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Ehrenbürger Hitler

Amstet­ten hat es noch immer nicht geschafft, Adolf Hit­ler die Ehren­bür­ger­schaft abzu­er­ken­nen. Schon im Jahr 2008, als der Amstett­ner Josef F. Schlag­zei­len mach­te, war die Ehren­bür­ger­schaft Hit­lers kurz­fris­tig ein The­ma. Jetzt hat der Gemein­de­rat der Grü­nen in Amstet­ten (NÖ), Rapha­el Lue­ger, neu­er­lich die for­mel­le Aberken­nung der Ehren­bür­ger­schaft für Hit­ler ein­ge­for­dert und noch einen wei­te­ren Ehrenbürger […]

23. Mai 2011

Scher­pon war von 1955 bis 1965 Vize­bür­ger­meis­ter für die SPÖ. In der Nazi-Zeit aber war er SS-Haupt­mann und Land­rat des Krei­ses Amstet­ten. 1944 schrieb er an den Reichs­statt­hal­ter: “[D]ie Juden soll­ten in einem KZ ihrer Bestim­mung zuge­führt wer­den, aber so, dass es die Bevöl­ke­rung nicht sieht.“ (Öster­reich, 22.5.2011) Amstet­ten war damals auch Stand­ort eines Neben­la­gers des KZ Mauthausen.

Doch nicht nur Amstet­ten hat Pro­ble­me mit sei­nen Ehren­bür­gern aus der Nazi-Zeit. An die 4.000 Gemein­den im „Groß­deutsch­land“ der Nazis haben Hit­ler die Ehren­bür­ger­schaft ver­lie­hen, ande­re haben „Hit­ler-Eichen“ gepflanzt oder Plät­ze und Stra­ßen nach ihm benannt. Wie vie­le Ehren­bür­ger­schaf­ten für Hit­ler noch immer in Öster­reichs Gemein­de­chro­ni­ken schlum­mern, ist unbe­kannt. Noch weni­ger auf­ge­ar­bei­tet sind jene Fäl­le, wo ande­ren Nazi-Grö­ßen oder Lokal­na­zis eine Ehren­bür­ger­schaft ver­lie­hen oder ein Stra­ßen­na­me zuer­kannt wur­de. Wäh­rend die Kom­mu­nen in Deutsch­land ziem­lich kon­se­quent Beschlüs­se zur Aberken­nung der Ehren­bür­ger­schaft gefasst haben, tun sich Öster­reichs Gemein­den damit um eini­ges schwerer.

Die Ehren­bür­ger­schaft ist die höchs­te Aus­zeich­nung, die eine Gemein­de ver­ge­ben kann. Bei Jubi­lä­en und in Chro­ni­ken wer­den die Ehren­bür­ge­rIn­nen erwähnt oder auch ver­schwie­gen, wenn die Erin­ne­rung unan­ge­nehm ist. Der Ver­fas­sungs­dienst des Bun­des­kanz­ler­amts hat nach Medi­en­be­rich­ten schon vor Jah­ren ein Gut­ach­ten erstellt, wonach eine Ehren­bür­ger­schaft über den Tod hin­aus wirk­sam sein und des­halb auch aberkannt wer­den kann. Der nie­der­ös­ter­rei­chi­sche Ver­fas­sungs­dienst ist im Jahr 2008 angeb­lich zu einem gegen­tei­li­gen Urteil gekom­men: Die Ehren­bür­ger­schaft erlö­sche mit dem Tod des Ehren­bür­gers, ein Aberken­nungs­be­schluss sei daher nicht not­wen­dig. Ober­ös­ter­reich hat wie­der­um ein Gut­ach­ten, wonach ein Aberken­nungs­be­schluss durch die Gemein­den für „zuläs­sig“ erklärt wur­de. Der Streit erin­nert an die Aus­ein­an­der­set­zung um die Deser­teu­re der Deut­schen Wehr­macht, wo eben­falls lan­ge behaup­tet wur­de, eine for­mel­le Reha­bi­li­tie­rung erüb­ri­ge sich, weil die Urtei­le der NS-Jus­tiz sowie­so für nich­tig erklärt wor­den seien.

Eini­ge Gemein­den haben in den ver­gan­ge­nen Jah­ren unab­hän­gig von Rechts­gut­ach­ten den­noch Beschlüs­se gefasst und Hit­ler die Ehren­bür­ger­schaft ent­zo­gen: Rohrmoos/Untertal (Stmk) 2005, Haslach/Mühl (OÖ) im Jahr 2004, Puchen­stu­ben (Bez. Scheibbs/NÖ) 2003 und Leib­nitz (Stmk) im Jahr 1995. Waidhofen/Ybbs (NÖ), Kuf­stein (T) und Schal­chen (OÖ) sind jene Gemein­den, von denen eine Ehren­bür­ger­schaft für Hit­ler bekannt wur­de, die aber den­noch kei­ne Beschlüs­se zur Aberken­nung gefasst haben.

Kramsach (T) wähl­te eine typisch öster­rei­chi­sche Vari­an­te: Der Gemein­de­rat hat sich von der Ehren­bür­ger­schaft distan­ziert, sie aber for­mell nicht auf­ge­ho­ben. Nach Anga­ben von His­to­ri­kern gab es im Jahr 2005 noch ein gutes Dut­zend ande­re Tiro­ler Gemein­den mit einer Ehren­bür­ger­schaft für Hit­ler. Dem­nach könn­te es in ganz Öster­reich noch etli­che Dut­zend Gemein­den mit einer schlum­mern­den Ehren­bür­ger­schaft für Hit­ler geben.

Dazu kom­men noch in ganz Öster­reich jene Ehren­bür­ger­schaf­ten, die ande­ren Nazis ver­lie­hen wur­den, etwa in Mau­tern­dorf (Sbg) Her­mann Göring. Der Bür­ger­meis­ter von Mau­tern­dorf war noch im Jahr 2007 der Ansicht, eine Aberken­nung sei nicht not­wen­dig, weil die Ehren­bür­ger­schaft ohne­hin mit dem Tod erlo­schen sei. Görings Fami­lie war zeit­wei­se Eigen­tü­me­rin von Burg Mau­tern­dorf, der Ober­na­zi Her­mann Göring galt als För­de­rer der Gemein­de – rei­ner Zufall und ohne Belang für die Hal­tung der Gemein­de? Blo­ßer Zufall ist sicher auch, dass die neo­na­zis­ti­sche AfP ihre Poli­ti­sche Aka­de­mien 1996 und 2001 auf Burg Mau­tern­dorf abhielt.

Die Stadt Salz­burg wie­der­um hat die Ehren­bür­ger­schaft für Josef Tho­rak, den Bild­hau­er des „Füh­rers“ und Edu­ard Tratz, SS-Haupt­sturm­füh­rer und Grün­der des „Hau­ses der Natur“ bis heu­te nicht auf­ge­ho­ben. Georg Rit­ter von Schö­ne­rer, das anti­se­mi­ti­sche Vor­bild Hit­lers, soll noch immer Ehren­bür­ger von Zwettl (NÖ) sein. Sei­ne „All­deut­sche Bewe­gung“ for­der­te um 1900 Prä­mi­en für „jeden nie­der­ge­mach­ten Juden“ – das Stadt­mu­se­um Zwettl ver­sucht, die „Viel­schich­tig­keit“ des Ehren­bür­gers dar­zu­stel­len. Und dann blei­ben noch die unge­zähl­ten sons­ti­gen Ehrun­gen über Stra­ßen- oder Plät­ze­na­men für Nazis oder bekann­te Anti­se­mi­ten, bei denen zumin­dest eine his­to­ri­sche Klar­stel­lung über Zusatz­ta­feln ange­bracht wäre.

Ger­hard Zeil­lin­ger, ein His­to­ri­ker, schrieb 2009 einen lesens­wer­ten Kom­men­tar zu Josef F. und Amstet­ten: „Es ist in Amstet­ten pas­siert. Aber es hät­te genau­so gut in Bruck an der Mur, in Gries­kir­chen, in Lan­deck pas­sie­ren kön­nen. Auch das Ver­harm­lo­sen und Weg­se­hen.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.

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