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Deutsche Burschenschaft (II): Keine Bremse für Braunhemden?

In der Deut­schen Bur­schen­schaft, dem Dach­ver­band, regt sich zag­haf­ter Wider­stand gegen das Trei­ben der Rechts­extre­men. Die Rechts­extre­men, das sind die Bün­de aus Öster­reich bzw. die in der „Bur­schen­schaft­li­chen Gemein­schaft“ ver­tre­te­nen Bün­de. Die Faust­re­gel, dass die Öster­rei­cher ver­läss­lich am rech­ten Rand ste­hen, gilt aber nicht nur für die Deut­sche Bur­schen­schaft. Neben den Deut­schen Bur­schen­schaf­ten gibt es […]

10. Feb 2012

Neben den Deut­schen Bur­schen­schaf­ten gibt es noch eine Rei­he ande­rer stu­den­ti­scher Kor­po­ra­ti­ons­ver­bän­de und Kor­po­ra­tio­nen, die dem völ­ki­schen, vor allem in Öster­reich „deutsch­na­tio­na­len“ Lager zuzu­rech­nen sind: die Lands­mann­schaf­ten, Sän­ger­schaf­ten, Tur­ner­schaf­ten, Gil­denschaf­ten, Flie­ger­schaf­ten, die Corps usw. (die kon­fes­sio­nell ori­en­tier­ten Stu­den­ten­ver­bin­dun­gen wie z.B. CV und ÖKV spie­len in einer ande­ren Liga, sind nicht die­sem Lager zuzu­rech­nen). In fast all die­sen Ver­bän­den sind die Öster­rei­cher die Rechts­au­ßen, in der Deut­schen Bur­schen­schaft sowie­so. In Öster­reich sind die Bur­schen­schaf­ter der DB par­tei­po­li­tisch fast aus­schließ­lich ent­we­der im frei­heit­li­chen Lager (FPÖ, BZÖ) oder bei neo­na­zis­ti­schen Grup­pie­run­gen (NDP , VAPO usw.) aktiv – ein deut­li­cher Unter­schied zu Deutsch­land. Dort wur­de sogar vom Land­ge­richt Ber­lin ein Beschluss der SPD, wonach eine Mit­glied­schaft bei der Bur­schen­schaft­li­chen Gemein­schaft (BG) mit der in der SPD unver­ein­bar ist, als Ver­stoß gegen das Par­tei­en­gesetz aufgehoben.

Die BG, die 1961 gegrün­det wur­de, um den Anschluss der Deut­schen Bur­schen­schaft in Öster­reich (DBÖ) an die DB durch­zu­set­zen, bil­det mit ihren rund 40 Bün­den inner­halb der DB eine deut­li­che Sperr­mi­no­ri­tät und hat auch wich­ti­ge Funk­tio­nen über­nom­men, wäh­rend immer mehr gemä­ßig­te Bur­schen­schaf­ten den Dach­ver­band ver­las­sen. In den 90er-Jah­ren ver­lie­ßen sie­ben Bün­de im Streit wegen der deutsch-völ­ki­schen Posi­tio­nen vor allem der öster­rei­chi­schen Bün­de (die Olym­pia war hier Wort­füh­re­rin) die DB und grün­de­ten die Neue Deut­sche Bur­schen­schaft (NDB).

Der jüngs­te Streit um den Arier­pa­ra­gra­fen hat wei­te­re sie­ben Bur­schen­schaf­ten zum Aus­tritt aus der DB ver­an­lasst, was die Posi­ti­on der BG wei­ter stärkt. Seit 2010 wird an einem Stra­te­gie­pro­gramm der DB gear­bei­tet, unter Feder­füh­rung der rech­ten Recken der BG. Von den 8 Arbeits­krei­sen wer­den vier von Öster­rei­chern gelei­tet ( von der Albia, Olym­pia, Ger­ma­nia Graz und Danu­bia Mün­chen). Die Arbeit an dem Pro­gramm wur­de am Ver­bands­tag 2011 vor­ge­stellt, „linksunten.indymedia.org“ berich­te­te dar­über so:

Die Ana­ly­se­fä­hig­keit der Bur­schen­schaf­ter ver­sagt aus­ge­rech­net bei der eige­nen Geschich­te kläg­lich. Im Stra­te­gie­pro­gramm wer­den die „Eisen­acher Beschlüs­se“ von 1920, die „den Ras­se­stand­punkt als Grund­satz der Deut­schen Bur­schen­schaft fest­leg­ten“, mit­nich­ten als frü­hes Bekennt­nis zum eli­mi­na­to­ri­schen Anti­se­mi­tis­mus und als Vor­bo­ten der spä­te­ren Betei­li­gung wei­ter Tei­le der „Deut­schen Bur­schen­schaft“ am Holo­caust gese­hen. Die maß­geb­lich auf Mit­glie­der der „Deut­schen Bur­schen­schaft“ zurück­ge­hen­de Grün­dung des „Natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Deut­schen Stu­den­ten­bun­des“ (NSDStB) am 26. Janu­ar 1926 mit dem Ziel, die Stu­den­ten natio­nal­so­zia­lis­tisch zu indok­tri­nie­ren, wird im Stra­te­gie­pro­gramm zu einer „anfäng­li­chen Zusam­men­ar­beit“ der DB mit dem NSDStB umge­lo­gen. Tat­säch­lich ver­üb­ten Bur­schen­schaf­ter sys­te­ma­ti­schen Ter­ror gegen Min­der­hei­ten und poli­ti­sche Geg­ner und orga­ni­sier­ten 1933 die Bücher­ver­bren­nung in vie­len deut­schen Universitätsstädten.

Die Geschich­te der „Deut­schen Bur­schen­schaft“ wäh­rend des Natio­nal­so­zia­lis­mus wird im Stra­te­gie­pro­gramm fast voll­stän­dig ver­schwie­gen und mit der fei­er­li­chen Auf­lö­sung der „Deut­schen Bur­schen­schaft“ am 18. Okto­ber 1935 unter Haken­kreuz­ban­nern auf der Wart­burg enden für die DB offen­bar auch die Nazi­kar­rie­ren ihrer Mit­glie­der. Und wenn doch ein­mal eine Anek­do­te aus der „neu­en, bes­se­ren Zeit“ kol­por­tiert wird, dann stel­len sich die Bur­schen­schaf­ter – die selbst­ver­ständ­lich NSDAP-Mit­glie­der sein woll­ten – als Opfer dar, deren kor­po­rier­tes Ende aus­ge­rech­net durch einen Unver­ein­bar­keits­be­schluss der NSDAP ein­ge­läu­tet wur­de: „Den Todes­stoß erhielt das Ver­bin­dungs­we­sen schließ­lich durch eine Anord­nung des ‚Stell­ver­tre­ters des Füh­rers‘, Rudolf Heß, mit der eine Mit­glied­schaft in der NSDAP für alle stu­die­ren­den Ange­hö­ri­gen als unver­ein­bar mit einer Mit­glied­schaft in einer Kor­po­ra­ti­on fest­ge­legt wurde.“

Ansons­ten bil­det das Stra­te­gie­pro­gramm ein Sam­mel­su­ri­um reak­tio­nä­rer bis extrem rech­ter Ver­satz­stü­cke einer unaus­ge­go­re­nen Ideo­lo­gie. Da schwa­feln Ewig­gest­ri­ge von der „klei­nen Wie­der­ver­ei­ni­gung von Mit­tel- und West-Deutsch­land“ und den „Volks­deut­schen von Schles­wig bis Süd­ti­rol, von Sie­ben­bür­gen bis zum Elsaß, vom donau­schwä­bi­schen Gebiet bis Schle­si­en“ und erdreis­ten sich zu behaup­ten, dass „die Deut­schen“ doch wohl „im Lau­fe ihrer Geschich­te nicht nur in Euro­pa vie­les auch für ande­re geleis­tet und gege­ben“ hät­ten, so dass sie „mit Berech­ti­gung ein ent­spre­chen­des Selbst­wert­ge­fühl und Natio­nal­be­wußt­sein“ haben könnten.

Die mode­ra­te­ren Bün­de der DB befürch­ten für den nächs­ten Ver­bands­tag den Durch­marsch der BG. Ihr Dilem­ma: Je mehr Bün­de die DB ver­las­sen, des­to wahr­schein­li­cher ist ein Erfolg der extre­men Rech­ten. Des­halb ver­su­chen sie zu kal­mie­ren und die Kon­flik­te unter der Tuchent zu hal­ten. Jüngs­tes Bei­spiel: die vor weni­gen Tagen gegrün­de­te „Initia­ti­ve BAB Bur­schen­schaf­ter! Bremst Braun­hem­den!“, die über Twit­ter kurz­fris­tig aktiv war: „Wir Bur­schen­schaf­ter haben zu lan­ge den Rech­ten in den eige­nen Rei­hen taten­los und schweig­sam zuge­se­hen. Die Bur­schen­schaf­ter-Initia­ti­ve BAB for­dert den Vor­stand der Deut­schen Bur­schen­schaft auf, end­lich offen­siv und trans­pa­rent mit den Rech­ten in den eige­nen Rei­hen umzu­ge­hen“, for­der­te einer der Initia­to­ren, der akti­ve Bur­schen­schaf­ter mit dem Nick­na­me „Fer­di Lassalle2“. Nach zwei Tagen und offen­sicht­lich mas­si­vem Druck ist die Initia­ti­ve schon wie­der vor­bei: „Wir wur­den als Volks­ver­rä­ter und Nest­be­schmut­zer und ehr­lo­se Feig­lin­ge titu­liert. Doch die BAB-The­men wer­den auf ver­schie­de­nen Bur­schen­con­ven­ten in den Ver­bin­dun­gen bespro­chen. So haben wir zumin­dest ein biss­chen etwas erreicht“, heißt es in einem Mail.

Die Initia­ti­ve wur­de natür­lich von kei­ner Deut­schen Bur­schen­schaft aus Öster­reich unter­stützt, denn – man kann es nicht deut­lich genug fest­stel­len – die Bur­schen­schaf­ten hier sind alle in der Bur­schen­schaft­li­chen Gemein­schaft und damit am rech­ten Rand der DB positioniert.

➡️ Deut­sche Bur­schen­schaft (I): “Unap­pe­tit­lich“ & rechtsextrem