„Der Justiz ist es ein großes Anliegen, dem Informationsanspruch der Bürger*innen sowie der Medien im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen gerecht zu werden. Durch aktive Öffentlichkeitsarbeit soll das Verständnis der Öffentlichkeit für die Rechtspflege und das Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz und in ihre Einrichtungen gestärkt werden“, ist auf dem Internetportal aller österreichischen Gerichte zu lesen. Klingt schön, in der Praxis kann die Sache aber deutlich anders aussehen.
Das beginnt bereits damit, dass Verhandlungskalender (auch „Verhandlungsspiegel“) von manchen Gerichten veröffentlich werden, von manchen jedoch nicht. Dazu kommt, dass einige der online gestellten Übersichten je nach Gericht informativ oder auch sehr dürr ausfallen.
Die Landesgerichte der zwei größten österreichischen Städte, Wien und Graz, gehören zu jenen, die keine Übersicht über bevorstehende Verhandlungen online stellen. Nur eine ausgewählte kleine Schar von Journalist*innen erhält den Verhandlungskalender dieser Gerichte. Die Folge: Über Prozesse (nicht nur) nach dem Verbotsgesetz wird entsprechend selten und wenn, dann meist nur kursorisch berichtet. Die Öffentlichkeit erfährt also fast nichts über die dort abgewickelten Verfahren und noch weniger über Hintergründe und etwaige Querverbindungen in der Szene, weil die in Prozessen kaum oder gar nicht thematisiert werden und Medienvertreter*innen in der Regel nicht auf das Fachgebiet Rechtsextremismus/Neonazismus spezialisiert sind – also Einordnungen oft nicht treffen können.
Ein dabei exemplarisch herausstechender Fall ist jener des Grazer Polizisten, der im Juli und im September 2020 wegen Wiederbetätigung im Landesgericht Graz verhandelt wurde. In Medien war darüber nur kursorisch zu lesen. Wäre die antifaschistischen Initiativen prozess.report und Doku Service Steiermark nicht beim Prozess gewesen, hätte die Öffentlichkeit nie über die doch sehr bemerkenswerten Hintergründe erfahren. Durch das vom Doku Service verfasste Protokoll konnte „Stoppt die Rechten” einen Bericht anfertigen, der dann auch größeres Aufsehen erregt und zur Frage geführt hatte, wie es denn mit rechtsextremen Strömungen im österreichischen Polizeidienst aussieht.
Aber nicht nur die Landesgerichte von Wien und Graz veröffentlichen keine Verhandlungskalender, auch jene von Leoben, Krems, Korneuburg und St. Pölten geben sich schweigsam. Vom großen „Anliegen, dem Informationsanspruch der Bürger*innen sowie der Medien im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen gerecht zu werden“, kann hier also nicht die Rede sein.
Manche Landesgerichte verfassen zu den Prozessen eine Kurzbeschreibung der Anklagepunkte, andere nennen gerade einmal die Anklageparagrafen bzw. ‑punkte. Der Informationswert beschränkt sich also darauf, dass es an Tag X, Uhrzeit Y einen Prozess nach dem Verbotsgesetz gibt.
Aber selbst dann, wenn bei den Gerichten konkret zu Prozessen bzw. nach deren Ausgängen um Information gebeten wird, gibt’s nicht immer Auskünfte. Der Standard-Journalist Markus Sulzbacher erzählt in einem Gespräch mit „Stoppt die Rechten“ über seine ernüchternden Erfahrungen: „Es ist immer eine Art Glücksspiel, ob man eine Antwort bekommt oder nicht. Selbst, wenn mehrfach nachgefragt wird.“ Informationsflüsse als Glücksspiel sollte sich jedoch gerade die Justiz nicht leisten, weder in Wiederbetätigungs- noch in anderen Verfahren, denn das ist alles andere als vertrauensbildend!
➡️ Verhandlungskalender der österreichischen Landesgerichte
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