Der NSU und die Kontakte zum österreichischen „Blood & Honour”-Netzwerk

Ver­gan­genen Fre­itag, am 15.9., trat Cor­ry­na Görtz als Zeu­g­in von den hes­sis­chen NSU-Unter­suchungsauss­chuss (UA). Die derzeit Inhaftierte wurde von der Bun­de­san­waltschaft für den Prozess in München nicht als wichtig genug erachtet, um als Zeu­g­in vorge­laden zu wer­den, obwohl sie Kon­takt zum NSU-Kern­trio gehabt haben kön­nte. Gegen­stand der Befra­gung im hes­sis­chen UA war Görtz’ Zeit als Schlüs­selfig­ur der nord­hes­sis­chen Neon­azi-Szene Mitte der 1990er-Jahre, sowie ihr Aufen­thalt im offe­nen Vol­lzug in der JVA Baunatal.

Cor­ry­na Görtz wurde laut Aufze­ich­nun­gen des Lan­deskrim­i­nalamtes als Mit­glied des „Thüringer Heimatschutz” gelis­tet, jen­er Gruppe in der auch Beate Zschäpe, Uwe Mund­los und Uwe Böhn­hardt aktiv waren und aus der der NSU her­vorge­gan­gen war. Außer­dem wurde ihr vorge­hal­ten, Kon­tak­te zum deutschen und öster­re­ichis­chen „Blood & Honour”-Netzwerk gehabt zu haben. Görtz bestre­it­et die Vorhalte und gab an „da nicht aktiv drin gewe­sen“ zu sein. Sie sei nur mit ihrem dama­li­gen Lebens­ge­fährten Dirk Winkel aktiv gewe­sen und nach der Beziehung aus­gestiegen. Ein Nar­ra­tiv, das sich auch bei Beate Zschäpes Aus­sagen im Münch­n­er NSU-Prozess find­en lässt, bei der die aktive Teil­habe von Frauen in der recht­sex­tremen Szene an die Ein­stel­lun­gen eines Lebens­ge­fährten oder Part­ners geknüpft wer­den. So wird die eigene Rolle zu ein­er pas­siv­en verk­lärt und die (Mit-)Verantwortung negiert. Zschäpe behauptet bis heute von den Mor­den und Sprengstof­fan­schlä­gen, die vom NSU began­gen wor­den sind, nichts gewusst zu haben.

Zwis­chen Herb­st 2005 und März 2006 befand sich Görtz im offe­nen Vol­lzug in Bau­na­tal, südlich von Kas­sel, wo im April 2006 Halit Yoz­gat in seinem Inter­net-Café ermordet wurde. Görtz gab an, in dieser Zeit mehrmals in Yoz­gats Café gewe­sen zu sein. Es wurde ihr von Mit­ge­fan­genen wegen sein­er gün­sti­gen Lage emp­fohlen, so ihre Aus­sage. Dabei blieb sie auch, nach­dem ihr vorge­hal­ten wurde, dass die Straßen­bah­n­fahrt von Bau­na­tal zu Yoz­gats Café unge­fähr 45 Minuten dauere und in unmit­tel­bar­er Nähe der JVA andere Inter­net-Cafés zu erre­ichen gewe­sen seien. Beim NSU-Kern­trio wurde eine Skizze von Yoz­gats Café gefun­den. Die Frage, wie der NSU seine mut­maßlichen Opfer aus­gewählt hat und wer die Tatorte aus­ge­späht hat, zählt bis heute zu den vie­len großen Rät­seln im NSU-Komplex.

Zu ihrer Zeit in Öster­re­ich wurde Cor­ry­na Görtz nur kurz befragt. Sie machte gle­ich von ihrem Recht auf Aus­sagev­er­weigerung Gebrauch, als die SPD-Abge­ord­nete Nan­cy Fraeser wis­sen wollte, ob sie Kon­takt zu öster­re­ichis­chen Behör­den wie zum Beispiel dem Ver­fas­sungss­chutz gehabt hat­te. Offen­bar hat­te Görtz in diesem Fall Angst, sich selb­st belas­ten zu müssen. Görtz set­zte sich im Jahr 2000 mit ihrem Fre­und Dirk Winkel in den deutsch-oberöster­re­ichis­chen Gren­zraum ab, um ein­er dro­hen­den Haft­strafe zu ent­ge­hen. Dort wurde vom öster­re­ichis­chen Ver­fas­sungss­chutz ein paar Jahre später eine neue „Blood & Honour”-Gruppe reg­istri­ert – unter Beteili­gung deutsch­er Neonazis.