Das Konzept von Rasse ist Rassismus

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Mit den von uns initi­ier­ten Recher­chen zu und der Kri­tik an der ras­sis­ti­schen Bache­lor-Arbeit an der Fach­hoch­schu­le Joan­ne­um Graz haben wir eini­ges in Bewe­gung brin­gen kön­nen. Das betrifft aber nur die Hoch­schu­len. Solan­ge Ras­sis­mus etwa in der Pro­gram­ma­tik der FPÖ fest ver­an­kert bleibt , gibt es noch genug zu tun. Jetzt haben Wis­sen­schaf­te­rIn­nen eine Erklä­rung zu Ras­se und Ras­sis­mus in der Wis­sen­schaft erar­bei­tet, die „Jena­er Erklä­rung“, die das Kon­strukt der mensch­li­chen Ras­sen auf dem Mist­hau­fen von Wis­sen­schaft und Geschich­te entsorgt.

Bei unse­ren Recher­chen zu der Bache­lor-Arbeit wur­den wir ganz wesent­lich von renom­mier­ten Wis­sen­schaf­te­rIn­nen unter­stützt (dan­ke noch­mals!). Einer von ihnen teil­te uns – nach fun­dier­ter Aus­ein­an­der­set­zung mit der Bache­lor-Arbeit – auch sei­nen Frust mit: „Wenn wir (andau­ernd) solch pseu­do-wis­sen­schaft­li­chen Schmarrn kom­men­tie­ren und kri­ti­sie­ren müss­ten, dann hät­ten wir wohl kei­ne Zeit für ande­re Sachen.“

Die „Jena­er Erklä­rung“ wur­de anläss­lich des 100. Todes­ta­ges (9.8.1919) des Zoo­lo­gen Ernst Hae­ckel, der einst in Jena gelehrt hat, von vier Wis­sen­schaf­tern erar­bei­tet und bei der Jah­res­ta­gung der Deut­schen Zoo­lo­gi­schen Gesell­schaft im Sep­tem­ber 2019 öffent­lich vorgestellt.

Ernst Haeckel, Stammbaum des Menschen

Ernst Hae­ckel, Stamm­baum des Menschen

1930 hielt übri­gens Hans F. K. Gün­ther, einer der Urhe­ber der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Ras­sen­ideo­lo­gie, sei­ne Antritts­vor­le­sung an der Jena­er Uni­ver­si­tät – in Anwe­sen­heit von Hit­ler, Göring und Heß. Es war übri­gens das ers­te und das letz­te Mal, dass Hit­ler eine Uni­ver­si­tät betrat.

Hans F. K. Günther, Vererbung oder Erziehung

Hans F. K. Gün­ther, Ver­er­bung oder Erziehung

1938 wird dann der SS-Haupt­sturm­füh­rer Ger­hard Hebe­rer in Jena Pro­fes­sor für „All­ge­mei­ne Bio­lo­gie und Anthro­po­ge­nie“. Die wis­sen­schaft­li­chen Kar­rie­ren von Gün­ther und Hebe­rer wur­den nach 1945 nur kurz­fris­tig durch Inter­nie­rungs­haft unterbrochen.

Heberer in "Nationalsozialistische Monatshefte", 1936

Hebe­rer in „Natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Monats­hef­te”, 1936

Es gibt also vie­le gute Grün­de, dass sich Wis­sen­schaf­te­rIn­nen in Jena, das qua­si der Geburts­ort der NS-Ras­sen­ideo­lo­gie war, mit dem kon­ta­mi­nier­ten Erbe die­ser Uni­ver­si­tät aus­ein­an­der­set­zen. Die Autoren Mar­tin Fischer, Ste­fan Rich­ter, Uwe Hoß­feld (Zoo­lo­gie) und Johan­nes Krau­se (Mensch­heits­ge­schich­te) haben eine fun­da­men­ta­le und wich­ti­ge Erklä­rung zu Ras­sis­mus und Ras­se geschaf­fen – die Aus­ein­an­der­set­zung mit den Ras­sis­ten ist damit lei­der noch nicht beendet.

Jena­er Erklärung 

Das Kon­zept der Ras­se ist das Ergeb­nis von Ras­sis­mus und nicht des­sen Voraussetzung

Die Idee der Exis­tenz von Men­schen­ras­sen war von Anfang an mit einer Bewer­tung die­ser ver­meint­li­chen Ras­sen ver­knüpft, ja die Vor­stel­lung der unter­schied­li­chen Wer­tig­keit von Men­schen­grup­pen ging der ver­meint­lich wis­sen­schaft­li­chen Beschäf­ti­gung vor­aus. Die vor­ran­gig bio­lo­gi­sche Begrün­dung von Men­schen­grup­pen als Ras­sen –etwa auf­grund der Haut­far­be, Augen-oder Schä­del­form –hat zur Ver­fol­gung, Ver­skla­vung und Ermor­dung von Aber­mil­lio­nen von Men­schen geführt. Auch heu­te noch wird der Begriff Ras­se im Zusam­men­hang mit mensch­li­chen Grup­pen viel­fach ver­wen­det. Es gibt hier­für aber kei­ne bio­lo­gi­sche Begrün­dung und tat­säch­lich hat es die­se auch nie gege­ben. Das Kon­zept der Ras­se ist das Ergeb­nis von Ras­sis­mus und nicht des­sen Vor­aus­set­zung. Am 9. August 2019 jähr­te sichder100. Todes­tag des Jena­er Pro­fes­sors Ernst Hae­ckel, des „deut­schen Dar­wins”, wohl des bekann­tes­ten deut­schen Zoo­lo­gen und Evo­lu­ti­ons­bio­lo­gen. Ernst Hae­ckel, der Begrün­der der Stam­mes­ge­schichts­for­schung hat durch sei­ne ver­meint­lich wis­sen­schaft­li­che Anord­nung von Menschen„rassen” in einem „Stamm­baum” in fata­ler Wei­se zu einem angeb­lich wis­sen­schaft­lich begrün­de­ten Ras­sis­mus bei­getra­gen. Die Stel­lung der ein­zel­nen Grup­pen basier­te auf will­kür­lich her­aus­ge­grif­fe­nen Merk­ma­len wie Haut­far­be oder Haar­struk­tur und deren Umset­zung in eine stam­mes­ge­schicht­li­che Sicht­wei­se. Dar­aus wur­de eine sozia­le Lese­rich­tung mit angeb­lich bio­lo­gisch höher und tie­fer ste­hen­den Men­schen­grup­pen. Karl Astel, einer der füh­ren­den natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Ras­sen­for­scher, ab 1933 Prä­si­dent des Thü­rin­gi­schen Lan­des­am­tes für Ras­se­we­sen in Wei­mar, Uni­ver­si­täts­pro­fes­sor und ab 1939 Kriegs­rek­tor der Fried­rich-Schil­ler-Uni­ver­si­tät Jena, war über­zeugt, „daß seit dem Weg­gang von Ernst Hae­ckel die Zoo­lo­gie und damit die Bio­lo­gie in Jena nicht mehr in der Rich­tung und in der Inten­si­tät an der Uni­ver­si­tät ver­tre­ten wur­de, die Hae­ckel begrün­de­te und die für den Natio­nal­so­zia­lis­mus von größ­ter Bedeu­tung“ war. Die Uni­ver­si­tät Jena soll­te wäh­rend der Zeit des Natio­nal­so­zia­lis­mus „zu einer ras­sisch ein­heit­lich aus­ge­rich­te­ten SS-Uni­ver­si­tät“ aus­ge­baut wer­den. Die von Astel immer wie­der her­vor­ge­ho­be­ne „ras­si­sche Auf­bau­ar­beit“ und Beru­fungs­po­li­tik hat­ten eine in die­ser Form wohl ein­ma­li­ge aka­de­mi­sche und wis­sen­schafts­po­li­ti­sche Kon­stel­la­ti­on mit suk­zes­si­ve vier Pro­fes­su­ren zur Ras­sen­kun­de bewirkt. Das von Ernst Hae­ckel 1907 gegrün­de­te Phyl­e­ti­sche Muse­um soll­te zudem unter Beru­fung auf ihn zum „Thü­rin­gi­schen Lan­des-und Volks­mu­se­um für Lebens­kun­de, Ras­se­we­sen und Stam­mes­ge­schich­te“ wer­den. Auch aus die­sen Grün­den trägt die Fried­rich-Schil­ler-Uni­ver­si­tät eine beson­de­re Ver­ant­wor­tung, sich mit der Fra­ge von Men­schen­ras­sen aus­ein­an­der­zu­set­zen. Trotz oder gera­de wegen der engen Ver­knüp­fung zwi­schen Ras­sis­mus und ver­meint­lich exis­tie­ren­den Ras­sen ist es Auf­ga­be der Wis­sen­schaft und damit auch einer wis­sen­schaft­li­chen Fach­ge­sell­schaft wie der Deut­schen Zoo­lo­gi­schen Gesell­schaft, nach einer mög­li­chen Rea­li­tät von Men­schen­ras­sen zu fra­gen. Dabei geht es um die Fra­ge, ob Ras­sen im Gene­rel­len und Men­schen­ras­sen im Beson­de­ren, eine bio­lo­gi­sche Rea­li­tät sind, oder aber ob es sich um rei­ne Kon­struk­te des mensch­li­chen Geis­tes han­delt. Für den ein­fluss­rei­chen bio­lo­gi­schen Sys­te­ma­ti­ker Ernst Mayr war die Exis­tenz von Men­schen­ras­sen ein „bio­lo­gi­cal fact“ (Mayr 2002), zumin­dest vor der Erobe­rung der Welt durch die Euro­pä­er. Die Begrün­dung ent­spricht der heu­te noch gän­gigs­ten Ansicht über die Exis­tenz von Ras­sen. Men­schen­ras­sen ent­spre­chen in so vie­len Kri­te­ri­en den „geo­gra­phi­schen Ras­sen“ ande­rer Arten, dass eine Alter­na­ti­ve ihm nicht mög­lich erschien, wobei Mayr sich deut­lich gegen jeg­li­chen Ras­sis­mus aus­ge­spro­chen hat. Für geo­gra­phi­sche Ras­sen (oder Unter­ar­ten) betont Mayr in der Bio­lo­gie all­ge­mein die not­wen­di­ge „taxo­no­mi­sche Unter­schied­lich­keit” zwi­schen geo­gra­phisch getrenn­ten Popu­la­tio­nen einer Art. Der Begriff Ras­se ist damit irgend­wo zwi­schen dem Begriff der Popu­la­ti­on (die auf­grund der real exis­tie­ren­den Fort­pflan­zungs­ge­mein­schaft tat­säch­lich einem Indi­vi­du­um der Wis­sen­schafts­phi­lo­so­phie ent­spricht) und der Art ange­sie­delt. Heu­te wird die­se taxo­no­mi­sche Unter­schied­lich­keit über­wie­gend aus einer gene­ti­schen Distanz bestimmt. Fest­zu­le­gen, wel­che taxo­no­mi­sche Unter­schied­lich­keit bzw. gene­ti­sche Dif­fe­ren­zie­rung aus­rei­chend wäre, um Ras­sen bzw. Unter­ar­ten zu unter­schei­den, ist aber rein will­kür­lich und macht damit auch das Kon­zept von Rassen/Unterarten in der Bio­lo­gie zu einem rei­nen Kon­strukt des mensch­li­chen Geis­tes. Das heißt nicht, dass es kei­ne gene­ti­sche Dif­fe­ren­zie­rung ent­lang eines geo­gra­phi­schen Gra­di­en­ten geben kann, doch ist die taxo­no­mi­sche Bewer­tung die­ser Dif­fe­ren­zie­rung (als Ras­se oder Unter­art oder eben nicht) will­kür­lich. Umso mehr trifft dies für den Men­schen zu, bei dem die größ­ten gene­ti­schen Unter­schie­de inner­halb einer Popu­la­ti­on zu fin­den sind und nicht zwi­schen den Popu­la­tio­nen. Dass es sich bei den Ras­sen von Haus­tie­ren um etwas ganz Ande­res han­delt, erkennt man schon an der feh­len­den geo­gra­phi­schen Glie­de­rung. Haus­tier­ras­sen sind aus­schließ­lich das Ergeb­nis mensch­li­cher Züch­tung und nicht das Ergeb­nis eines natür­li­chen, bio­lo­gi­schen Pro­zes­ses. Nur im Fall von Haus­tie­ren ist tat­säch­lich die gene­ti­sche Ähn­lich­keit (Homo­ge­ni­tät) inner­halb einer Ras­se grö­ßer als zwi­schen Ras­sen. Das Eng­li­sche ver­zich­tet hier auf den Begriff „race” und spricht von „breeds”, was dem Sach­ver­halt viel näher­kommt, der Begriff Züch­tung wäre auch im Deut­schen eher ange­bracht. Denk­sche­ma­ta des bio­lo­gisch begrün­de­ten Ras­sis­mus wie bei­spiels­wei­se die Ana­lo­gie zu Haus­tier­ras­sen­ha­ben dazu ver­führt anzu­neh­men, mit glei­chem Recht von Men­schen­ras­sen („human races“) spre­chen zu kön­nen. Das war oft ver­bun­den mit der Annah­me, dass die Ähn­lich­keit inner­halb einer ver­meint­li­chen Men­schen­ras­se wesent­lich höher sei als zwi­schen die­sen, wes­halb eine Abgren­zung mög­lich sei –im Fall des Men­schen ein bit­te­rer Trug­schluss. Die Ein­tei­lung der Men­schen in Ras­sen war und ist zuerst eine gesell­schaft­li­che und poli­ti­sche Typen­bil­dung, gefolgt und unter­stützt durch eine anthro­po­lo­gi­sche Kon­struk­ti­on auf der Grund­la­ge will­kür­lich gewähl­ter Eigen­schaf­ten wie Haar-und Haut­far­be. Die­se Kon­struk­ti­on dien­te und dient eben dazu, offe­nen und laten­ten Ras­sis­mus mit angeb­li­chen natür­li­chen Gege­ben­hei­ten zu begrün­den und damit eine mora­li­sche Recht­fer­ti­gung zu schaf­fen. Erst durch die wis­sen­schaft­li­che Erfor­schung der gene­ti­schen Viel­falt der Men­schen wur­den die Ras­sen­kon­zep­te end­gül­tig als typo­lo­gi­sche Kon­struk­te ent­larvt. Beim Men­schen besteht der mit Abstand größ­te Teil der gene­ti­schen Unter­schie­de nicht zwi­schen geo­gra­phi­schen Popu­la­tio­nen, son­dern inner­halb sol­cher Grup­pen. Die höchs­te gene­ti­sche Viel­falt fin­det sich auch heu­te noch bei Men­schen auf dem afri­ka­ni­schen Kon­ti­nent. Dort lie­gen die Wur­zeln und die meis­ten Ver­zwei­gun­gen im mensch­li­chen Stamm­baum. Auf einem die­ser Äste fal­len die Men­schen Ost­afri­kas und alle Nicht-Afri­ka­ner zusam­men. Men­schen außer­halb Afri­kas sind somit näher ver­wandt mit Men­schen aus Ost­afri­ka, wie den Had­za, als die­se mit Men­schen aus Süd­afri­ka, z.B. mit den Khoi­san. Aus stam­mes­ge­schicht­li­cher Sicht sind somit alle Men­schen Afri­ka­ner. Es ist des­halb gera­de­zu para­dox von „dem Afri­ka­ner” zu spre­chen oder aus wel­chem Grund auch immer von „Schwarz­afri­ka­ner”. Hier han­delt es sich um ein Relikt kolo­nia­ler Spra­che und Den­kens und es gilt wie­der: Ras­sis­mus macht Ras­sen. Die Haut­far­be eines Khoi­san aus Süd­afri­ka ist weni­ger pig­men­tiert als die von Men­schen, die in Süd­ost­asi­en oder in Süd­ame­ri­ka ent­lang des Äqua­tors leben. Haut­far­be spie­gelt haupt­säch­lich eine bio­lo­gi­sche Anpas­sung an den Grad der Son­nen­ein­strah­lung wie­der und vari­iert dem­entspre­chend kon­ti­nu­ier­lich mit der Strah­lungs­in­ten­si­tät auf der Erde. Die ver­meint­li­chen mensch­li­chen Ras­sen gehen auch nicht auf getrenn­te Evo­lu­ti­ons­li­ni­en zurück(einer ande­ren Vor­stel­lung der Rea­li­tät von Ras­sen, den soge­nann­ten kla­dis­ti­schen Ras­sen fol­gend). Der ana­to­misch moder­ne Mensch ent­stand vor über 250.000 Jah­ren in Afri­ka, von dort ver­brei­te­te er sich in klei­nen Grup­pen von Men­schen über die rest­li­che Welt. Die Nicht-Afri­ka­ner zweig­ten sich vor ca. 60.000 Jah­ren von den Men­schen aus dem öst­li­chen Afri­ka ab und besie­del­ten einen Groß­teil der Welt. Nicht-Afri­ka­ner unter­schei­den sich von Men­schen, die süd­lich der Saha­ra woh­nen vor allem in gene­ti­schen Spu­ren, wel­che die Ver­bin­dun­gen mit Nean­der­ta­lern und Den­is­o­va­nern hin­ter­las­sen haben. Inter­es­san­ter­wei­se wur­de nun gera­de die­ser gene­ti­sche Bei­trag unse­rer nächs­ten aus­ge­stor­be­nen Ver­wand­ten, die vor nicht all­zu lan­ger Zeit und unzu­tref­fend als tum­be, Keu­len schwin­gen­de Vet­tern cha­rak­te­ri­siert wur­den, von den „White Supre­macists“ in den USA ver­wen­det, um abgren­zend eine über­le­ge­ne wei­ße Ras­se zu defi­nie­ren. Aller­dings ist der Anteil an Genen von Nean­der­ta­lern und Den­is­o­va­nern bei Ost­asia­ten und Grup­pen in Ozea­ni­en und Aus­tra­li­en mess­bar höher als bei Euro­pä­ern und eig­net sich somit denk­bar schlecht, eine, dank Nean­der­ta­ler-Genen, „über­le­ge­ne wei­ße Ras­se“ zu defi­nie­ren. Die zahl­rei­chen und stets wie­der­keh­ren­den Migra­tio­nen haben zudem schon immer und lan­ge vor den gro­ßen Ent­de­ckungs-und Erobe­rungs­rei­sen der Euro­pä­er zu Ver­bin­dun­gen zwi­schen geo­gra­phisch ent­fern­ten Popu­la­tio­nen geführt. Anstel­le von defi­nier­ba­ren Gren­zen ver­lau­fen zwi­schen mensch­li­chen Grup­pen gene­ti­sche Gra­di­en­ten. Es gibt im mensch­li­chen Genom unter den 3,2 Mil­li­ar­den Basen­paa­ren kei­nen ein­zi­gen fixier­ten Unter­schied, der zum Bei­spiel Afri­ka­ner von Nicht-Afri­ka­nern trennt. Es gibt –um es expli­zit zu sagen –somit nicht nur kein ein­zi­ges Gen, wel­ches „ras­si­sche” Unter­schie­de begrün­det, son­dern noch nicht mal ein ein­zi­ges Basen­paar. Äuße­re Merk­ma­le wie die Haut­far­be, die für die typo­lo­gi­sche Klas­si­fi­ka­ti­on oder im all­täg­li­chen Ras­sis­mus ver­wen­det wer­den, sind eine höchst ober­fläch­li­che und leicht wan­del­ba­re bio­lo­gi­sche Anpas­sung an die jewei­li­gen ört­li­chen Gege­ben­hei­ten. Allein die Haut­far­be hat sich im Lauf der Migra­tio­nen des Men­schen immer wie­der ver­än­dert und ist dunk­ler und hel­ler gewor­den je nach­lo­ka­ler Son­nen­ein­strah­lung oder Ernäh­rungs­wei­se. So waren die Men­schen Mit­tel­eu­ro­pas bis vor 8000 Jah­ren noch stark pig­men­tiert und erst mit Beginn der Land­wirt­schaft wan­der­ten Men­schen mit hel­le­rer Haut­far­be aus Ana­to­li­en ein. Die stark pflan­zen­ba­sier­te Kost der frü­hen Acker­bau­ern bevor­zug­te Indi­vi­du­en mit hel­le­rer Haut, um im dunk­len Win­ter Euro­pas genü­gend Vit­amin D in der Haut zu pro­du­zie­ren. Die hel­le Haut­far­be der Men­schen im nörd­li­chen Euro­pa ist jün­ger als 5000 Jahre. 

Die Ver­knüp­fung von Merk­ma­len wie der Haut­far­be mit Eigen­schaf­ten oder gar angeb­lich gene­tisch fixier­ten Per­sön­lich­keits­merk­ma­len und Ver­hal­tens­wei­sen, wie sie in der Blü­te­zeit des anthro­po­lo­gi­schen Ras­sis­mus ver­wen­det wur­den, ist inzwi­schen ein­deu­tig wider­legt. Die­se Argu­men­ta­ti­on heu­te noch als angeb­lich wis­sen­schaft­lich zu ver­wen­den, ist falsch und nie­der­träch­tig. Es gibt auch kei­nen wis­sen­schaft­lich nach­ge­wie­se­nen Zusam­men­hang zwi­schen Intel­li­genz und geo­gra­phi­scher Her­kunft, aber einen deut­li­chen mit sozia­ler Her­kunft. Auch hier schafft Ras­sis­mus in Form von Aus­gren­zung und Dis­kri­mi­nie­rung die ver­meint­li­chen Ras­sen. Der Ras­sis­mus unter den Men­schen besteht jedoch wei­ter. Ras­sen­for­schung, Ras­sen­kun­de und Ras­sen­hy­gie­ne bzw. Euge­nik im 20. Jahr­hun­dert als schein­bar wis­sen­schaft­li­che Dis­zi­pli­nen waren dabei nur eini­ge Aus­wüch­se ras­sis­ti­schen Den­kens und Han­delns. Eine blo­ße Strei­chung des Wor­tes „Ras­se“ aus unse­rem Sprach­ge­brauch wird Into­le­ranz und Ras­sis­mus nicht ver­hin­dern. Ein Kenn­zei­chen heu­ti­ger For­men des Ras­sis­mus ist bereits die Ver­mei­dung des Begrif­fes „Ras­se“ gera­de in rechts­ra­di­ka­len und frem­den­feind­li­chen Milieus. Ras­sis­ti­sches Den­ken wird mit Begrif­fen wie Selek­ti­on, Rein­hal­tung oder Eth­no­plu­ra­lis­mus auf­recht­erhal­ten. Bei dem Begriff des Eth­no­plu­ra­lis­mus han­delt es sich aber um nichts wei­ter als um eine Neu­for­mu­lie­rung der Ideen der Apart­heid. Auch die Kenn­zeich­nung „des Afri­ka­ners” als ver­meint­li­che Bedro­hung Euro­pas und die Zuord­nung bestimm­ter, bio­lo­gi­scher Eigen­schaf­ten ste­hen in direk­ter Tra­di­ti­on des übels­ten Ras­sis­mus ver­gan­ge­ner Zei­ten. Sor­gen wir also dafür, dass nie wie­der mit schein­bar bio­lo­gi­schen Begrün­dun­gen Men­schen dis­kri­mi­niert wer­den und erin­nern wir uns und ande­re dar­an, dass es der Ras­sis­mus ist, der Ras­sen geschaf­fen hat und die Zoologie/Anthropologie sich unrühm­lich an ver­meint­lich bio­lo­gi­schen Begrün­dun­gen betei­ligt hat. Der Nicht­ge­brauch des Begrif­fes Ras­se soll­te heu­te und zukünf­tig zur wis­sen­schaft­li­chen Red­lich­keit gehören.

Zur Aus­ein­an­der­set­zung mit der ras­sis­ti­schen Bache­lor-Arbeit an der FH Joan­ne­um Graz:

Bericht von „Spie­gel online“
Kur­zer Bericht im sozia­len Netz­werk Solidarno
Sehr umfas­sen­der und infor­ma­ti­ver Bericht auf Bell­tower von Robert Wagner
Stel­lung­nah­me des Insti­tuts für Sprach­wis­sen­schaft an der Uni­ver­si­tät Graz
Stel­lung­nah­me der StV Sprach­wis­sen­schaft der ÖH Uni Graz
Stel­lung­nah­men der FH Joanneum:
https://www.fh-joanneum.at/presse/stellungnahme-der-fh-joanneum-zu-rassistische-bachelorarbeit-an-fh-approbiert/
https://www.fh-joanneum.at/presse/lessons-learnt-und-massnahmen/