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Die Särge von New York und Bergamo

Die rechts­extre­me Initia­ti­ve „Hei­mat & Umwelt“, die für Sams­tag, 26.9. ganz Öster­reich zur Groß­de­mons­tra­ti­on in Wien gegen eine Coro­­na-Dik­­ta­­tur auf­ge­ru­fen hat, konn­te nur eini­ge hun­dert Men­schen auf dem Hel­den­platz ver­sam­meln. Die „Omas gegen Rechts“ haben unter dem Mot­to „Abstand hal­ten gegen Rechts“ gegen die­sen Auf­marsch von Rechts­extre­men und Ver­schwö­rungs­murm­lern, die hef­ti­ge Fake-News und Lügen von […]

2. Okt 2020
Särge in Bergamo-Kirche (Vatikan News)
Särge in Bergamo-Kirche (Vatikan News)

War­um eini­ge der ange­sag­ten Redner*innen nicht auf der Büh­ne auf­tauch­ten, wur­de von Inge Rauscher nicht erklärt. Dafür erzähl­te sie in ihrer ein­lei­ten­den und lang­at­mi­gen Rede, sie habe Indi­zi­en, dass die Coro­na-Dik­ta­tur von lan­ger Hand geplant wor­den sei. Wie genau, von wem und war­um, das spar­te Rauscher gekonnt aus.

Einer der ver­blie­be­nen Red­ner, der Tier­arzt Plank, war sich jeden­falls ganz sicher, dass es sich bei Sars-CoV2 um ein „ima­gi­nä­res Virus“ hand­le, weil es bis­her noch nie­mand gese­hen habe. Der schon seit vie­len Jah­ren am rech­ten Rand ange­sie­del­te und vor zehn Jah­ren aus der ÖVP aus­ge­schlos­se­ne Chef des Wie­ner Aka­de­mi­ker­bun­des Chris­ti­an Zeitz schluss­fol­ger­te daher: „Die­se Pan­de­mie exis­tiert real nicht – sie ist eine Fiktion.“

Um das zu bele­gen, griff Zeitz in sei­ner Rede aller­dings zu Behaup­tun­gen, die schon längst und zwar sehr ein­deu­tig wider­legt wor­den sind. Zeitz:

Vie­le von Euch haben gese­hen, wie die­se Hor­ror­zah­len über die Ver­ei­nig­ten Staa­ten und New York gekom­men sind, dass es angeb­lich so schlimm war, dass die Toten nicht recht­zei­tig besei­tigt wer­den konn­ten. (…)  Da hat man Bil­der gese­hen, wo die Leu­te ver­scharrt wor­den sind im Cen­tral Park. Die­ses Bild ist rund um die Welt gegan­gen. Wisst Ihr, woher die­ses Bild tat­säch­lich gestammt hat? Aus dem Film Con­ta­gi­on 2011. (…) Das ist eine der vie­len Lügen, mit denen wir gequält wor­den sind.

Die Fak­ten zu New York und den angeb­li­chen Toten im Cen­tral Park

In den bis­her schlimms­ten Tagen star­ben in New York täg­lich mehr als 700 Per­so­nen an und mit dem Coro­na-Virus. Weil die Bestat­tungs­in­sti­tu­te hoff­nungs­los über­las­tet waren, wur­den Tote vor Spi­tä­lern in Kühl-LKWs „zwi­schen­ge­la­gert“. In die­ser Pha­se erklär­te ein städ­ti­scher Beam­ter, dass man über­le­ge, Tote vor­über­ge­hend in öffent­li­chen Parks zu bestat­ten. Der New Yor­ker Bür­ger­meis­ter Bill de Bla­sio erklär­te dazu, dass es sol­che Über­le­gun­gen gäbe, aber die­ser Punkt noch nicht erreicht sei. Tat­säch­lich kam es nie zu einer Bestat­tung in öffent­li­chen Parks – und daher auch nicht im Cen­tral Park.

Erik Frampton New York Kühllaster (YouTube)
Erik Framp­ton New York Kühl­las­ter (You­Tube)
Erik Frampton war Leichenkontrollor in Kühllastern von New York (Facebook Erik Frampton)
Erik Framp­ton war Lei­chen­kon­trol­lor in Kühl­las­tern von New York (Face­book Erik Frampton)

Fakt ist, dass auf der Insel Hart Island, auf der seit vie­len Jah­ren anony­me, mit­tel­lo­se und ohne Ange­hö­ri­ge Ver­stor­be­ne aus New York in Grä­bern eines rie­si­gen Armen­fried­hofs („Potter’s Field“) ruhen, in den kri­ti­schen Wochen mehr Tote als üblich bestat­tet wur­den. Fotos von die­sen Bestat­tun­gen kur­sier­ten welt­weit in den Medi­en. „Lei­ter von Lei­chen­schau­häu­sern sag­ten der ‚New York Times‘, dass alle Coro­na­vi­rus-Toten, deren Kör­per nicht inner­halb von zwei Wochen von Ange­hö­ri­gen bean­sprucht wer­den, zumin­dest vor­über­ge­hend auf der Insel begra­ben wer­den sol­len.“ (tagesspiegel.de, 11.4.20)

Ins­ge­samt wur­den in den kri­ti­schen 16 Wochen dort 894 Tote (nicht nur an Coro­na Ver­stor­be­ne!) beer­digt, berich­tet Wiki­pe­dia im Ein­trag zu Hart Island. Das wäre zwar eine deut­li­che Erhö­hung in die­sen Wochen, aber – gemes­sen an den Coro­na-Toten für den Bun­des­staat New York, wo bis jetzt fast 33.000 Coro­na-Tote gezählt wur­den – doch rela­tiv weni­ge. Hier auch ein Bericht von Mimi­ka­ma dazu.

Zeitz holt aber noch zu einer wei­te­ren dreis­ten Lüge aus:

Wisst Ihr woher das Bild aus Ita­li­en stammt, wo die Sär­ge, die auf­ge­schlich­tet waren in Reih und Glied, her waren? Das ist ein Schiffs­un­glück vor zir­ka 10 Jah­ren gewe­sen und das hat man unun­ter­bro­chen rund um die Welt pene­triert, damit man sich vor­stel­len möge, wie schlimm die Situa­ti­on in der Zwi­schen­zeit ist. Das sind die Lügen, mit denen wir unun­ter­bro­chen heim­ge­sucht und gequält wer­den.

Die Fak­ten zu den angeb­lich gefälsch­ten Bil­dern aus Italien

Beim „Schiffs­un­glück“, des­sen genaue Zuord­nung Zeitz wohl nicht zufäl­lig ver­schweigt, han­delt es sich um die Kata­stro­phe vor Lam­pe­du­sa, wo bei einem Boots­un­glück 2013 min­des­tens 366 Flücht­lin­ge ums Leben kamen (der ent­spre­chen­de Ein­trag auf Wiki­pe­dia ist lesens­wert). Fotos von den Sär­gen „in Reih und Glied“ aus Lam­pe­du­sa gibt es tat­säch­lich und auch sol­che, mit denen die ARD beschul­digt wur­de, die­se Fotos aus Lam­pe­du­sa als Coro­na-Tote in Nord­ita­li­en 2020 aus­ge­ge­ben zu haben. Das ist nach­weis­lich falsch, vom ARD-Fak­ten­fin­der eben­so wider­legt wie von Cor­rec­tiv oder auch Mimi­ka­ma. Es gibt aller­dings auch Posts auf Face­book aus dem März 2020, in denen mit Fotos von Lam­pe­du­sa auf­ge­for­dert wur­de, zuhau­se zu blei­ben. Cor­rec­tiv hat damals zeit­na­he auf die die gefälsch­ten Fotos hingewiesen.

Särge in Bergamo-Kirche (Vatikan News)
Sär­ge in Ber­ga­mo-Kir­che (Vati­kan News)
Kirche in Bergamo mit Särgen (SN 18.4.20)
Kir­che in Ber­ga­mo mit Sär­gen (SN 18.4.20)

Fakt ist, dass in den Mona­ten März und April 2020 in bestimm­ten Regio­nen Ita­li­ens und Spa­ni­ens Tau­sen­de Men­schen an und mit Coro­na ver­stor­ben sind. Die Bil­der mit Sär­gen in Kir­chen von Ber­ga­mo und jene von der Madri­der Eis­hal­le waren nicht gefälscht. Dort wur­den Coro­na-Tote eben­so „zwi­schen­ge­la­gert“ wie in den Kühl­las­tern in New York. Die­se Fak­ten haben kei­ne Lügen notwendig.

Madrider Eishalle als Leichenhaus (Kleine Zeitung, 24.3.20)
Madri­der Eis­hal­le als Lei­chen­haus (Klei­ne Zei­tung, 24.3.20)
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