Wir erinnern uns: Im April 2017 veröffentlichte der Tiroler Politaktivist Markus Wilhelm auf seinem Blog dietiwag.org sehr seltsame Geburtstagsgrüße ins braune Jenseits: Am 20. April gratulierte Franz Schardinger – damals Mitglied der FPÖ-Bezirksparteileitung – dem 1945 glücklicherweise verblichenen GröFaZ mit dem Bild einer Geburtstagstorte.
Die FPÖ reagierte prompt und schloss Schardinger aus, der seinerseits eine Erklärung auf seinem mittlerweile gelöschten FB-Account vom Stapel ließ, die von wenig Einsicht zeugte: „Natürlich war es nicht klug, aber wäre ich kein FPÖ Mitglied gewesen, würde es niemanden interessieren da solche Fotos zu 1000en im sozialen Netzwerk zu finden sind. Natürlich ist es für den politischen Gegner ein gefundenes fressen hier die berühmte NAZIKEULE auszupacken.“ (Fehler im Original)
Umso überraschender war im Juni 2017 die Nachricht über die Einstellung des Verfahrens gegen Schardinger:
Aufgrund der vorliegenden Ermittlungsergebnisse ist dem Beschuldigten jedoch nicht mit der für eine strafrechtliche Verurteilung durch ein Geschworenengericht notwendigen Gewissheit nachzuweisen, dass die gegenständlichen Tathandlungen von dem Vorsatz getragen waren, (zumindest) eine der spezifischen Zielsetzungen der NSDAP zu neuem Leben zu erwecken oder zu propagieren und solcherart zu aktualisieren. Im Zuge der gegenständlichen Ermittlungen kamen nämlich keine ein Handeln mit Wiederbetätigungsvorsatz indizierenden Beweisergebnisse für eine rechtsradikale Gesinnung des in der Vergangenheit noch nie wegen Taten im Zusammenhang mit dem Verbotsgesetz 1947 (oder anderer politischer Delikte) in Erscheinung getretenen Beschuldigten zutage. Allein die Tatsache, dass Franz Schardinger zum Tatzeitpunkt noch Bezirksparteileitungsmitglied einer politisch dem rechten Lager zuordenbaren Partei war, rechtfertigt nicht die Annahme, dass die gegenständlichen Postings Ausfluss einer rechtsradikalen Geisteshaltung des Beschuldigten waren, weshalb die Verantwortung des Beschuldigten unter Berücksichtigung der Aufmachung der von ihm veröffentlichten Abbildung von Adolf Hitler, dass es sich dabei seiner Meinung nach erkennbar um Satire gehandelt, er bei der Veröffentlichung besagter Postings sinngemäß ohne Hintergedanken gehandelt habe und sich der Tragweite seines Verhaltens nicht bewusst gewesen sei, nicht zu widerlegen sein wird. Aufgrund dieser Erwägungen war das Ermittlungsverfahren gegen Franz Schardinger mangels Nachweisbarkeit der inneren Tatseite gemäß Paragraph 190 Z2 StPO einzustellen.
Es fehlte also laut Staatsanwaltschaft an der Nachweisbarkeit von Schardingers rechtsradikaler Geisteshaltung. Ein Blick auf seine weiteren Facebook-Aktivitäten hätte jedoch genügt, um dessen „Geisteshaltung“ zu verorten. Wir haben uns damals – offenbar im Gegensatz zu Polizei bzw. Staatsanwaltschaft – mehr als das eine angeblich satirisch gemeinte Posting von Schardinger angesehen. Schon alleine seine Mitgliedschaften in diversen rechtsextremen/verschwörungstheoretischen Facebook-Gruppen (manche davon wurden inzwischen von Facebook entfernt bzw. stillgelegt) hätten Hinweise auf Schardingers politische Gesinnung geben können: „Die Patrioten“, „Die Runde“, „Jetzt spricht das österreichische Volk!!!“ usw.
Auch ein weiterer Kommentar im selben Thread wie die Geburtstagstorte lässt keine Satire erkennen:
Nun aber kommt es: In der Oberländer Rundschau vom 3.10.18 war zu lesen:
Wegen 14 weitergeleiteten Bildern mit teilweise NS-verherrlichendem Inhalt stand vergangenen Freitag ein Angeklagter aus dem Oberland im Schwurgerichtssaal am Landesgericht Innsbruck.
Adolf Hitler im Gewand von Andreas Hofer und der Bezeichnung ‚Undercover-Boss’, Wortspiele hinsichtlich der Gaskammern des Dritten Reiches sowie ein Badezimmer in den Farben der deutschen Reichkriegsfahne mit der Bemerkung ‚Es gibt noch gute Fliesenleger’ — worüber in einschlägigen Kreisen möglicherweise gelacht wird, fand die Staatsanwältin vergangenen Freitag im Schwurgerichtssaal ‚nicht lustig, sondern abstoßend’. Insgesamt 14 solcher Bilder soll der 39-jährige, im Oberland lebende Angeklagte per ‚WhatApp’-Nachrichtendienst an einen Bekannten weitergeleitet haben. ‚Als Satire gedacht’, rechtfertigte sich der gebürtige Salzburger damals gegenüber den Polizeibeamten.
Beim Wort „Satire“ musste unsereins bereits stutzig werden, beim nachfolgenden Teil war klar, wer da vor dem Innsbrucker Schwurgericht stand:
Der Angeklagte ist nicht vorbestraft, der Justiz aber nicht unbekannt. Nach Facebook-Geburtagsgrüßen an Adolf Hitler geriet das ehemalige FPÖ-Mitglied im April 2017 ins Visier von Schlagzeilen und eines Ermittlungsverfahrens. Eine Durchsuchung von Wohnung und Mobiltelefon förderte nichts zutage, worauf das Verfahren wieder eingestellt wurde. Erst als ein anderer Mann die Aufmerksamkeit des Verfassungsschutz erregte, wurden die 14 Bilder in einem Chat-Verlauf entdeckt — versandt vom Angeklagten, im Kontaktverzeichnis abgespeichert unter ‚Franz aus Braunau’. Er kenne den Mann und habe mit ihm kommuniziert, bestätigt der 39-Jährige. Der Beiname beziehe sich aber nicht auf seine Gesinnung, sondern auf einen früheren Wohnort. Die Konsequenzen des Postings wie Arbeitsplatz-Verlust, Parteiausschluss und Beschimpfungen spüre er immer noch, die Geschichte habe ihn aber umdenken lassen, so der Angeklagte. Erkenntnis und Abkehr befand auch die Staatsanwaltschaft als glaubwürdig. Es gebe selten solche Angeklagte und man müsse ‚goutieren, wenn jemand seine Fehler selbst einsieht’, betont die Staatsanwältin.
URTEIL. Für schuldig befunden wurde der Angeklagte schließlich in sechs von 14 Punkten. Das Strafmaß beläuft sich auf eine kombinierte Geld- und Haftstrafe von unbedingten 2.400 Euro und zehn Monaten, bedingt auf drei Jahre. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.“ (Oberländer Rundschau Nr. 40/2018, 3.10.18, S. 3)
Und von diesem Fall kommen wir direkt zu Wolfgang Neururer: „Erst als ein anderer Mann die Aufmerksamkeit des Verfassungsschutz erregte, wurden die 14 Bilder in einem Chat-Verlauf entdeckt.“
Elf Monate nach Schardingers Hitler-Geburtstagsgrüßen veröffentlichte Markus Wilhelm Handy-Bilder und Nachrichten aus einer Whatsapp-Gruppe der FPÖ Imst. Namentlich genannt waren Wolfgang Neururer, damals FPÖ-Bezirksparteiobmann und die geschäftsführende Ortsparteiobfrau der FPÖ Imst, Brigitte Gröber. Die von Neururer eingerichtete Gruppe trug laut Oberländer Rundschau den klingenden Namen „Unser Kampf“, der insgesamt vier Mitglieder aus der FPÖ Imst angehört haben sollen.
Wolfgang Neururer musste sich am 10. Oktober im Landesgericht Innsbruck wegen des Vorwurfs der Wiederbetätigung verantworten. Er wurde zu einer relativ hohen Strafe verurteilt: 24 Monate, davon 8 Monate unbedingt. Das Ausmaß hat Neururer seinen Vorstrafen wegen Betrug und Unterhaltsverletzung (meinbezirk.at, 12.10.18) zu verdanken.
„Laut Medien heißt es die FPÖ Bezirk Imst sei bedeutungslos geworden. Das stimmt so nicht. Wir sind dabei, den Bezirk neu aufzubauen.“ (Facebook-Eintrag FPÖ Bezirk Imst, 13.10.18)
Wir empfehlen beim Aufbau des Bezirks (gemeint ist vermutlich die Bezirksgruppe, aber Größenwahn scheint zuweilen auch ein Merkmal der FPÖ sein) genau hinzusehen, wer da nun in welche Funktionen gehievt bzw. behalten wird, denn im Prozess gegen Neururer war zu vernehmen: „Sehr wohl ermittelt worden sei gegen die übrigen Gruppenmitglieder. ‚Es hat auch schon Verfahren gegeben – ob noch weitere folgen werden, kann ich nicht sagen’ so Sutter (Anmk. Leiter Medienstelle LG Innsbruck).“ (Oberländer Rundschau) Wer weiß, auf wessen Handys weitere eindeutige Nachrichten und Sujets auftauchen, denn die FPÖ Imst scheint für diese und ähnliche Vorfälle recht anfällig zu sein. Die Umtriebe aus dem Kreis der Imster FPÖ kommen keinesfalls aus dem Nichts, wir haben darüber in der Vergangenheit bereits mehrfach berichtet (etwa hier und hier).
Beide, Schardinger und Neururer, wurden übrigens von Eva Maria Kathrein, Anwaltskanzleikollegin des Tiroler FP-Chefs Markus Abwerzger, verteidigt. Vielleicht gibt es dort inzwischen bei braunen Fehltritten von blauen Parteifunktionären Mengenrabatt?