Am 27. Juli dieses Jahres stellte Siegfried M. seine mit Antisemitismus gespickte Schmutzkübelphantasie zu Sebastian Kurz auf einem seiner Blogs online. Die genaue Uhrzeit geht aus dem Blog nicht hervor, aber schon zu Mittag desselben Tages waren mehrere Redaktionen so mit Infos zu Siegfried M. versorgt, dass diese mit reisserischen Berichten online gehen konnten: die „Kleine Zeitung“ etwa um 12.18h, die „Krone“ um 12.58.06h.
Die „Kleine Zeitung“ konnte da etwa schon über eine „Spur nach Deutschland“ zu einem mysteriösen „Arbeitskreis NSU“ und über ein Telefonat der APA mit Siegfried M. in Thüringen berichten, worin dieser alle seine Schmuddelgerüchte als „durch Zeugen belegt“ behauptete. Die APA-Meldung „ÖVP beklagt neue Schmuddelseite über Kurz“ war um 12.02h erschienen.
Eine bessere Werbung für seine braunen Schlammseiten hätte sich Siegfried M. gar nicht erträumen können. Den österreichischen Behörden ist der in Thüringen lebende M. seit geraumer Zeit bekannt, wie „profil“ vom 4.8.2019 in einer Recherche zu Siegfried M. („Warum wurde ein amtsbekannter rechtsradikaler Verschwörungstheoretiker zum Wahlkampfthema?“ ) berichtete. Mehrere von Siegfried M. in früheren Beiträgen denunzierte oder auch als „MitarbeiterInnen“ behauptete Personen hatten sich an die Behörden gewandt: „Das BVT erklärte auf wiederholte Anfrage, dass aufgrund des Tatortzuständigkeitsprinzips die deutschen Kollegen zuständig seien. Anzeigen bei Polizei und Staatsanwaltschaft liegen seit Monaten vor.“
Siegfried M. ist also seit geraumer Zeit den österreichischen Behörden amtsbekannt. Passiert ist trotz Anzeigen scheinbar nichts. Das Tatortzuständigkeitsprinzip wurde deshalb als Argument für die behördliche Untätigkeit angeführt, weil Siegfried M. eigentlich Österreicher ist, der seine Sudelseiten aber aus seinem Wohnort in Thüringen befüllt. So einfach ist das – ist das so einfach? Wenn dem tatsächlich so wäre, dann wäre die ÖVP auf einer anderen Ebene gefordert, um Lücken in der Ermittlung und Strafverfolgung von braunen Hetzern und Verschwörungsheinis zu schließen.
Siegfried M. hat auf seinen diversen Blogs so ziemlich alle Parteien Österreichs und Deutschlands mit irgendwelchen kriminellen Machenschaften in Verbindung gebracht – mit Vorliebe im Bereich Pädophilie und (Kindes)Mord, vermischt mit antisemitischen Anspielungen. Faktisch jede seiner Geschichten ist diffamierend. Sogar den zunächst als Freund und Gesinnungsgenossen vorgestellten Neonazi Karl Heinz Hoffmann, den früheren Chef der berüchtigten Wehrsportgruppe, belegt er mit dem Vorwurf, ein feiger Judengünstling zu sein, in dessen Gegenwart seine antisemitischen Äußerungen unerwünscht seien: „Hoffmann warnt vor Antisemitismus, und zwar aus finanziellen Gründen. Zwar kennt er den Juden, meint aber, es sei unendlich teuer und ‚stünde nicht dafür’ dem Juden und dem Judenknecht die Wahrheit ins Gesicht zu sagen.“
In einem seiner Beiträge berichtet er über ein Gespräch, das er mit der Rechtsextremismus–Expertin der Partei „Die Linke“ im Sächsischen Landtag über die Vorladung von Mitgliedern des (rechtsextremen) „Arbeitskreis NSU“ (bei dem Siegfried M. angeblich zeitweise dabei war) in den Untersuchungsausschuss zum NSU geführt habe.
Wir haben Kerstin Köditz um eine Stellungnahme zu diesen Behauptungen von Siegfried M. gebeten, weil wir so in Erfahrung bringen wollten, ob und inwieweit Siegfried M. in der rechtsextremen Szene Deutschlands bekannt ist. Kerstin Köditz antwortete uns, dass er ihr persönlich nie begegnet sei, sie aber von einer Person gleichen Namens wisse, die als vorgeblicher NSU-„Whistleblower“ sogar schon Auftritte im Fernsehen hatte.
Weiters schreibt sie wörtlich:
„Begegnet bin ich dieser Person nie. Die im Beitrag geschilderte angebliche Begegnung mit mir ist also frei erfunden. Es gab auch nie ‚Planungen über die Vorladung bestimmter Mitglieder des Arbeitskreis NSU’ in den sächsischen NSU-Untersuchungsausschuss. (Auch die weitere Behauptung bzgl. meiner angeblich unauffindbaren Diplomarbeit ist erfunden; tatsächlich habe ich eine Magisterarbeit verfasst.)
Womöglich gab es aber einen Auslöser für diese seltsame Phantasie: Wir haben tatsächlich einen Beweisantrag bzgl. ‚Arbeitskreis NSU’ gefasst. Noch bevor der Antrag beschlossen wurde – und als er lediglich den Ausschussmitgliedern bekannt sein konnte – wurde dies dem ‚Arbeitskreis NSU’ bekannt. Auch in anderen Bundesländern sind wohl Informationen in diese Richtung ‚abgeflossen’.“
Was die aus dem Untersuchungsaussschuss „in Richtung des rechtsextremen ‚Arbeitskreis NSU’ abgeflossenen“ Informationen betrifft, gibt es wohl nur eine Partei (in Sachsen), die in dieser Richtung nicht dicht ist.
Was Siegfried M. und seine Diffamierung von Kurz betrifft, ist uns trotz der erheblichen öffentlichen Empörung der ÖVP nichts von einer Anzeige oder der Forderung nach beschleunigten Ermittlungen gegen den braunen Dreckschleuderer bekannt.