Schwangerschaftsabbruch: Für die FPÖ eine Perversion?
Zuletzt war es die FPÖ-Abgeordnete Rosa Ecker, die in einer Presseaussendung (19.7.23) die Haltung der Grünen zu Schwangerschaftsabbrüchen als „eine rein ‚ideologische Perversion‘“ bezeichnet hatte,
um unser traditionelles Frauen- und Familienbild sukzessive aus unseren Köpfen zu entfernen. (…) Es braucht ein Umdenken, damit der erste Gedanke einer schwangeren Frau nicht der Schwangerschaftsabbruch sein darf. Denn es handelt sich um ein Leben, für das es eine Verantwortung zu tragen gilt.
Was hat die FPÖ-Abgeordnete Ecker zu ihrem ideologischen Ausraster veranlasst, in dem sie Frauen als ersten Gedanken bei einer Schwangerschaft den Abbruch unterstellte? Die Grünen hatten eine Steuersenkung bei Verhütungsmitteln wie Spirale und Pille gefordert, die im Unterschied zu potenzfördernden Mitteln mit dem vollen Steuersatz belegt sind. Auch bei Schwangerschaftsabbrüchen solle der ermäßigte Steuersatz angewendet werden. Das ist also für die FPÖ-Abgeordnete eine „ideologische Perversion“.
Keine Einzelmeinung von FPÖ-Abgeordneten
Kickl war 2009 noch nicht FPÖ-Chef, aber FPÖ-Abgeordneter, als er im Nationalrat (30.11.09) gegen die Einstufung des Schwangerschaftsabbruchs als Gewissensentscheidung wütete: „Das ist eine Pervertierung des Begriffs des Gewissens, denn Gewissen ist nicht ein Freifahrtschein für die persönliche Willkür, sondern hat mit Wissen zu tun und hat Allgemeingeltungsanspruch.“
Schon zwei Jahre zuvor brachte Kickl gemeinsam mit den Abgeordneten Norbert Hofer und Barbara Rosenkranz eine parlamentarische Anfrage ein, in der nicht nur die „Rechtswidrigkeit des Schwangerschaftsabbruchs“ behauptet wird, sondern Abtreibungen in öffentlichen Spitälern auch als „rechtswidrige Handlungen“ bezeichnet wurden.
Die FPÖ steht auch heute noch zu dieser Haltung: Als in Vorarlberg 2023 der einzige Gynäkologe, der Schwangerschaftsabbrüche in seiner Praxis durchführte, in Pension ging, einigten sich die Parteien im Landtag darauf, dass Abtreibungen im Landeskrankenhaus ermöglicht werden sollten. Eine Partei stimmte dagegen: die FPÖ.
Der blaue Kampf um die Gebärmutter
2008 wurde der damalige FPÖ-Abgeordnete Karlheinz Klement zum dritten und vorläufig letzten Mal aus der FPÖ ausgeschlossen. Er war zuvor durch homophobe, misogyne und rechtsextreme Sprüche sogar in der FPÖ negativ aufgefallen und deshalb für die nächste Wahl auf der Liste zurückgereiht worden, was seinen öffentlichen Protest und einen formalen Ausschlussgrund darstellte. Was hatte Klement zuvor gesagt?
Im Parlament hatte er Homosexualität als „Kultur des Todes“ verdammt und wegen der Fristenlösung die Gebärmutter als „gefährlichsten Ort in Österreich“ bezeichnet. Um seinen Vergleich zu unterstreichen, fügte er eine weitere Entgleisung hinzu: „Wir müssen mehr Tote durch Abtreibung beklagen als durch die gesamten Kriegshandlungen des Zweiten Weltkriegs.“ Elfriede Hammerl gab in ihrer Kolumne im „profil“ (Nr. 13/08) die passende Antwort:
Die Gebärmutter ein Ort? Die Gebärmutter ist kein Ort. Die Gebärmutter ist ein Körperteil. Herr K. maßt sich an, Körperteile von Frauen zu öffentlichen Orten zu erklären, wo er und seinesgleichen ihr Revier markieren können. (…) Der weibliche Körper als Territorium. (…) Erobern, vereinnahmen, unterwerfen, kolonialisieren. (…) Es geht ihnen nicht um ungeborenes Leben und nicht um geborene Kinder, es geht ihnen um Machtausübung und Kontrolle.
Klement wurde aus der FPÖ ausgeschlossen, sein widerlicher Spruch aber blieb in der FPÖ. Er wurde in leicht variierter Form sogar zu einer programmatischen Aussage der Blauen „geadelt“. Im „Handbuch freiheitlicher Politik“ aus dem Jahr 2013, der Bibel für freiheitliche Funktionäre, fand er sich in folgender Form wieder: „Die Gebärmutter wäre damit der Ort mit der höchsten Sterbewahrscheinlichkeit in unserem Land.“ Das ist nicht einmal eine Abschwächung – ganz im Gegenteil!
In Österreich gibt es keine offiziellen Statistiken über die Anzahl der durchgeführten Abtreibungen. Schätzungen von Abtreibungsärzten gehen von bis zu 40.000 pro Jahr aus. Die tatsächliche Anzahl dürfte jedoch jenseits der 50.000 zu liegen kommen. Das würde bedeuten, dass im Jahr 2009 bei 76.344 Geburten und 50.000 Abtreibungen rund 125.000 Kinder gezeugt und 4 von 10 Kindern noch im Mutterleib getötet wurden. Die Gebärmutter wäre damit der Ort mit der höchsten Sterbewahrscheinlichkeit in unserem Land. (Handbuch freiheitlicher Politik, 2013, S. 160)
Wenn die blaue Parteijugend die ideologische, völkische Positionierung der Partei zum Schwangerschaftsabbruch offen rassistisch ausmalt, dann fährt die Partei dazwischen. „Bevölkerungsaustausch durch Hedonismus: Was Emily abtreibt, gebärt Aischa!“, verbreitete die Freiheitliche Jugend Wien 2022 auf Instagram, bis die Partei die Verbreitung stoppte. Aber im Kern ist es das, was Kickl 2009 und Ecker 2023 in anderen Worten formulierten. Auch wenn Kickl 2024 treuherzig versichert: „Weiß gar nicht, wovon Sie sprechen.“