Der prorussische Oligarch
Ob rechtsextreme prorussische Politiker wie der AfD-EU-Parlamentarier Petr Bystron, die von der ominösen Website „Voice of Europe“ promotet wurden, auch Geld erhalten haben, ist noch unklar. Auf dem Telegram-Kanal von „Voice of Europe“ ist ersichtlich, dass sich auch der FPÖ-EU-Abgeordnete Roman Haider interviewen ließ – auch Haider gibt an, kein Geld erhalten zu haben.
Auf „X“ erklärt „Voice of Europe“, alle Vorwürfe seien erstunken und erlogen, von den „Globalisten“ und – eine Prise Antisemitismus muss dabei sein! – von Soros natürlich. Dann fügt „Voice of Europe“ noch eine Warnung hinzu: Morgen schon könnten auch „Deutschland-Kurier, Valeurs Actuelles, Junge Freiheit, Epoch Times, Tucker Carlson, Breitbart“ und vielleicht sogar Elon Musk and Twitter/X das Angriffsziel der „Globalisten“ werden.
In der Aufzählung der von angeblicher Vernichtung bedrohten Hetz- und Verschwörungsmedien fehlt „Freilich“, das rechtsextreme Nachfolgemedium der „Aula“. Das ist insofern etwas gemein, als sich „Freilich“ sehr angestrengt hat, dem Oligarchen Viktor Medwedtschuk eine Bühne zu bieten und sein ziemlich ramponiertes Ansehen aufzupolieren.
Im Mai 2023 durfte der Oligarch Viktor Medwedtschuk in einem Gastkommentar auf „Freilich“ (17.5.23) den Westen (!) auffordern, „schnellstens“ für eine Waffenruhe in der Ukraine zu sorgen und so auch die „indirekten Todesfälle weltweit durch das zusätzliche CO2 in der Atmosphäre“ zu stoppen.
Der abgetauchte Oligarch
Geht’s noch verlogener? Ja, sicher! „Freilich“ schrieb nämlich in seiner Kurzvorstellung von Medwedtschuk, dass der aus der Ukraine vertrieben worden sei. Die Fakten sprechen eine andere Sprache. Medwedtschuk, der 2021 wegen des Verdachts auf Hochverrat und der illegalen Ausbeutung natürlicher Ressourcen auf der von Russland annektierten Krim unter Hausarrest gestellt worden war, entkam zu Beginn des Angriffskriegs aus dem Hausarrest, tauchte mit russischer Hilfe unter und versuchte, sich nach Russland abzusetzen. Der ukrainischen Geheimdienst griff ihn jedoch auf und nahm ihn fest. Im Herbst 2022 wurde der persönliche Freund von Putin in einem Gefangenenaustausch gegen 200 ukrainische Soldaten, darunter rund 100 Soldaten des Asow-Regiments, ausgetauscht. Die ukrainische Staatsbürgerschaft wurde ihm im Frühjahr 2023 entzogen, weil Medwedtschuk offensichtlich auch russischer Staatsangehöriger war.
Im Freilich-Gastkommentar hatte Medwedtschuk darauf hingewiesen, dass in Deutschland eine Petition gegen Waffenlieferungen an die Ukraine erfolgreich gestartet worden sei. Die FPÖ schmückte den Beitrag, der jegliche Kritik an der russischen Aggression aussparte, mit Werbebannern ihrer wohl nicht zufällig gleichzeitig gestarteten Petition „kriegstoppen.at“.
Im Herbst 23 (8.11.23) setzt „Freilich“ noch eins drauf und lässt seinen früheren Chefredakteur Ulrich Novak ein Interview mit Medwedtschuk führen. Wobei Interview für diese Art der Hofberichterstattung bzw. Selbstdarstellung wohl etwas zu hoch gegriffen wäre. Medwedtschuk bezeichnet sich darin unhinterfragt als „Ihr bescheidener Diener“. Aus dem Kontext ist zu erahnen, dass damit ganz sicher nicht die Ukraine gemeint ist, der Medwedtschuk dienen will. Für die hat er nämlich nur Verachtung übrig, bezichtigt sie der „Gewalt, Gesetzlosigkeit und Aggression gegen Russen, Russischsprachige und Russland“ – und das nach dem brutalen Angriffskrieg Russlands und der Zerstörung ganzer Städte im russischsprachigen Osten der Ukraine sowie den dokumentierten russischen Kriegsverbrechen.
Vom rechtsextremen Burschenschafter Ulrich Novak kommt kein Muckser, auch nicht, als Medwedtschuk die Ukraine als „einen der korruptesten Staaten der Welt, zumindest laut dem Korruptionsindex von Transparency International“ bezeichnet. Auch das wäre einfach zu recherchieren gewesen.
Tatsächlich gibt es Korruption in Ukraine – und das nicht wenig. Aber im Unterschied zu Russland, das noch deutlich schlechter im Ranking liegt, arbeitet die Ukraine daran, die Korruption zu verringern, während sie in Russland steigt.
Der verschwundene Oligarch
Warum, so fragt man sich nach diesem speichelleckerischen Interview, bietet „Freilich“ ausgerechnet diesem abgewirtschafteten Russland-Propagandisten ein Forum? Einem protzigen Oligarchen mit einer Yacht um 200 Millionen Euro? Zuerst ein Gastkommentar und dann noch dieses verlogene Interview? Handelt es sich um bezahlte Einschaltungen? Dann sollten sie eigentlich gekennzeichnet sein. Außerdem gibt es da noch ein Problem: Die Beiträge des Oligarchen sind verschwunden. „Freilich“ hat sie kurz nach der Veröffentlichung der Enthüllungen zu „Voice of Europe“ und Medwedtschuk gelöscht. Über die „Google“-Suche lassen sich zwar noch Treffer zu Interview und Gastkommentar finden, aber die Beiträge selbst nicht mehr abrufen: “Internal Server Error“. Die „Freilich“-Suche wirft bei Medwedtschuk kein Ergebnis aus.
Plötzlich unangenehm gewordene Artikel taktisch zu löschen, ist die einzige Art von Pressefreiheit, die die Rechtsextremen meinen!
P.S. zu Medwedtschuk: In seiner sowjetischen Frühzeit arbeitete Medwedtschuk als Anwalt und fungierte als Pflichtverteidiger in einem Schauprozess, den die Sowjetdiktatur 1980 gegen den ukrainischen Dichter, Menschenrechtsaktivisten und Dissidenten Wassyl Stus als „gefährlichen Wiederholungstäter“ https://de.wikipedia.org/wiki/Wassyl_Stus angestrengt hatte. Stus lehnte Medwedtschuk als seinen Pflichtverteidiger ab. Der forderte schließlich eine höhere Strafe als die Staatsanwaltschaft. Stus wurde schließlich nach einem vergeblichen Versuch, sich selbst verteidigen zu dürfen, zu (weiteren) zehn Jahren Zwangsarbeitslager und fünf Jahren Verbannung verurteilt und starb im Lager.