Erinnerungsprojekt des DÖW: Memento Wien

Es ist eine wahre Mam­mu­tauf­gabe, die das Doku­men­ta­tion­sarchiv des Öster­re­ichis­chen Wider­stands mit dem Online-Tool Memen­to Wien da ange­gan­gen ist, aber es hat sich gelohnt. Nach dem Pilot­pro­jekt Erster Bezirk wurde gestern die Erweiterung auf die Leopold­stadt präsen­tiert. Damit erschließt sich für BenützerIn­nen der Zugang zu Archiv­ma­te­ri­alien über zig­tausend vor allem jüdis­che Opfer des Holo­caust, sicht­bar gemacht über deren let­zte Adressen vor der Depor­ta­tion in die nation­al­sozial­is­tis­chen Ver­nich­tungs- und Konzentrationslager.

2016 veröf­fentlichte das DÖW sein für mobile Endgeräte opti­miertes Online-Tool Memen­to Wien, das über eine Such­funk­tion oder Geo-Lokalisierung auf dem Wiener Stadt­plan die let­zten Wohnadressen der im Holo­caust ermorde­ten Opfer sicht­bar macht. Dabei wur­den nicht nur die Namen der Opfer erfasst, son­dern auch Unmen­gen an Archiv­ma­te­ri­alien einge­speist: Das geht je nach Ver­füg­barkeit von Trans­portlis­ten, über Fotos der Opfer bis zu Auf­nah­men der Gebäude, in der die Opfer zulet­zt in Wien gelebt hatten.

Was ist Memento Wien?

Was ist Memen­to Wien?

„Inter­essierte haben dadurch die Möglichkeit, in Inter­ak­tion mit der Geschichte ihrer Umge­bung zu treten und mehr über die Schick­sale der Ver­fol­gten zu erfahren. (…) So wird ins­beson­dere die Entrech­tung, Vertrei­bung und Ermor­dung der öster­re­ichis­chen Jüdin­nen und Juden virtuell sicht­bar – mehr als 5000 Todes­opfer stammten alleine aus dem Ersten Bezirk. Memen­to Wien berück­sichtigt aber auch die Opfer der poli­tis­chen Ver­fol­gung und lässt die Geschichte von Wider­stand und poli­tis­ch­er Ver­fol­gung an ver­schiede­nen Punk­ten der Innen­stadt aufleucht­en.(über das Pro­jekt Memen­to Wien)

Memento Wien Lopoldstadt (Screenshot Startseite)

Memen­to Wien Lopold­stadt (Screen­shot Startseite)

Gestern wurde das Tool nun um den Zweit­en Bezirk erweit­ert: Mehr als 31.000 der ins­ge­samt ca. 48.000 jüdis­chen Opfer aus Wien hat­ten ihre let­zte Wohnadresse in der Leopold­stadt. Alleine aus einzel­nen Sam­mel­lagern und Sam­mel­woh­nun­gen wur­den hun­derte von Men­schen meist in der Nacht abge­holt und in die KZ deportiert.

Memento Wien: Der Holocaust in der Leopoldstadt

Memen­to Wien: Der Holo­caust in der Leopoldstadt

Wenn Mit­glieder der Regierung etwa über das Trüm­mer­frauen-Denkmal nun ver­suchen, die his­torische Opfer­these wiederzubeleben, zeigt Memen­to Wien, wer die wirk­lichen Opfer des nation­al­sozial­is­tis­chen Ver­brecher­regimes waren, welche Schick­sale, welche Men­schen hin­ter den nack­ten Zahlen der Ermorde­ten stehen.

Am 6. Novem­ber wird Memen­to mit ein­er Rei­he von weit­eren Bezirken online gehen: Land­straße, Wieden, Mar­gareten, Mari­ahilf, Neubau, Josef­s­tadt, Alser­grund, Mei­dling, Pen­z­ing, Rudolf­sheim-Fünfhaus, Ottakring und Florids­dorf. Die Brigit­te­nau fol­gt im kom­menden Jahr.

Das Pro­jekt ent­stand mit Finanzierung des Wis­senschaftsmin­is­teri­ums, es fol­gten dann weit­ere Förderge­ber, die eine Erweiterung über den Ersten Bezirk hin­aus möglich gemacht haben. Bedauer­lich ist, dass sich nicht alle Wiener Gemein­de­bezirke dazu entschließen kon­nten, sich am Pro­jekt zu beteili­gen. Memen­to Wien muss also vor­erst unvoll­ständig bleiben. Den­noch ver­ste­ht sich Memen­to „nicht als abgeschlossenes Pro­jekt, son­dern vielmehr als Tool, das kon­tinuier­lich um neue Doku­mente erweit­ert wer­den soll. Ziel ist ein lebendi­ges Archiv, das Einzelschick­sale in der unmit­tel­baren Umge­bung erste­hen lässt.“ Schon jet­zt haben sich Pri­vat­per­so­n­en gemeldet, die Mate­ri­alien zu einzel­nen Per­so­n­en oder Orten beis­teuern kon­nten und die sukzes­sive in das Tool eingear­beit­et werden.

Präsen­ta­tion Memen­to Wien: Ger­hard Baum­gart­ner (sitzend; wis­senschaftlich­er Leit­er DÖW), Wolf­gang Schel­len­bach­er (Pro­jek­tleit­er Memento)

Der Wiener Stadt­plan wird nun also um eine weit­ere Per­spek­tive erweit­ert: Wer waren die Men­schen, die vielle­icht in der Nach­barschaft gelebt haben oder sog­ar in der eige­nen Woh­nung oder im Grätzel? Memen­to gibt den Opfern Namen und Gesichter, und das ist ver­mut­lich die wirk­sam­ste Form, den Holo­caust irgend­wie begreif­bar zu machen und Empathie zu wecken.

Auszug Transportliste Czerningasse 9 (© DÖW)

Auszug Trans­portliste Czerningasse 9 (© DÖW)