Das Setting am 16. Jänner 2020: Öffentliche Diskussion der SpitzenkandidatInnen für den Gemeinderat in Melk. Am Podium: Der ÖVP-Bürgermeister, SPÖ, Grüne und mit Josef Sulzberger, der Listenvierte der FPÖ, der den Spitzenkandidaten Thomas Gruber denk-würdig vertrat.
Nach etwa 45 Minuten Diskussionzeit (1) fragt der Moderator nach der Affäre Martin Huber, jenem ehemaligen freiheitlichen Klubchef im niederösterreichischen Landtag, der just an einem 20. April einen „Herzlichen Glückwunsch an jene die heute Geburtstag haben“ auf Facebook deponierte und dafür in der FPÖ seinen Hut nehmen musste. Weiters Thema: der abwesende FPÖ-Spitzenkandidat Thomas Gruber, der zusammen mit anderen blauen Kunstfans der speziellen Art – Karl Helm (Loosdorf), Stefan Koch (Hofamt Priel) und Ernst Suttner (Göllersdorf) – ein tischlerisches „Kunstwerk“ mit Schwarzer Sonne und Irminsul gelikt hatte. „‚Ich habe nur die künstlerische Arbeit eines Bekannten, den ich sehr schätze, beurteilt‘, betont Helm. Melks Gemeinderat Thomas Gruber weist die Vorwürfe entschieden zurück: ‚Es ist völlig absurd, mich ins Nazi-Eck zu stellen. Ich werde mich gegen diese Unterstellungen zur Wehr setzen.’“ (noen.at, 24.9.19)
In der NÖN-Diskussion schaffen es alle KandidatInnen, ein klares Bekenntnis gegen braune Umtriebe abzulegen, nur einer nicht: der FPÖ-Kandidat Sulzberger. Denn der betont, Grubers Sympathie für die „Schwarze Sonne“ sei kein Gemeinderatsthema und überhaupt: „Wenn man jetzt sagt ‚Schwarze Sonne’ – viele dieser Zeichen, es wird so getan, als würden diese Zeichen erst unterm Nationalsozialismus entstanden sein. Diese Zeichen gehen auf die Jungsteinzeit zurück [Reaktionen aus dem Publikum]– jo, is jo so, jo sicha.“ Sulzberger bleibt uns schuldig, woher er diesen Unsinn bezogen hat, aber auf die Frage, warum man sich so schwer tue, sich von diesem Thema abzugrenzen, wird er selbst zum Zeugnis für die These des Moderators. „Die Zeichen können ja nichts dafür, dass sie der Nationalsozialismus gebraucht hat. Wenn man jetzt von Opferzahlen hergeht, dann könnte man den fünfzackigen Stern, den die Sowjetunion und viele sozialistischen Länder haben und Amerika auch heranziehen.“ Da hätten wir doch wieder die Schuldabwehr gepaart mit Antikommunismus und Antiamerikanismus. Das kommt uns irgendwie bekannt vor, wenn wir an die braune Literatur und die Stammtischargumente der Tätergeneration denken.
Nachdem wir mit Sulzberger geklärt hätten, dass Grubers „Schwarze Sonne“ ganz unverdächtig aus der Jungsteinzeit stammt und eine Distanzierung von den Mordtaten des Nationalsozialismus dem Kandidaten auf Platz vier nicht über die Lippen kommt, weil er lieber über den „fünfzackigen Stern“ reden will und das ganze überhaupt kein Gemeinderatsthema sei und vielleicht dann „wenn ein wahres Bekenntnis zum Antikommunismus vorliegt“, gehen wir zum sechstgereihten auf der Melker Liste: Niklas Maier. Der will, so lesen wir im Wahlfolder, die „direkte Demokratie fördern“. Kennen wir von den Freiheitlichen, nennen sie auch Volkswillen, wobei unter „Volk“ natürlich nur das „einheimische“ gemeint ist, „die Seppis, die Peppis, die Walters, die Geralds“ (© Harald Vilimsky).
Niklas hat zwar seinen Facebook-Account inzwischen etwas aufgeräumt, aber er ist uns schon im August 2018 aufgefallen, als wir seinen Namen als Fan der Neonazi-Seiten „Thing-Kreis Themar“ und „Unwiderstehlich Österreich“ entdeckt hatten. Der thüringische „Thing-Kreis“ ist hierzulande eher unbekannt, aber der Feinspitz Niklas aus Niederösterreic, der scheint sich auszukennen; das Thing-Kreis-Führungsduo Angela Schaller und Axel Schlimper bewegt sich unverhohlen in einer Gemeinschaft von Holocaustleugnern und ließ auch auf der inzwischen gelöschten Facebook-Seite keine Zweifel offen, wo ihr „Kreis“ ideologisch zu verorten ist.
Aber Maier ist auch Fan von „Unwiderstehlich“, über die wir 2017 berichtet hatten:
Die Gruppe vertritt offen rassentheoretische sowie antisemitische Positionen, propagiert Gewalt als politisches Mittel und lehnt die Demokratie ab. „Unwiderstehlich“ „bekennet sich zum Deutschtum“ und sieht Frauen allem voran als Mütter, die für den „Erhalt unserer Art“ zu sorgen haben. Hitler ist für sie „ein großer Sozialrevolutionär“, die amerikanische Neonazi-Seite „The Daily Stormer“ eine „judeo-kritische Informationsplattform“. Und am 8. Mai, dem Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus titeln sie „Wir kapitulieren nie“. Kurzum: Sie erfüllen jedes denkbare Kriterium des Neonazismus.
Da passt dazu, dass sich Maier, der 2018, als wir seinen FB-Account durchstöberten, gerade beim Bundesheer war, auch sich selbst zum Kampf berufen sah: „Wann mobilisiert sich der Nationale Widerstand in Österreich? Erst dan wen es in Wien so aussieht wie in Hamburg ? Wir sollten etwas tun bevor es so weit ist !“, postet Maier in die ebenfalls sehr einschlägige FB-Gruppe „Freiheitliche Widerstandsbewegung“. Auf das Bedauern von Renate, „es gibt bei uns keine Männer…..nur Angsthasen…..!!!“, repliziert der damals 20-jährige wackere Niklas: „Ja traurig alle die bereit dafür sind dürfen mich gerne adden“
Niklas mag, wie er uns via Postings aus 2019 wissen lässt, nicht nur Neonazi-Seiten, sondern scheint auch ein Faible für Neonazi-Bands zu haben, darunter „Leichenzug“, „Burzum“ und die immer wieder mit Rechtsextremismusvorwürfen konfrontierte Band „Varg“.
Ah ja, da wäre noch ein Porträt vom jungen Niklas, samt Runen, Baum und Rabe. Aber damals war er vielleicht noch unschuldiger Harry Potter-Fan und ist erst danach in eine etwas falsche Richtung abgebogen – vielleicht in die Jungsteinzeit Marke Sulzberger.
Die FPÖ will den Fall intern prüfen, wie es im Standard heißt, der unsere Recherchen aufgegriffen und nachgefragt hat. Die Melker und Melkerinnen sollten die Kandidat*innen schneller prüfen, nämlich bevor sie am Sonntag ihren Gemeinderat wählen.
Update 25.1.: Der FB-Account von Niklas Maier ist offline.
➡️ Bericht der Niederösterreichischen Nachrichten (24.2.20; Paywall): Schon wieder ein „Einzelfall“ um FPÖ im Bezirk Melk
1 Video abrufbar unter https://www.facebook.com/spoe.melk/videos/466703737333541 (ab 49′30″)