideo­lo­gi­sche Posi­tio­nie­rung der Iden­ti­tä­ren unter­schei­det sich kaum von der, die Brei­vik in sei­nem Mani­fest ver­öf­fent­lich­te – das Gewalt­po­ten­zi­al ist ganz offen­sicht­lich. Andre­as Peham vom DÖW:

„Die Iden­ti­tä­ren ent­lar­ven sich immer mehr als Gene­ra­ti­on Brei­vik. Ist schon ihr Pathos der letz­ten Chan­ce, die Selbst­dar­stel­lung als letz­te Gene­ra­ti­on, die den Unter­gang auf­hal­ten kön­ne, geeig­net, um Leu­te wie Brei­vik zum Los­schla­gen zu moti­vie­ren, so fin­det sich ihre Behaup­tung, die wah­ren Schul­di­gen hin­ter isla­mis­ti­schen Ter­rors sei­en die Regie­ren­den und ihr Mul­ti­kul­tu­ra­lis­mus fast wort­ident in Brei­viks Mani­fest“.

War­um schweigt sich der Ver­fas­sungs­schutz in sei­nem Bericht über die­ses Gewalt­po­ten­zi­al der Iden­ti­tä­ren aus, ver­nied­licht es sogar? Und was fehlt noch im Bericht für 2015? Fort­set­zung folgt!