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Erinnerungsprojekt des DÖW: Memento Wien

Es ist eine wah­re Mam­mut­auf­ga­be, die das Doku­men­ta­ti­ons­ar­chiv des Öster­rei­chi­schen Wider­stands mit dem Online-Tool Memen­to Wien da ange­gan­gen ist, aber es hat sich gelohnt. Nach dem Pilot­pro­jekt Ers­ter Bezirk wur­de ges­tern die Erwei­te­rung auf die Leo­pold­stadt prä­sen­tiert. Damit erschließt sich für Benüt­ze­rIn­nen der Zugang zu Archiv­ma­te­ria­li­en über zig­tau­send vor allem jüdi­sche Opfer des Holo­caust, sicht­bar gemacht […]

18. Okt 2018
Memento Wien Lopoldstadt (Screenshot Startseite)
Memento Wien Lopoldstadt (Screenshot Startseite)

2016 ver­öf­fent­lich­te das DÖW sein für mobi­le End­ge­rä­te opti­mier­tes Online-Tool Memen­to Wien, das über eine Such­funk­ti­on oder Geo-Loka­li­sie­rung auf dem Wie­ner Stadt­plan die letz­ten Wohn­adres­sen der im Holo­caust ermor­de­ten Opfer sicht­bar macht. Dabei wur­den nicht nur die Namen der Opfer erfasst, son­dern auch Unmen­gen an Archiv­ma­te­ria­li­en ein­ge­speist: Das geht je nach Ver­füg­bar­keit von Trans­port­lis­ten, über Fotos der Opfer bis zu Auf­nah­men der Gebäu­de, in der die Opfer zuletzt in Wien gelebt hatten.

Was ist Memento Wien?
Was ist Memen­to Wien?

„Inter­es­sier­te haben dadurch die Mög­lich­keit, in Inter­ak­ti­on mit der Geschich­te ihrer Umge­bung zu tre­ten und mehr über die Schick­sa­le der Ver­folg­ten zu erfah­ren. (…) So wird ins­be­son­de­re die Ent­rech­tung, Ver­trei­bung und Ermor­dung der öster­rei­chi­schen Jüdin­nen und Juden vir­tu­ell sicht­bar – mehr als 5000 Todes­op­fer stamm­ten allei­ne aus dem Ers­ten Bezirk. Memen­to Wien berück­sich­tigt aber auch die Opfer der poli­ti­schen Ver­fol­gung und lässt die Geschich­te von Wider­stand und poli­ti­scher Ver­fol­gung an ver­schie­de­nen Punk­ten der Innen­stadt auf­leuch­ten.(über das Pro­jekt Memen­to Wien)

Memento Wien Lopoldstadt (Screenshot Startseite)
Memen­to Wien Lopold­stadt (Screen­shot Startseite)

Ges­tern wur­de das Tool nun um den Zwei­ten Bezirk erwei­tert: Mehr als 31.000 der ins­ge­samt ca. 48.000 jüdi­schen Opfer aus Wien hat­ten ihre letz­te Wohn­adres­se in der Leo­pold­stadt. Allei­ne aus ein­zel­nen Sam­mel­la­gern und Sam­mel­woh­nun­gen wur­den hun­der­te von Men­schen meist in der Nacht abge­holt und in die KZ deportiert.

Memento Wien: Der Holocaust in der Leopoldstadt
Memen­to Wien: Der Holo­caust in der Leopoldstadt

Wenn Mit­glie­der der Regie­rung etwa über das Trüm­mer­frau­en-Denk­mal nun ver­su­chen, die his­to­ri­sche Opfer­the­se wie­der­zu­be­le­ben, zeigt Memen­to Wien, wer die wirk­li­chen Opfer des natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Ver­bre­cher­re­gimes waren, wel­che Schick­sa­le, wel­che Men­schen hin­ter den nack­ten Zah­len der Ermor­de­ten stehen.

Am 6. Novem­ber wird Memen­to mit einer Rei­he von wei­te­ren Bezir­ken online gehen: Land­stra­ße, Wie­den, Mar­ga­re­ten, Maria­hilf, Neu­bau, Josef­stadt, Alser­grund, Meid­ling, Pen­zing, Rudolfs­heim-Fünf­haus, Otta­kring und Flo­rids­dorf. Die Bri­git­ten­au folgt im kom­men­den Jahr.

Das Pro­jekt ent­stand mit Finan­zie­rung des Wis­sen­schafts­mi­nis­te­ri­ums, es folg­ten dann wei­te­re För­der­ge­ber, die eine Erwei­te­rung über den Ers­ten Bezirk hin­aus mög­lich gemacht haben. Bedau­er­lich ist, dass sich nicht alle Wie­ner Gemein­de­be­zir­ke dazu ent­schlie­ßen konn­ten, sich am Pro­jekt zu betei­li­gen. Memen­to Wien muss also vor­erst unvoll­stän­dig blei­ben. Den­noch ver­steht sich Memen­to „nicht als abge­schlos­se­nes Pro­jekt, son­dern viel­mehr als Tool, das kon­ti­nu­ier­lich um neue Doku­men­te erwei­tert wer­den soll. Ziel ist ein leben­di­ges Archiv, das Ein­zel­schick­sa­le in der unmit­tel­ba­ren Umge­bung erste­hen lässt.“ Schon jetzt haben sich Pri­vat­per­so­nen gemel­det, die Mate­ria­li­en zu ein­zel­nen Per­so­nen oder Orten bei­steu­ern konn­ten und die suk­zes­si­ve in das Tool ein­ge­ar­bei­tet werden.

Prä­sen­ta­ti­on Memen­to Wien: Ger­hard Baum­gart­ner (sit­zend; wis­sen­schaft­li­cher Lei­ter DÖW), Wolf­gang Schel­len­ba­cher (Pro­jekt­lei­ter Memento)

Der Wie­ner Stadt­plan wird nun also um eine wei­te­re Per­spek­ti­ve erwei­tert: Wer waren die Men­schen, die viel­leicht in der Nach­bar­schaft gelebt haben oder sogar in der eige­nen Woh­nung oder im Grät­zel? Memen­to gibt den Opfern Namen und Gesich­ter, und das ist ver­mut­lich die wirk­sams­te Form, den Holo­caust irgend­wie begreif­bar zu machen und Empa­thie zu wecken.

Auszug Transportliste Czerningasse 9 (© DÖW)
Aus­zug Trans­port­lis­te Czer­nin­gas­se 9 (© DÖW)
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