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Der Bürgerkriegspräsident und seine Stiefeltruppen

In der ers­ten TV-Kon­­­fron­­ta­­ti­on mit sei­nem Kon­kur­ren­ten Joe Biden mach­te der amtie­ren­de Prä­si­dent Donald Trump in einer direkt adres­sier­ten Bot­schaft an die rechts­extre­men „Proud Boys“ klar, was für die Zeit vor und nach der Wahl ange­sagt ist: „Hal­tet Euch zurück und hal­tet Euch bereit“ (stand back and stand by). Viel kla­rer kann man eigent­lich nicht […]

1. Okt 2020

Fast alle Kom­men­ta­re zu der TV-Run­de gaben sich ent­setzt über die rüden Töne und beklag­ten den Ver­fall der poli­ti­schen Kul­tur, der nur Ver­lie­rer zurück­las­se. Noch immer über­wiegt die Mei­nung, die in der „Neu­en Zür­cher Zei­tung“ vom 7.September 2020 so for­mu­liert wur­de: „Die Lin­ke zeich­net eine mög­li­cher­wei­se über­zo­ge­ne und unrea­lis­ti­sche Schre­ckens­vi­si­on, dass Prä­si­dent Trump nach einer knap­pen Wahl­nie­der­la­ge ver­su­chen könn­te, gestützt auf bewaff­ne­te Pri­vat­ar­meen wei­ter­zu­re­gie­ren.“

Trump in der 1. TV-Konfrontation mit Biden: "Proud Boys, stand back and stand by!"
Trump in der 1. TV-Kon­fron­ta­ti­on mit Biden: „Proud Boys, stand back and stand by!”
Proud Boys jubeln über Trump
Proud Boys jubeln über Trump

Das war noch vor der Bot­schaft Trumps an sei­ne „Proud Boys“, aber nur eini­ge Mona­te, nach­dem er bewaff­ne­te Mili­zen in Michi­gan, Min­ne­so­ta und Vir­gi­nia auf­ge­for­dert hat­te, ihre Staa­ten zu befrei­en („Libe­ra­te!“) – von ihren demo­kra­ti­schen Gou­ver­neu­ren, die einen Coro­na-Lock-Down beschlos­sen hatten.

Schon 2017, als Rechts­extre­me aller Schat­tie­run­gen und Neo­na­zis in Char­lot­tes­ville auf­mar­schier­ten, dabei ein Neo­na­zi mit sei­nem Auto eine Gegen­de­mons­tran­tin töte­te und vie­le Men­schen ver­letz­te, woll­te sich Trump im End­ef­fekt nicht klar von dem rechts­extre­men Auf­marsch und der Gewalt dabei distan­zie­ren und erhielt dafür Applaus vom Neo­na­zi David Duke, dem vie­le Jah­re in Öster­reich leben­den frü­he­ren KKK- Guru: „Thank you Pre­si­dent Trump for your hones­ty & cou­ra­ge to tell the truth about #Char­lot­tes­ville & con­demn the lef­tist ter­ro­rists in BLM/Antifa“ (BLM= Black Lives Matter).

Patriot Prayer (Facebook)
Patri­ot Pray­er (Face­book)
Website Oath Keepers
Web­site Oath Keepers

Die Proud Boys, die über die direk­te Anspra­che und Unter­stüt­zung des Prä­si­den­ten natür­lich jubel­ten, sind nur eine der zahl­rei­chen, fast aus­schließ­lich rech­ten und rechts­extre­men Mili­zen, die – von der ver­mut­lich größ­ten, den Oath Kee­pers bis hin zu eher klei­nen wie den Patri­ot Pray­ers – nach einer Zäh­lung des Sou­thern Pover­ty Law Cen­ter im Jahr 2019 ins­ge­samt 181 bewaff­ne­te Grup­pen umfassten.

Antigovernment "Patriot" Groups 1995-2019 (SPLC)
Anti­go­vern­ment „Patri­ot” Groups 1995–2019 (SPLC): 576 extre­me anti­go­vern­ment groups that were acti­ve in 2019, down from 612 in 2018. Of the­se groups, 181 were militias.

Die rechts­extre­men Lieb­lin­ge des Prä­si­den­ten, die Proud Boys, sind ver­mut­lich eine Grup­pe mitt­le­rer Grö­ße (die Schät­zun­gen rei­chen von meh­re­ren hun­dert bis ca. 6.000 Män­ner), die 2016 vom frü­he­ren VICE-Mit­grün­der Gavin McIn­nes gegrün­det wur­de und mitt­ler­wei­le auch in Aus­tra­li­en, Groß­bri­tan­ni­en, Nor­we­gen und Kana­da prä­sent ist. Das FBI stuf­te die Grup­pe 2018 noch als extre­mis­tisch ein, redu­zier­te die Ein­stu­fung dann aber auf eini­ge Kader. Ideo­lo­gisch geben sich die Proud Boys als mode­ra­te Rechts­extre­me, wer­den dar­um auch oft als Alt Lite (im Unter­schied zu Alt Right) bezeich­net. Eine Camou­fla­ge, denn die Proud Boys zeich­nen sich nicht nur durch eine offe­ne Miso­gy­nie höhe­ren Gra­des, Isla­mo­pho­bie, Homo­pho­bie und Ras­sis­mus aus, son­dern auch durch ihre Gewalt­be­reit­schaft. Wer in die Grup­pe auf­ge­nom­men wer­den will, hat einen mehr­stu­fi­gen Initia­ti­ons­ri­tus zu absol­vie­ren, bei dem dann „ im Sin­ne der Sache“ eine Schlä­ge­rei ange­zet­telt wer­den muss. Vom Sou­thern Pover­ty Law Cen­ter erhiel­ten sie des­halb auch die Bezeich­nung „Face­books Fight Club“.

Die­se Bezeich­nung hat sich mitt­ler­wei­le inso­fern erle­digt, weil die Kon­ten der Proud Boys 2019 von Face­book, Insta­gram und auch Twit­ter gesperrt wur­den. Weil sich die Proud Boys mit schwar­zen T‑Shirts mit gel­ben Strei­fen der Tex­til­mar­ke Fred Per­ry uni­for­mie­ren, hat die Fir­ma jetzt bekannt­ge­ge­ben, die Pro­duk­ti­on die­ser Shirts ab sofort ein­zu­stel­len. Es sei unglaub­lich frus­trie­rend, wenn Fred Per­ry mit die­ser Grup­pe in Ver­bin­dung gebracht wer­de, heißt es in einer Erklä­rung der Fir­ma.

Statement Fred Perry zu Proud Boys
State­ment Fred Per­ry zu Proud Boys

Obwohl die Proud Boys bzw. ihre Akti­vis­ten immer häu­fi­ger durch Gewalt­ak­tio­nen auf­fal­len, hat die Orga­ni­sa­ti­on auch eine eige­ne para­mi­li­tä­ri­sche Unter­or­ga­ni­sa­ti­on, „Fra­ter­nal Order of Alt Knights“ (FOAK).

Auch wenn sich die Umge­bung des Prä­si­den­ten sofort nach Trumps Ermu­ti­gung an die Proud Boys bemüh­te, den Spruch als Ver­spre­cher zu inter­pre­tie­ren, weil sei­ne Inten­ti­on eigent­lich eine Ver­ur­tei­lung der Grup­pe gewe­sen sei: Es gibt eine ziem­lich kla­re Posi­ti­on des US-Prä­si­den­ten zu Rechts­extre­mis­mus, Ras­sis­mus und „White Supre­ma­tism“, zu rechts­extre­men Mili­zen und auch zu rechts­extre­mer Gewalt. Die war schon vor sei­nem Amts­be­ginn erkenn­bar, erreich­te mit der Bestel­lung des Rechts­extre­mis­ten Ste­ve Ban­non zu sei­nem stra­te­gi­schen Bera­ter einen ers­ten alar­mie­ren­den Höhe­punkt und hält über ver­schie­de­ne Ereig­nis­se (Char­lot­tes­ville, Michi­gan) und ras­sis­ti­sche (bzw. sexis­ti­sche) Sprü­che jetzt bei dem offe­nen Zuspruch an eine rechts­extre­me, faschis­ti­sche Miliz Zwi­schen­sta­ti­on (CNN beschreibt und kom­men­tiert das hier) .

Trump hat bereits mehr­fach deut­lich gemacht, kei­nes­wegs eine fried­li­che Amts­über­ga­be garan­tie­ren zu wol­len. Zumin­dest der Jour­na­list, der ihn danach gefragt hat, hat kei­nen Zwei­fel mehr: „Donald Trump setzt sich für den Bür­ger­krieg ein.“ Jetzt hat Trump dafür auch sei­ne Stie­fel­trup­pen nominiert.

Journalist Brian J. Karem: "This is the most frightening answer I have ever received to any question I have ever asked. I’ve interviewed convicted killers with more empathy. @realDonaldTrump is advocating Civil War."
Jour­na­list Bri­an J. Karem: „This is the most frigh­tening ans­wer I have ever recei­ved to any ques­ti­on I have ever asked. I’ve inter­view­ed con­vic­ted kil­lers with more empa­thy. @realDonaldTrump is advo­ca­ting Civil War.”