Causa Tauschitz: ein unzumutbares Stück Österreich

Die Affäre Tauschitz ist ein Stück Öster­re­ich mit beson­derem Kärnt­ner Touch und hat zudem alle Ingre­dien­zen, die für die derzeit­ige ÖVP kon­sti­tu­tiv sind. Hans Rausch­er resümiert im Stan­dard, sie zeige endgültig, dass die Posten­ver­gabe-Agen­tur ÖVP alle Maßstäbe ver­loren hat und nicht mehr weiß, was man dem Staat zumuten kann“. Wir rekapitulieren.

Die Gren­ze ist das Strafrecht

Eigentlich hätte es ja eine Reform des Ver­fas­sungss­chutzes gegeben und eigentlich wäre darin eine stren­gere und umfassendere Sicher­heit­süber­prü­fung („Ver­trauenswürdigkeit­sprü­fung“) für Mitarbeiter*innen vorge­se­hen. Doch die Kärnt­ner Lan­despolizei­di­rek­torin Michaela Kohlweiß ver­mochte auf ein­er Pressekon­ferenz zu überraschen:

Auf die Frage, ob Tauschitz die nötige Dis­tanz aufweise, um Ver­anstal­tun­gen wie das Ulrichs­bergtr­e­f­fen zu beobacht­en, erk­lärte Kohlweiß, die poli­tis­che Ver­gan­gen­heit könne sie „nicht in die Beurteilung ein­fließen lassen”. Hätte es Ver­stöße, wie etwa gegen das Ver­bots­ge­setz, gegeben, „dann habe ich so viel Ver­trauen in die Jus­tiz, dass es zu ein­er Verurteilung gekom­men wäre”. (puls24.at, 7.2.22)

Hier fra­gen sich Außen­ste­hende: Ja, was wurde denn über­haupt über­prüft und beurteilt? Die Marke des Autos, das Stephan Tauschitz ger­ade fährt? Und kann eine Verurteilung nach dem Ver­bots­ge­setz tat­säch­lich die Gren­ze für einen Leitungsposten im Ver­fas­sungss­chutz sein?

Wir erin­nern uns an den Fall des Par­la­mentsse­cu­ri­tys, der, mit­ten aus der Neon­azi-Szene kom­mend, im BVT-U-Auss­chuss Dienst tun kon­nte, weil nur sein Vorstrafen­reg­is­ter über­prüft wor­den war – und das war (damals noch) blank. Damit hätte der Ex-Secu­ri­ty the­o­retisch auch als LVT-Chef getaugt. Völ­lig zurecht ist kri­tisiert wor­den, dass für ihn stren­gere Sicher­heit­sregeln gel­ten hät­ten müssen.

Mauern und Aus­sitzen, bis nichts mehr geht

Selb­stver­ständlich stellte sich der selb­st unter heftige Kri­tik ger­atene amtierende ÖVP-Innen­min­is­ter Ger­hard Karn­er diese Fra­gen nicht, und schon gar nicht beant­wortete er sie. Dafür jedoch mauerte er für den Parteikol­le­gen Tauschitz, indem er, am Rande ein­er Pressekon­ferenz darauf ange­sprochen, meinte, Kohlweiß habe die richti­gen Worte gefun­den. Karn­er fügte auch hinzu: Sie habe auch die richtige Vor­gangsweise gefun­den, näm­lich „dass sie ihren Stel­lvertreter, den Hofrat Markus Platzer, hier einge­set­zt hat, um auch dem LVT-Leit­er hier zur Seite zu ste­hen“ (Tran­skript PK Karn­er, 8.2.22).

Auf die Seite treten, ken­nen wir von der ÖVP, wenn sie in die Bre­douille gerät, aber dass einem hohen Ver­fas­sungss­chützer ein Auf­pass­er vor die Nase geset­zt wird, um ihn fast um jeden Preis im Amt hal­ten zu kön­nen, das ist doch ein Novum.

Posten für Parteifreunde

Tauschitz war von 2007 bis 2012 eher glück­los­er Klubob­mann der ÖVP Kärn­ten, 2013 schied er aus der Poli­tik. Zum Ver­häng­nis ist ihm die Causa Hypo gewor­den: Er sei als Vor­sitzen­der des Unter­suchungsauschuss­es eher Zu- als Aufdeck­er gewe­sen. Der studierte Betrieb­swirt wech­selte nach sein­er gescheit­erten Politkar­riere als Prak­tikant ins Finanzmin­is­teri­um nach Wien, um dann 2015 beim BVT anzu­dock­en. „Und wie qual­i­fiziert ist Tauschitz? Der ÖVP-Poli­tik­er hat keine polizeiliche Aus­bil­dung, er ist auch kein Jurist. Der Beruf­spoli­tik­er bekam einen Job beim Bun­de­samt für Ver­fas­sungss­chutz. Dort war er – weil eben keine Fachaus­bil­dung – für das Organ­isieren von Meet­ings zuständig. Dann wech­selte er als Refer­at­sleit­er ins LVT“, berichtet die Tirol­er Tageszeitung.

Auch der Bestel­lungsvor­gang zum LVT-Chef lässt Fra­gen offen, die nun der SPÖ-Abge­ord­nete Rein­hold Ein­wall­ner an den Innen­min­is­ter gestellt hat. Es ist jedoch zu bezweifeln, dass von dort brauch­bare Antworten kom­men werden.

Chats, wohin man schaut

Es wäre nicht die ÖVP, wenn Tauschitz nicht auch in einem der inzwis­chen schon berühmt gewor­de­nen Chats aus Innen­min­is­teri­um­skreisen auf­tauchen würde. Nach­dem sich im BVT einige gefragt haben dürften, warum Tauschitz aus­gerech­net im Staatss­chutz gelandet ist, suchte man laut Stan­dardimmer wieder neue Posi­tio­nen für ihn. Im Jahr 2016 fragte ein Kabi­nettsmi­tar­beit­er jeden­falls seinen Kabi­nettschef Michael Kloib­müller, ob Tauschitz denn nicht als Press­esprech­er für das BVT geeignet wäre. Kloib­müller antwortete lap­i­dar: ‚kri­tisch‘.“ Tauschitz‘ Reise ins LVT Kärn­ten, wo er 2017 zum Refer­at­sleit­er avancierte, war dann offen­bar nicht mehr „kri­tisch”.

Nach Kri­tik aus Israel war Schluss

Am 1. Feb­ru­ar trat Stephan Tauschitz seinen Posten als Kärn­ter LVT-Chef an. Zwei Tage später fol­gte der Anfang vom schnellen Ende seines Kar­ri­ere­sprungs: Die ORF-Jour­nal­istin Tan­ja Malle machte via Twit­ter pub­lik, dass Tauschitz zweima­liger Red­ner am recht­sex­tremen Ulrichs­bergtr­e­f­fen war.

Post­wen­dend ver­langte die Grüne Nation­al­ratsab­ge­ord­nete Olga Voglauer den Rück­zug von Tauschitz. Es fol­gten die IKG, das Mau­thausen Komi­tee Öster­re­ich, der KZ-Ver­band, SOS Mit­men­sch und viele weit­ere Organ­i­sa­tio­nen und Einzelper­so­n­en. Tauschitz blieb den­noch. Bis sich am 10. Feb­ru­ar schließlich der His­torik­er Efraim Zuroff, Direk­tor des Simon-Wiesen­thal-Zen­trum Jerusalem, meldete.

„Das ist wirk­lich skan­dalös”, sagt Efraim Zuroff dem STANDARD. (…) Tauschitz solle sofort sein­er Funk­tion ent­bun­den wer­den, fordert Zuroff. Und nicht nur das: Die umstrit­tene Per­son­alie sollte auch den Rück­tritt von Innen­min­is­ter Ger­hard Karn­er (ÖVP) zur Folge haben. Karn­er hat­te sich zuvor für frühere anti­semi­tis­che Aus­sagen entschuldigt und erk­lärt, er würde das heute nicht mehr sagen. Zuroff sagt, diese Entschuldigung sei jet­zt in einem anderen Licht zu sehen. „Wenn es jet­zt unter sein­er Führung eine solche Per­son­alentschei­dung gibt, dann zeigt uns das, dass das offen­bar nur ein Lip­pen­beken­nt­nis war, um sich aus der Affäre zu ziehen”. (derstandard.at, 10.2.22)

Am Tag darauf, am 11. Feb­ru­ar, war Tauschitz als LVT-Direk­tor wieder Geschichte. Auf­fäl­lig: In den acht Tagen, als die Causa Tauschitz täglich durch alle Medi­en rauschte, war kein Mucks von Bun­deskan­zler Neham­mer zu hören, aber auch nicht von Karo­line Edt­stadler, die anson­sten kaum eine Gele­gen­heit aus­lässt, um zu beto­nen, wie groß die his­torische Ver­ant­wor­tung Öster­re­ichs im Kampf gegen den Anti­semistismus sei. Wenn’s um einen Ver­fas­sungss­chutzchef aus der ÖVP geht, der sich auf einem Tre­f­fen mit Vet­er­a­nen der ver­brecherischen Waf­fen-SS herumgetrieben hat, schweigt sie. Eben­falls bemerkenswert: Der Kärnt­ner SPÖ-Lan­deshaupt­mann Peter Kaiser hat es nicht geschafft, Klar­text zu sprechen und einen Rück­zug von Tauschitz zu fordern. Stattdessen betonte er mehrfach seine Nicht-Zuständigkeit. Das mag for­mal richtig sein, nicht zuständig waren jedoch auch alle, die aus gutem Grund die Ablö­sung von Tauschitz gefordert haben.

Was fehlt …

… sind Hin­weise auf und Dank an jene Antifaschist*innen, durch deren jahre­lange penible Recherchen und Doku­men­ta­tio­nen zu den recht­sex­tremen Umtrieben am Ulrichs­bergtr­e­f­fen vieles, was dort geschehen ist, wer ans Red­ner­pult getreten ist, wer teilgenom­men hat, heute über­haupt bekan­nt ist. Das gilt auch für jene Jahre (2008 und 2010), in denen Tauschitz seine bei­den Reden gehal­ten hat­te. Das wage­mutige Kon­strukt, das Tauschitz strick­en wollte, er habe nur Gruß­worte gesprochen, und er sei nur deshalb am Ulrichs­berg gewe­sen, um eine Vere­in­nah­mung des Tre­f­fen durch Recht­sex­treme zu ver­hin­dern, kon­nte angesichts dessen, was er in Anwe­sen­heit von Neon­azis und anderen Recht­sex­tremen von sich gegeben hat, nicht gehal­ten wer­den. Danke ins­beson­dere an den „AK gegen den kärnt­ner Kon­sens“, der mit der Web­site u‑berg.at ein Stück schändlich­er Zeit­geschichte, deren Teil Tauschitz war, auf­bere­it­et hat.

Presseaktion 15.09.08 vor dem Verteidigungsministerium gegen die Teilnahme des Bundesheers am Ulrichsbergtreffen (© u-berg.at)

Presseak­tion 15.09.08 vor dem Vertei­di­gungsmin­is­teri­um gegen die Teil­nahme des Bun­desheers am Ulrichs­bergtr­e­f­fen (© u‑berg.at)

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