Die Grenze ist das Strafrecht
Eigentlich hätte es ja eine Reform des Verfassungsschutzes gegeben und eigentlich wäre darin eine strengere und umfassendere Sicherheitsüberprüfung („Vertrauenswürdigkeitsprüfung“) für Mitarbeiter*innen vorgesehen. Doch die Kärntner Landespolizeidirektorin Michaela Kohlweiß vermochte auf einer Pressekonferenz zu überraschen:
Auf die Frage, ob Tauschitz die nötige Distanz aufweise, um Veranstaltungen wie das Ulrichsbergtreffen zu beobachten, erklärte Kohlweiß, die politische Vergangenheit könne sie „nicht in die Beurteilung einfließen lassen”. Hätte es Verstöße, wie etwa gegen das Verbotsgesetz, gegeben, „dann habe ich so viel Vertrauen in die Justiz, dass es zu einer Verurteilung gekommen wäre”. (puls24.at, 7.2.22)
Hier fragen sich Außenstehende: Ja, was wurde denn überhaupt überprüft und beurteilt? Die Marke des Autos, das Stephan Tauschitz gerade fährt? Und kann eine Verurteilung nach dem Verbotsgesetz tatsächlich die Grenze für einen Leitungsposten im Verfassungsschutz sein?
Wir erinnern uns an den Fall des Parlamentssecuritys, der, mitten aus der Neonazi-Szene kommend, im BVT-U-Ausschuss Dienst tun konnte, weil nur sein Vorstrafenregister überprüft worden war – und das war (damals noch) blank. Damit hätte der Ex-Security theoretisch auch als LVT-Chef getaugt. Völlig zurecht ist kritisiert worden, dass für ihn strengere Sicherheitsregeln gelten hätten müssen.
Wer am #Ulrichsbergtreffen teilnimmt sollte vom Verfassungsschutz beobachtet werden und kann diesen nicht leiten. Der Waffen-SS zu huldigen, einen Naziaufmarsch durch Teilnahme zu legitimieren ist kein Kavaliersdelikt. Es besteht dringender Handlungsbedarf!
— Oskar Deutsch (@DeutschOskar) February 5, 2022
Mauern und Aussitzen, bis nichts mehr geht
Selbstverständlich stellte sich der selbst unter heftige Kritik geratene amtierende ÖVP-Innenminister Gerhard Karner diese Fragen nicht, und schon gar nicht beantwortete er sie. Dafür jedoch mauerte er für den Parteikollegen Tauschitz, indem er, am Rande einer Pressekonferenz darauf angesprochen, meinte, Kohlweiß habe die richtigen Worte gefunden. Karner fügte auch hinzu: Sie habe auch die richtige Vorgangsweise gefunden, nämlich „dass sie ihren Stellvertreter, den Hofrat Markus Platzer, hier eingesetzt hat, um auch dem LVT-Leiter hier zur Seite zu stehen“ (Transkript PK Karner, 8.2.22).
Auf die Seite treten, kennen wir von der ÖVP, wenn sie in die Bredouille gerät, aber dass einem hohen Verfassungsschützer ein Aufpasser vor die Nase gesetzt wird, um ihn fast um jeden Preis im Amt halten zu können, das ist doch ein Novum.
Posten für Parteifreunde
Tauschitz war von 2007 bis 2012 eher glückloser Klubobmann der ÖVP Kärnten, 2013 schied er aus der Politik. Zum Verhängnis ist ihm die Causa Hypo geworden: Er sei als Vorsitzender des Untersuchungsauschusses eher Zu- als Aufdecker gewesen. Der studierte Betriebswirt wechselte nach seiner gescheiterten Politkarriere als Praktikant ins Finanzministerium nach Wien, um dann 2015 beim BVT anzudocken. „Und wie qualifiziert ist Tauschitz? Der ÖVP-Politiker hat keine polizeiliche Ausbildung, er ist auch kein Jurist. Der Berufspolitiker bekam einen Job beim Bundesamt für Verfassungsschutz. Dort war er – weil eben keine Fachausbildung – für das Organisieren von Meetings zuständig. Dann wechselte er als Referatsleiter ins LVT“, berichtet die Tiroler Tageszeitung.
Auch der Bestellungsvorgang zum LVT-Chef lässt Fragen offen, die nun der SPÖ-Abgeordnete Reinhold Einwallner an den Innenminister gestellt hat. Es ist jedoch zu bezweifeln, dass von dort brauchbare Antworten kommen werden.
Chats, wohin man schaut
Es wäre nicht die ÖVP, wenn Tauschitz nicht auch in einem der inzwischen schon berühmt gewordenen Chats aus Innenministeriumskreisen auftauchen würde. Nachdem sich im BVT einige gefragt haben dürften, warum Tauschitz ausgerechnet im Staatsschutz gelandet ist, suchte man laut Standard „immer wieder neue Positionen für ihn. Im Jahr 2016 fragte ein Kabinettsmitarbeiter jedenfalls seinen Kabinettschef Michael Kloibmüller, ob Tauschitz denn nicht als Pressesprecher für das BVT geeignet wäre. Kloibmüller antwortete lapidar: ‚kritisch‘.“ Tauschitz‘ Reise ins LVT Kärnten, wo er 2017 zum Referatsleiter avancierte, war dann offenbar nicht mehr „kritisch”.
Nach Kritik aus Israel war Schluss
Am 1. Februar trat Stephan Tauschitz seinen Posten als Kärnter LVT-Chef an. Zwei Tage später folgte der Anfang vom schnellen Ende seines Karrieresprungs: Die ORF-Journalistin Tanja Malle machte via Twitter publik, dass Tauschitz zweimaliger Redner am rechtsextremen Ulrichsbergtreffen war.
Seit 1.2.2022 ist der Ex-ÖVP-Berufspolitiker Tauschitz Chef des Kärntner LVT.
Er ist damit auch zuständig für das Monitoren von Rechtsextremismus.
Allerdings: Er trat 2 mal als Redner am rechtsextremen Ulrichsbergtreffen & als dessen Verfechter auf. https://t.co/p3JFDcosMN
— tanja 🤯malle (@scharlatanja) February 3, 2022
Postwendend verlangte die Grüne Nationalratsabgeordnete Olga Voglauer den Rückzug von Tauschitz. Es folgten die IKG, das Mauthausen Komitee Österreich, der KZ-Verband, SOS Mitmensch und viele weitere Organisationen und Einzelpersonen. Tauschitz blieb dennoch. Bis sich am 10. Februar schließlich der Historiker Efraim Zuroff, Direktor des Simon-Wiesenthal-Zentrum Jerusalem, meldete.
„Das ist wirklich skandalös”, sagt Efraim Zuroff dem STANDARD. (…) Tauschitz solle sofort seiner Funktion entbunden werden, fordert Zuroff. Und nicht nur das: Die umstrittene Personalie sollte auch den Rücktritt von Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) zur Folge haben. Karner hatte sich zuvor für frühere antisemitische Aussagen entschuldigt und erklärt, er würde das heute nicht mehr sagen. Zuroff sagt, diese Entschuldigung sei jetzt in einem anderen Licht zu sehen. „Wenn es jetzt unter seiner Führung eine solche Personalentscheidung gibt, dann zeigt uns das, dass das offenbar nur ein Lippenbekenntnis war, um sich aus der Affäre zu ziehen”. (derstandard.at, 10.2.22)
Wiesenthal Center has urged Austria to fire the recently-appointed director of Carinthia’s „Office for the Protection of the Constitution” Stephan Tauschitz, who we now know attended extreme right-wing gatherings as a participant, and even gave a lecture. Hardly fit 4 the post!!
— Efraim Zuroff (@EZuroff) February 10, 2022
Am Tag darauf, am 11. Februar, war Tauschitz als LVT-Direktor wieder Geschichte. Auffällig: In den acht Tagen, als die Causa Tauschitz täglich durch alle Medien rauschte, war kein Mucks von Bundeskanzler Nehammer zu hören, aber auch nicht von Karoline Edtstadler, die ansonsten kaum eine Gelegenheit auslässt, um zu betonen, wie groß die historische Verantwortung Österreichs im Kampf gegen den Antisemistismus sei. Wenn’s um einen Verfassungsschutzchef aus der ÖVP geht, der sich auf einem Treffen mit Veteranen der verbrecherischen Waffen-SS herumgetrieben hat, schweigt sie. Ebenfalls bemerkenswert: Der Kärntner SPÖ-Landeshauptmann Peter Kaiser hat es nicht geschafft, Klartext zu sprechen und einen Rückzug von Tauschitz zu fordern. Stattdessen betonte er mehrfach seine Nicht-Zuständigkeit. Das mag formal richtig sein, nicht zuständig waren jedoch auch alle, die aus gutem Grund die Ablösung von Tauschitz gefordert haben.
Was fehlt …
… sind Hinweise auf und Dank an jene Antifaschist*innen, durch deren jahrelange penible Recherchen und Dokumentationen zu den rechtsextremen Umtrieben am Ulrichsbergtreffen vieles, was dort geschehen ist, wer ans Rednerpult getreten ist, wer teilgenommen hat, heute überhaupt bekannt ist. Das gilt auch für jene Jahre (2008 und 2010), in denen Tauschitz seine beiden Reden gehalten hatte. Das wagemutige Konstrukt, das Tauschitz stricken wollte, er habe nur Grußworte gesprochen, und er sei nur deshalb am Ulrichsberg gewesen, um eine Vereinnahmung des Treffen durch Rechtsextreme zu verhindern, konnte angesichts dessen, was er in Anwesenheit von Neonazis und anderen Rechtsextremen von sich gegeben hat, nicht gehalten werden. Danke insbesondere an den „AK gegen den kärntner Konsens“, der mit der Website u‑berg.at ein Stück schändlicher Zeitgeschichte, deren Teil Tauschitz war, aufbereitet hat.