Vermutlich durften wir daran mitwirken, dass sich der verschwiegene Kreis der Jagsthausener nicht mehr so nennen will, sondern auf die ziemlich cleane Bezeichnung „Zukunftswerkstatt“ wechselte. Sogar der Ort der Treffen hat gewechselt: von Freilassing an der Grenze zu Salzburg nach Anif bei Salzburg. Und einer der beiden Organisatoren ist abhanden gekommen: Wolfgang Caspart, der schriftsachverständige schlagende Corpsstudent, der auch Verlässlichkeitsprüfungen nach dem Waffengesetz vornehmen darf, ist nicht mehr Organisator.
Warum das so ist, erklärt der nunmehr alleinige Organisator, Konrad Falko Wutscher, in dem „Leitbild“, mit dem im Frühjahr die „Zukunftswerkstatt“ vorgestellt wurde, leider nicht. An die 40, 50 Personen, „vor allem Unternehmer, Adel, Diplomaten, Militär, Wissenschaftler usw.“, sollen an den Tagungen teilnehmen: „Die Gäste sind persönlich und handverlesen eingeladen bzw. sind die Tagungen strikt privat und nichtöffentlich“, hieß es seitens des Veranstalters.
Obwohl „jedem Besucher eine strikte Vertraulichkeit aufgetragen ist“, gibt es welche, die sich nicht daran halten und öffentlich plaudern. Der frühere tschechische Staatspräsident Václav Klaus, der einmal ein strammer Rechtskonservativer war, mittlerweile aber kein Problem mehr hat, die rechtsextreme Verschwörungserzählung vom „Great Reset“ in den Mund zu nehmen, zeigte wie schon bei seinen früheren Besuchen beim Jagsthausener Kreis in Freilassing auch diesmal auf und verfasste nach seiner „kleinen Auslandsreise“ Notizen, die er auf seiner Website veröffentlichte.
Während Václav Klaus noch ganz dezent von einer „lebhaften Konferenz“ (30.4. /1.5.22) spricht, wird ein anderer schon deutlicher und legt auf seinem Facebook-Account, in einigen Facebook-Gruppen und auf dem Portal seines Kleinverlags ordentlich nach und einen heftigen Streit mit ebenjenem Vaclav Klaus offen. Peter Haisenko war der Kontrahent, der bei dem streng vertraulichen Treffen über die „Bundesrepublik Deutschland – wie geht es weiter?“ referierte. Haisenko ist ein prorussischer und antisemitischer Verschwörungspropagandist, dem auf psiram.com ein ausführlicher Eintrag gewidmet ist. Seinem Facebook-Konto entnehmen wir auch, dass er ein glühender Fan der rechtsextremen AfD ist.
Aber worum haben sich die zwei denn gestritten, wo sie doch beide an die große Weltverschwörung glauben? Ein tschechischer Rechter und ein deutscher Rechtsextremer? Natürlich um Konzentrationslager und die Beneš-Dekrete. Wir wollen den unappetitlichen Streit hier gar nicht weiter ausführen, sondern ihn mit Peter Haisenko abschließen: „Er verließ unter Protest den gemeinsamen Tisch des Abendessens.“
Davon ist bei Václav Klaus, der sonst so gesprächigen Plaudertasche, aber gar nichts zu lesen. Vom ersten Treffen des frisch gestrichenen „Jagsthausener Kreises“ ist sonst nicht viel zu berichten, Reicht aber eigentlich, oder? Der Lack ist schon wieder ab.
Mittlerweile hat bereits das zweite Treffen stattgefunden: Mitte Oktober. Am Programmentwurf stand einer, der gut zu dem Kreis aus Rechtsextremen, Geheimdienstlern, Unternehmern und Militärs, wie wir ihn bereits aus den früheren Treffen der Jagsthausener kennen, passt: Gert Polli, der frühere Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BVT) durfte über ein Thema referieren, in dem er wirklich einiges weiß: „Die Schattenwelten der Geheimdienste – ein Erfahrungsbericht“
Damit die Sache nach Polli, dem „geheimnisvollen Berater von Innenminister Kickl“ (kurier.at, 19.9.18), auch noch eindimensional auf der rechten Linie bleibt, wurde mit dem Referenten Alexandr Sosnowski nachgelegt. „Russland und Deutschland – wie geht es weiter?“ war das Thema des russischen Kriegstreibers. Im Juni hatte er im russischen Staatsfernsehen Wladimir Solowjow, den „Moderator“ der Sendung, auf die Idee gebracht, über die – geringen – Waffenreserven der NATO und Deutschlands zu spekulieren. Solowjow: „Dann sollten wir eine zweite Front eröffnen und auf Deutschland draufhauen, solange sie komplett unbewaffnet sind“, rief der Kreml-Propagandist aus. „Damit es keine Illusionen bei den Nazis gibt.“ (bz-berlin.de, 16.6.22)
Ob und welche weiteren Teilnehmer aus FPÖ, AfD und anderen rechtsextremen Kreisen bei den beiden Treffen anwesend waren, wissen wir (noch) nicht. Wir freuen uns über entsprechende Mitteilungen! Für 24.–26.3 23 ist das nächste Treffen der Jagsthausener bzw. der „Zukunftswerkstatt“ geplant – wieder im Hotel Friesacher in Anif.
Bleibt aber die Frage: Warum sollen rechtsextreme Meetings, bei denen ältere Herren über KZ und Beneš-Dekrete streiten und übelste Kriegshetze verbreiten, eigentlich in Österreich stattfinden?