Achtzehn KandidatInnen haben sich um die Leitung des HGM beworben, darunter auch der langjährige und auch „interimistische“ Direktor Christian Ortner: „Außer Ortner sollen die meisten der Kandidaten der Kritik gegenüber aufgeschlossen sein und dies auch in ihren Konzepten berücksichtigen“, schrieb der „Standard“ am 29.9.22.
Und ausgerechnet der Uneinsichtigste, der die Zustände im und um das HGM zu verantworten hat, soll jetzt wiederbestellt werden? Von den 18 sind 15 ausgesiebt worden, darunter auch absolute Experten. Im Dreiervorschlag finden sich ein Historiker, zugleich im Kabinett von Ministerin Tanner beschäftigt, ein Mitarbeiter des Römisch-Germanischen Zentralmuseums in Mainz – und Christian Ortner.
Seine Chancen stehen also bestens, trotz äußerst massiver und substanzieller Kritik, die in den letzten Jahren von zivilgesellschaftlicher Seite, von Expert*innen, dem Rechnungshof und auch von medialer Seite an ihm geübt wurde. Nachdem der Leiter einer Expert*innenkommission zum HGM, Wolfgang Muchitsch, zum HGM festgestellt hatte: „Es ist doch keiner mit diesem Museum zufrieden“, versprach Verteidigungsministerin Tanner, das Museum „auf neue Beine“ stellen zu wollen.
„Dass diese Beine jetzt wiederum die Ortners sein könnten (…) ist von professioneller Warte heraus schlicht nicht zu verstehen. In einem vergleichbaren Bundesmuseum (…) wären derartige Vorwürfe unmöglich ohne personelle Konsequenzen“, schreibt die entsetzte Redakteurin Almuth Spiegler in der „Presse“ vom 22.11.22. Sie bezieht sich in ihrer Kritik unter anderem auch auf einen Beschwerdebrief von Mitarbeiter*innen des HGM, den diese in ihrer Verzweiflung wegen der neuerlichen Bewerbung von Ortner vor mittlerweile vier Wochen an Ministerin Tanner geschrieben haben. Eine Antwort des Ministeriums bzw. der Ministerin ist bis heute ausgeblieben, obwohl der Brief schwere Vorwürfe wegen Mobbing (Bossing) gegen den Direktor erhebt:
Durch Direktor Ortner und sein Führungsteam wurde in den vergangenen Jahren im Heeresgeschichtlichen Museum bewusst ein Klima der Angst, der Drohungen und der Konflikte erzeugt, wodurch es zu einer massiven psychischen Belastung am Arbeitsplatz gekommen ist. Gerade die Konflikte wurden bewusst erzeugt und geschürt (frei nach dem Spruch „je mehr sie miteinander kämpfen, desto leichter kann ich sie führen“). Die Auswirkungen dieses Klimas lassen sich an der großen Anzahl an Krankenständen ablesen, die zwar von Direktor Ortner immer wieder auf die „Überalterung“ der Belegschaft geschoben wurde, in Wahrheit aber zu einem Gutteil der psychischen Belastung geschuldet ist (abzulesen am Anstieg an Burnout-Fällen und damit verbundenen Langzeitkrankenständen wie auch an anderen schweren Erkrankungen, Herzinfarkten usw.). Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter war die „Flucht in den Krankenstand“ über Jahre die einzige Möglichkeit, um den Zuständen am Arbeitsplatz zumindest kurzfristig entkommen zu können. Zahlreiche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter benötigen bis heute täglich Psychopharmaka, um den Arbeitsalltag bestreiten zu können. (…)
Dazu kommt, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer wieder vor allem verbal massiv bedroht werden (O‑Ton: „Du bist ein Krebsgeschwür, das man herausschneiden muss.“, „Ich mache dich einen Kopf kürzer.“ „Du bist ein Feind des Museums.“). Die Drohungen erstreckten sich auf Kündigung bzw. Entlassung, den Einsatz der militärischen Geheimdienste („Das Abwehramt weiß alles was du sagst, ich habe sie schon informiert.“) und dem „Versprechen“, einem das dienstliche Leben zur Hölle zu machen. Man solle sich nur ja nicht „wohl fühlen“. So werden schriftliche Ermahnungen und dienstrechtliche Verfahren, die bisher allesamt zugunsten der Mitarbeiter ausgegangen sind (wobei allerdings bis jetzt niemals jemand hinterfragt hat, warum diese Verfahren überhaupt angestrengt wurden) immer wieder eingesetzt, um einzuschüchtern, zu demütigen und zu bestrafen. (…)
Dazu treten „Kleinigkeiten“ wie beispielsweise Verbote, mit bestimmten MitarbeiterInnen Mittag zu essen („Man muss sich schon aussuchen, mit wem man Mittagessen geht.“), oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Informationen zukommen zu lassen. Genau diese künstliche „Verknappung“ von Informationen ist eine weitere Form der üblichen Machtausübung und des Bossings im HGM. Nur wer im engsten Kreis der Leitung aufgenommen ist, bekommt Informationen. Das führt oft zu Bloßstellungen gegenüber Außenstehenden, und außerdem ist es uns dadurch oft unmöglich, unseren eigentlichen Aufgaben nachzukommen zu können. (…)
Viele der aufgezeigten Missstände wurden auch schon vom HPD aufgezeigt, durch die vorgesetzte Dienststelle wurde eine Nachevaluierung jedoch nicht vorangetrieben. Im Gegenteil wurde der HPD-Bericht vom Führungsteam des HGM als „Ausrede“ verwendet, um Bestrafungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern (Zimmerrochaden, Verwendungsänderungen usw.) durchzuführen, die sich dem HPD anvertraut haben. In einem Fall führte das zu einem Versetzungsersuchen. Bislang hat sich jedoch nichts zum Besseren gewendet, im Gegenteil sind seitdem wieder einige Burnout-Fälle und andere schwere (auch stressbezogene) Erkrankungen verbunden mit langen Krankenständen aufgetreten. Auch Mag. .… kam in seiner Evaluierung des HGM zu diesem Ergebnis. Bestimmte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren außerdem permanenter Kontrolle ausgesetzt, zum Beispiel wurden Kameras installiert, die in einem Fall auch die Toiletten und den Gemeinschaftsraum überwachten. Die Beschwerde beim Datenschutzbeauftragten/BMLV war erfolgreich. (…)
Abschließend erlauben wir uns die Bemerkung, dass wir jedem anderen neuen Direktor mit Freude entgegensehen, denn es kann nur besser werden. Eine Weiterbetrauung von Herrn Direktor Ortner und das Weiterbestehen des jetzigen „Systems“ im HGM wäre dagegen eine Katastrophe für das Haus und für uns, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Wie, um die Vorwürfe wegen Bossing zu bestätigen, lässt der Direktor jetzt eine Unterschriftenliste im Museum umgehen, in der ihm das Vertrauen ausgesprochen wird. Ortner weist die Vorwürfe aus dem Beschwerdebrief als „absurd“ zurück (vgl. derstandard.at, 21.11.22)
Im Ministerium würden die Punkte aus dem Beschwerdebrief jetzt von den „zuständigen Stellen“ geprüft. Zumindest ein Teil davon müsste den „zuständigen Stellen“ im Ministerium allerdings schon seit Jahren bekannt sein. Nach einer Reihe von eher bedrückenden Vorfällen hat nämlich der Heerespsychologische Dienst (HPD) die Zustände im HGM untersucht und ist dabei zu Ergebnissen gekommen, die dringenden Handlungsbedarf signalisierten. Die „zuständigen Stellen“ haben es auch damals vorgezogen zuzuwarten …
Womit es begann: SdR-Serie zum HGM aus dem September 2019
zu Teil 1: Das HGM als identitäre Projektionsfläche
zu Teil 2: Der zeitgeschichtliche Saal als Steilvorlage für rechtsextreme Umdeutungen der Geschichte
zu Teil 3: Rechtsextreme Literatur und Wehrmachtspanzer im Museumsshop
zu Teil 4: Eine Panzerschau mit NS-Reliquien
zu Teil 5: Der Minister lässt die Vorwürfe prüfen