Der harmlose „Sektenbericht“ über die „Freeman“

Warum der Tätigkeits­bericht der Bun­desstelle für Sek­ten­fra­gen nicht auf deren Home­page, son­dern nur über das Par­la­ment abruf­bar ist, wis­sen wir nicht. Warum dort der Bericht für das Jahr 2015 (!) ver­mut­lich erst 2018 behan­delt wird, ist uns eben­so unerk­lär­lich wie der Umstand, dass sich der Bericht schw­er­punk­t­mäßig mit der „Freeman“-Bewegung beschäftigt. Die Bun­desstelle hat­te die „Free­man“ 2015 schon auf dem Radar, der Ver­fas­sungss­chutz nicht.

Warum sich die Bun­desstelle für Sek­ten­fra­gen in ihrem Jahres­bericht für das Jahr 2015 schw­er­punk­t­mäßig mit OPPT und „Free­man“ beschäftigt, wird zunächst ein­mal damit erk­lärt, dass nach den tur­bu­len­ten Ereignis­sen von Hol­len­bach in Niederöster­re­ich im Som­mer 2014, die mit­tler­weile schon von der Jus­tiz abge­han­delt wur­den, die Bun­desstelle „zu ein­er wichti­gen Ansprech­part­ner­in für diesen the­ma­tis­chen Bere­ich“ (S. 9) gewor­den sei. Soll sein. Die Bun­desstelle sieht sich allerd­ings nicht nur für „alter­na­tive“ religiöse Grup­pen, son­dern für „Weltan­schau­ungs­fra­gen“ „radikale und extrem­istis­che Ide­olo­gien“, „fun­da­men­tal­is­tis­che Strö­mungen“, „Eso­terik“ usw. zuständig. Das ist ein biss­chen gar viel.

Im Schw­er­punkt selb­st, der immer­hin auf fast 50 Seit­en abge­han­delt wird, erfahren wir zunächst kur­sorisch etwas über die Geschichte des OPPT (One People’s Pub­lic Trust) und dann über die „Free­man“, wobei diese Beze­ich­nung „zumeist auch als Plu­ral­form ver­standen“ wird. Aha!

Was da alles vor allem über die Geschichte der „Free­man“ in den USA zusam­menge­tra­gen wurde, ist nicht unin­ter­es­sant, erzählt aber noch wenig über das Agieren der „Free­man“ in Öster­re­ich, ihre Ver­net­zung mit anderen Grup­pen aus der reich­side­ol­o­gis­chen bzw. Staatsver­weiger­er-Szene, die – jeden­falls in Öster­re­ich – wahrnehm­bar revi­sion­is­tis­chen und anti­semi­tis­chen Töne. Der Bericht stellt dazu in seinen zusam­men­fassenden Bemerkun­gen fest:

Vielfach ist so eine gewisse Nähe zu recht­sori­en­tierten Argu­men­ta­tions­fig­uren („jüdisch-freimau­rerische“ Weltver­schwörung oder der ange­bliche Ein­fluss der Banken­fam­i­lie „Roth­schild“ erkennbar. Zudem ist die ange­bliche „Recht­slastigkeit‘“ einiger Vertreterin­nen bzw. Vertreter, die mit den Stich­worten „Holo­caust-Leug­nung“ und ähn­lichen Begrif­f­en verknüpft ist, ein ständi­ges The­ma in der Berichter­stat­tung. (S. 98)

Was also und wie bitte? Ist die „Recht­slastigkeit“ real oder nur ange­blich vorhan­den. Bedeutet die „gewisse Nähe“ zu „recht­sori­en­tierten Argu­men­ta­tions­fig­uren“ eigentlich ohne­hin nichts oder doch etwas? Wenn der „Free­man Tas­si­lo“ zur Ver­hand­lung wegen Haf­taufhe­bung des wegen „ange­blich­er“ Wieder­betä­ti­gung „zu Unrecht inhaftierten“ Holo­caust-Leugn­ers Wolf­gang Fröh­lich mobil­isiert und „Free­man Aus­tria“ über die „so genan­nten Gaskam­mern“ räson­niert, dass er nichts „wisse“, wenn ein OPPT-Mann zum „Absaufen von Moslems“ auf­fordert, die für ihn „Affen“ sind (vier Monate Haft wegen Ver­het­zung), dann geht es nicht um „ange­bliche“ Recht­slastigkeit. Daher hal­ten wir die Schlussfol­gerung der Sek­ten­stelle für unange­bracht: „Eine pauschale Klas­si­fizierung der Free­man-Bewe­gung als „rechts“ oder gar „recht­sex­trem“ erscheint jedoch nicht zutr­e­f­fend bzw. zu kurz gegrif­f­en, möglicher­weise sind hier die gängi­gen Kat­e­gorien nicht anwend­bar.“ (S. 98)

Da fällt dann auch auf, dass es im Bericht etliche Links zu den Quellen, zu den Pro­pa­gan­da­seit­en von OPPT, Free­man usw. gibt, während Links zu kri­tis­chen deutschsprachi­gen Seit­en wie etwa der „Gur­u­falle“ oder „Psir­am“ aus­ges­part bleiben. Auch die Auseinan­der­set­zung mit krim­inellen Geschäft­sprak­tiken („zum Teil prob­lema­tis­che Geschäftsmod­elle“ nen­nt die der Bericht) wie der „WeRe Bank“, mit „Ubun­tu“ oder der „Freien Energie“ bleibt sehr vor­sichtig und zurück­hal­tend. Warum es dabei Hyper­links etwa zu völ­lig abge­fahre­nen Bauan­leitun­gen für „Energies­pi­ralen“ geben muss, erschließt sich gar nicht.

Auszug zur Anleitung für eine so genan­nte „Energies­pi­rale”

Ähn­lich­es gilt für den Teil des Schw­er­punk­ts, der sich mit den Lais-Schul­pro­jek­ten, damit zusam­men­hän­gend der „Schetinin-Schule“ und der reak­tionären „Anas­ta­sia-Bewe­gung“ beschäftigt. Da wer­den alle Web-Adressen von Lais-Schulen in Öster­re­ich neben der Eigenbeschrei­bung von „Lais“ und „Anas­ta­sia“ wiedergegeben, die kri­tis­che Auseinan­der­set­zung fehlt aber fast voll­ständig. Um am Beispiel der „Anas­ta­sia-Bewe­gung“ den Unter­schied festzu­machen. Der Bericht der Sek­ten­stelle beschreibt sie so: „Die ‚Anastasia‘-Bücher sind in Rus­s­land selb­st, aber auch außer­halb Rus­s­lands, rezip­iert wor­den, und es hat sich eine regel­rechte Gefol­gschaft gebildet, die von den zugrunde liegen­den Ideen begeis­tert scheint.“ (S. 95) Viel mehr an „kri­tis­ch­er“ Darstel­lung zu „Anas­ta­sia“ kommt dann nicht mehr.

In dem von Roman Schwei­dlen­ka redigierten, wesentlich kürz­eren steirischen „Eso-Jahres­bericht“ für das Jahr 2015 heißt es dage­gen über die Anastasia-Bewegung:

Anas­tasi­apro­jek­te ziehen viele ori­en­tierungslose Men­schen an, denen Beach­tung geschenkt wird. Grundle­gend ist eine radikalal­ter­na­tive, mit Eso­terik gar­nierte Aussteiger­ro­man­tik, die sich um autarke Regio­nen und Selb­stver­sorgung durch land­wirtschaftliche Tätigkeit­en auf „Fam­i­lien­land­sitzen“ von einem Hek­tar Größe dreht. Die Anhänger_innen, die der mod­er­nen Tech­nolo­gie entsagen sollen, wer­den oft mit ein­er radikalen Geg­n­er­schaft zum beste­hen­den demokratis­chen Sys­tem kon­fron­tiert . Einzelne Anhänger_innen der Bewe­gung fordern immer wieder dazu auf, Kinder nicht in staatliche Schulen zu schick­en, da sie dort ange­blich nur Lügen über die deutsche Geschichte ler­nen. Historiker_innen, Religionswissenschaftler_innen und Vertreter _innen der rus­sisch-ortho­dox­en Kirche beze­ich­neten die Anas­tasi­abe­we­gung als „total­itäre, destruk­tive Sek­te. (Wikipedia, 09.06.2015)

Der Ver­gle­ich macht sich­er: Der Bericht der Sek­ten­stelle drückt sich aus­gerech­net dort um klare Aus­sagen, wo sie drin­gend notwendig wären. Das ist nicht nur schade, das ist inakzeptabel!