Warum nennt sich jemand „Geyserich“? Der Strafprozess am 24. April in Wien gegen den selbsternannten Vandalenfürsten konnte diese Frage nicht beantworten. Stattdessen drehte sich alles um handfestere Vorwürfe: Dem Angeklagten wurde schwerer, gewerbsmäßiger Betrug zur Last gelegt. Doch warum berichten nicht nur der „Standard“, sondern auch wir über diesen Prozess?Nicht nur, weil Gottfried Küssel vorkommt, sondern auch wegen Geyserich selbst.
Bei dem Strafprozess gegen Geyserich, der im wirklichen Leben kein Vandalenfürst ist, sondern als Bernhard L. seit einigen Jahren Notstandshilfe bezieht, ging es nach Darstellung seines Verfahrenshelfers um eine „rechtliche Fehleinschätzung“, der sein Mandant erlegen sei. Er bezog „über Jahre ungerechtfertigterweise 1400 Euro Notstandshilfe im Monat, obwohl er Zuverdienste über der Geringfügigkeitsgrenze hatte“ (derstandard.at, 24.4.25).
Die Arbeitslosenversicherung wurde um mindestens 60.000 Euro geschädigt, warf ihm die Anklage vor. Dabei würde es dem falschen Vandalenfürsten materiell gar nicht so schlecht gehen. Er habe zwei Eigentumswohnungen in Wien und ein Einfamilienhaus im Burgenland, gibt er vor Gericht laut „Standard“ an, allerdings auch Schulden in der Höhe von 270.000 Euro. Ein 20-prozentiger Anteil an einer florierenden Software-Firma blieb unerwähnt.
Küssel als Rechtsberater
Aber welche Rolle spielt Gottfried Küssel in der Geschichte?
Dann offenbart die Staatsanwältin Überraschendes: „Bei Ihrer Einvernahme bei der Polizei haben Sie gesagt, Sie hätten sich rechtlich beraten lassen: ‚Nachdem ich mit meinem Anwalt Gottfried Küssel Kontakt aufgenommen habe’ ”, wurde protokolliert. „Nein, der ist kein Anwalt”, korrigiert der Ingenieur. „Ich kenne ihn nur von einem Vortrag über Stromlieferverträge. Aber dort hat er juristisch und klug dahergeredet, also habe ich mir gedacht, ich frag ihn.” Vorsitzender Müller hakt hier ein: „Laut Polizei haben Sie die Telefonnummer von Herrn Küssel unter seinem Namen in ihrem Telefon abgespeichert. Nach nur einem Vortrag?”, mag er das nicht recht glauben. „Wissen Sie, wer der Herr Küssel ist?”, fragt der Ersatzschöffe. „Ja, er soll rechtsextrem sein”, erklärt der Angeklagte. „Also Ihre Berater sind die Dame vom Zustelldienst und Gottfried Küssel?”, fasst die Staatsanwältin zusammen. (derstandard.at)
Der Angeklagte, der den Nazi-Fürst Küssel nur flüchtig gekannt haben will, ist mit der rechtsextremen Szene schon seit Jahren bestens vernetzt. Zu seinen Freunden auf dem Portal VKontakte zählen das Who is Who der heimischen Neonazi-Szene, Identitäre, der frühere Chef von Reconquista Germanica und ein Neonazi-Druide, der sich „Burgos von Buchonia“ nennt.
Jetzt könnte der arbeitslose Vandalenfürst natürlich behaupten, diese Freundschaften seien alle rein zufällig entstanden – ähnlich wie die fatale Bekanntschaft mit dem Gottfried, die schließlich mit einer rechtlichen Fehleinschätzung vor Gericht endete. In diesem Fall ist einzuwenden, dass Bernhard L., der als Geyserich auf VKontakte herumgeistert, auch schon auf mehreren rechtsextremen Demos gesichtet wurde. Nicht zufällig und beiläufig, sondern sogar als Ordner. Auch als Querfrontler, der mit angeblich linken Antiimperialisten gegen angebliche ukrainische Neonazis demonstrierte – nach dem Motto: Wer Neonazi ist, bestimmen noch immer wir selbst.

Der Strafprozess vor dem Wiener Landesgericht endete mit einem rechtskräftigen Schuldspruch. Der Vorwurf des gewerbsmäßigen Betrugs wurde gestrichen, übrig blieb schwerer Betrug. „Die Strafe: 14 Monate bedingte Haft, dazu 240 Tagsätze à vier Euro, also 960 Euro, unbedingte Geldstrafe. Die 60.000 Euro werden für verfallen erklärt, der Angeklagte muss sie also dem Gericht oder dem AMS zahlen.“ (derstandard.at)