Wer auch immer sich durch unseren ersten Bericht zum Netzwerk bzw. zu Beispiel 1, Jörg Baberowski, auf den Schlips getreten fühlte, hat eine Schlappe erlitten. Twitter hat unseren Tweet geprüft und keinen Verstoß gegen die Twitter-Regeln feststellen können. Dafür – das hören wir aus dem Netzwerk selbst – sind einige Mitglieder zusehends irritiert über den deutlichen Rechtskurs, den so manche Proponent*innen dem Netzwerk durch Interviews oder andere Aktivitäten verpassen oder für den sie einfach stehen.
Nach wie vor gelten Aufnahmeregeln, die eigentlich verhindern sollen, dass sich offene Rechtsextreme als Mitglieder einschreiben. Zwei Mitglieder müssen für Neue bürgen, erst dann ist man dabei. Wie jedoch zu sehen ist, stellt die Bürgenregel keine geeignete Schutzmaßnahme gegen rechte Unterwanderung dar – ganz im Gegenteil!
Beispiel 2: David Engels
Wer für Prof. Dr. David Engels gebürgt hat, damit er Mitglied im Netzwerk werden kann, wissen wir natürlich nicht. Der Professor wird als Althistoriker der Université Libre de Bruxelles ausgewiesen. Das stimmt so nur bedingt. Seit 2018 ist Engels von seinem Brüsseler Lehrstuhl freigestellt, weil er eine Forschungsprofessur am Instytut Zachodni im polnischen Posen erhalten hat und dort zu „abendländischer Geistesgeschichte, europäischer Identität und polnisch-westeuropäischer Beziehungen“ forscht. Im Auftrag der polnischen Regierung. Das „Instytut Zachodni“ ist nämlich direkt der Kanzlei des Ministerpräsidenten unterstellt, also dem Herrn Mateusz Morawiecki von der deutlich rechten PiS, die sich nicht nur gerade Justiz und Medien nach ihren Bedürfnissen herrichtet, sondern das schon 2017 mit dem Instytut Zachodni so gemacht hat. Was die Frage ausfwirft: David Engels, der für den Ministerpräsidenten und die PiS im immer autoritärer regierten Polen forscht, kritisiert die fehlende Wissenschaftsfreiheit in Deutschland?
2017 plauderte der Althistoriker in einem Interview mit der Huffington Post von bürgerkriegsähnlichen Zuständen in Europa 2018 unterschrieb er dann die „Gemeinsame Erklärung“ , in der mit vielen anderen (auch aus dem späteren Netzwerk) er die „Wiederherstellung“ (!) der staatlichen Ordnung an unseren Grenzen einforderte und die Beschädigung Deutschlands durch die „illegale Masseneinwanderung“ beklagte. 2019 nahm er den Brand von Notre Dame zum Anlass, um das „Ende der letzten Illusion christlicher Herrschaft über Europa“ zu bejammern und festzustellen: „Denn selbstverständlich war es Brandstiftung – wobei es letztlich einerlei ist, ob hinter der Tat jener zunehmend weitverbreitete anti-christliche Affekt steht, welcher in Frankreich seit Monaten Tag für Tag zu Anschlägen auf Gotteshäuser führt, oder vielmehr ’nur’ eine sträfliche Nachlässigkeit.“ (Die Tagespost, 16.4.19)
Der Blog „Dokumentieren gegen Rechts“ hat jede Menge Material zu den extrem rechten Verbindungen von Engels, seinen Vorträgen und seinen Veröffentlichungen zusammengetragen, aus dem hervorgeht, dass der Althistoriker mit seinen reaktionären Thesen über den Verfall des „Abendlandes“ und den bevorstehenden Bürgerkrieg nicht nur die extreme Rechte begeistert, sondern auch die politische Mitte zum Erschauern bringt.
Beispiel 3: Uwe Steinhoff
Professor Steinhoff wird als Philosoph, der an der Universität Hongkong lehrt, ausgewiesen. Ähnlich wie bei Engels ließe sich da wohl festhalten, dass Hongkong in einer Zeit, in der die Volksrepublik China der Sonderverwaltungszone gerade die Daumenschrauben anzieht, deutlich mehr mit staatlicher Kontrolle über den Wissenschaftsbetrieb und autoritärer Disziplinierung der Universitäten (und der Studierenden) zu kämpfen hat als irgendein Land im EU-Europa. Das gilt natürlich nicht für Wissenschafter wie Steinhoff und sein Spezialgebiet, mit dem er so richtig bekannt wurde: Folter. In seiner Publikationsliste zieht sich das Thema über die Jahre hinweg durch: „On the Ethics of Torture“ (2013), „Legalizing Defensive Torture“ (2012), „Torture Can Be Self-Defense: A Critique of Whitley Kaufman”(2008), „Justifying Defensive Torture” (2009) usw.. Man ahnt es schon anhand der Titel: Steinhoff ist kein Foltergegner!
„Can torture be morally justified? I shall criticise arguments that have been adduced against torture and demonstrate that torture can be justified more easily than most philosophers dealing with the question are prepared to admit“ („Kann Folter moralisch gerechtfertigt sein? Ich werde die Argumente kritisieren, die gegen Folter angeführt werden und auch beweisen, dass Folter viel einfacher gerechtfertigt werden kann als das die meisten Philosophen, die sich mit diesem Thema befassen, zugeben“).
2006 hat Steinhoff diese Zeilen in „Torture – The Case for Dirty Harry and against Alan Dershowitz“ einleitend geschrieben. 2013 und 2014 hat ihm die Universität Hongkong für seine Arbeit Preise zugesprochen – dort weiß man das Werk von Steinhoff offensichtlich zu schätzen.
Beispiel 4: Heiner Rindermann
Heiner Rindermann ist ein Psychologe, der an der TU Chemnitz lehrt. Auf seine Ergebnisse in Sachen Intelligenzforschung hat sich der Rechtsaußen Thilo Sarrazin für sein Buch „Deutschland schafft sich ab“ ebenso berufen wie sein österreichischer Adept Thorsten Seifter in seiner Arbeit „Die innerartliche Variation des menschlichen Vokaltrakts und der Stimme“, die eigentlich „Rasse und Stimme“ heißen und den Rassebegriff wieder akademisch salonfähig machen sollte. Seifter, der in seiner Arbeit mehrmals positiv auf Rindermanns Bezug nimmt, ist vielleicht etwas direkter als der Chemnitzer Psychologe, der auf die Frage, wie er zu der These komme, dass Intelligenz nach Ethnien genetisch unterschiedlich verteilt sei, herumschwurbelt:
Ob sie genetisch unterschiedlich verteilt ist, wissen wir nicht so genau, also, was wir genau wissen, dass die Intelligenz sich über verschiedene Länder hinweg stark unterscheidet in ihrem Mittelwert, und wir wissen auch sehr genau, dass auf individueller Ebene hierbei neben Umweltfaktoren auch genetische Faktoren relevant sind. (Deutschlandfunk Kultur, 4.12.07)
Im gleichen Interview sagt Rindermann aber auch diesen klaren Satz: „Es gibt auf jeden Fall genetische Unterschiede zwischen den Rassen, wenn man diesen Begriff wählt, also zwischen Weißen, zwischen Schwarzen und zwischen Asiaten als die drei Großgruppen.“
2015 nimmt Rindermann in einem Beitrag mit dem bezeichnenden Titel „Wir verteidigen Europas Werte“ im Focus Magazin Nr. 43 (2015) zur Einwanderung Stellung: „Der Bildungsstandard der meisten Einwanderer aus Vorderasien und Afrika ist niedrig, ihre Fähigkeiten sind limitiert. Die Folgen werden bitter sein.“ Auch der Rest des Beitrags ist pure Polemik gegen Zuwanderung, die mit hoher Kriminalität und geringerer Intelligenz verbunden sei. Die Politik von Angela Merkel zeuge, „wenn die Folgen bedacht werden, von wenig Verantwortung für die Gesellschaft“.
Dass Rindermann mit Aussagen über den Zusammenhang zwischen Genen und wirtschaftlichem Erfolg und die Unterschiede zwischen den angeblichen Großrassen in der wissenschaftlichen Community auf Ablehnung stößt, schreibt er dem Umstand zu, dass für ihn 90 Prozent der Sozialwissenschafter*innen dem linken Spektrum zuzuordnen seien und Wissenschaft unter „Deintellektualisierung“ leide. Auch Rindermann sieht sich, so wie David Engels, von bürgerkriegsähnlichen Zuständen und von „Toten auf den Straßen, Weihnachtsmärkten, Gleisen, Dachböden und in Flüssen, in Chemnitz nur 600 Meter vom Universitätshauptgebäude entfernt“, umgeben wie er dem strammrechten Magazin „Tichys Einblick“ (17.11.2019) verriet.
Nicht nur gegen solche dystopischen Zustände und Perspektiven soll ihm das Netzwerk Wissenschaftsfreiheit helfen, sondern auch bei der Rasseforschung. Die von der Deutschen Zoologischen Gesellschaft und dem Jenaer Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte verabschiedete Jenaer Erklärung, wonach das Konzept der Rasse das Ergebnis von Rassismus und nicht dessen Voraussetzung ist, wird vom Netzwerk als Bedrohung der Wissenschaftsfreiheit gesehen und bekämpft.
Was ist aus den hier besprochenen Netzwerkern zu schließen? Ihre Freiheit meint auch die Freiheit, für autoritäre Systeme und Parteien arbeiten und gegen Demokratien, für Folter und Rassekonzepte Stellung beziehen zu dürfen. Es ist anzunehmen, dass diese Positionen nicht von allen Mitgliedern geteilt werden. Warum aber sind sie trotzdem bei diesem Netzwerk und verhalten sich ruhig? Fast 40 Wissenschafter*innen aus österreichischen Universitäten haben ebenfalls das deutlich rechtsgestrickte Manifest des Netzwerks „gegen ideologisch motivierte Einschränkungen“ unterschrieben.