Der harmlose „Sektenbericht“ über die „Freeman“Lesezeit: 4 Minuten

War­um der Tätig­keits­be­richt der Bun­des­stel­le für Sek­ten­fra­gen nicht auf deren Home­page, son­dern nur über das Par­la­ment abruf­bar ist, wis­sen wir nicht. War­um dort der Bericht für das Jahr 2015 (!) ver­mut­lich erst 2018 behan­delt wird, ist uns eben­so uner­klär­lich wie der Umstand, dass sich der Bericht schwer­punkt­mä­ßig mit der „Freeman“-Bewegung beschäf­tigt. Die Bun­des­stel­le hat­te die […]

10. Sep 2017

War­um sich die Bun­des­stel­le für Sek­ten­fra­gen in ihrem Jah­res­be­richt für das Jahr 2015 schwer­punkt­mä­ßig mit OPPT und „Free­man“ beschäf­tigt, wird zunächst ein­mal damit erklärt, dass nach den tur­bu­len­ten Ereig­nis­sen von Hol­len­bach in Nie­der­ös­ter­reich im Som­mer 2014, die mitt­ler­wei­le schon von der Jus­tiz abge­han­delt wur­den, die Bun­des­stel­le „zu einer wich­ti­gen Ansprech­part­ne­rin für die­sen the­ma­ti­schen Bereich“ (S. 9) gewor­den sei. Soll sein. Die Bun­des­stel­le sieht sich aller­dings nicht nur für „alter­na­ti­ve“ reli­giö­se Grup­pen, son­dern für „Welt­an­schau­ungs­fra­gen“ „radi­ka­le und extre­mis­ti­sche Ideo­lo­gien“, „fun­da­men­ta­lis­ti­sche Strö­mun­gen“, „Eso­te­rik“ usw. zustän­dig. Das ist ein biss­chen gar viel.

Im Schwer­punkt selbst, der immer­hin auf fast 50 Sei­ten abge­han­delt wird, erfah­ren wir zunächst kur­so­risch etwas über die Geschich­te des OPPT (One People’s Public Trust) und dann über die „Free­man“, wobei die­se Bezeich­nung „zumeist auch als Plu­ral­form ver­stan­den“ wird. Aha!

Was da alles vor allem über die Geschich­te der „Free­man“ in den USA zusam­men­ge­tra­gen wur­de, ist nicht unin­ter­es­sant, erzählt aber noch wenig über das Agie­ren der „Free­man“ in Öster­reich, ihre Ver­net­zung mit ande­ren Grup­pen aus der reichs­ideo­lo­gi­schen bzw. Staats­ver­wei­ge­rer-Sze­ne, die – jeden­falls in Öster­reich – wahr­nehm­bar revi­sio­nis­ti­schen und anti­se­mi­ti­schen Töne. Der Bericht stellt dazu in sei­nen zusam­men­fas­sen­den Bemer­kun­gen fest:

Viel­fach ist so eine gewis­se Nähe zu rechts­ori­en­tier­ten Argu­men­ta­ti­ons­fi­gu­ren („jüdisch-frei­mau­re­ri­sche“ Welt­ver­schwö­rung oder der angeb­li­che Ein­fluss der Ban­ken­fa­mi­lie „Roth­schild“ erkenn­bar. Zudem ist die angeb­li­che „Rechts­las­tig­keit‘“ eini­ger Ver­tre­te­rin­nen bzw. Ver­tre­ter, die mit den Stich­wor­ten „Holo­caust-Leug­nung“ und ähn­li­chen Begrif­fen ver­knüpft ist, ein stän­di­ges The­ma in der Bericht­erstat­tung. (S. 98)

Was also und wie bit­te? Ist die „Rechts­las­tig­keit“ real oder nur angeb­lich vor­han­den. Bedeu­tet die „gewis­se Nähe“ zu „rechts­ori­en­tier­ten Argu­men­ta­ti­ons­fi­gu­ren“ eigent­lich ohne­hin nichts oder doch etwas? Wenn der „Free­man Tas­si­lo“ zur Ver­hand­lung wegen Haft­auf­he­bung des wegen „angeb­li­cher“ Wie­der­be­tä­ti­gung „zu Unrecht inhaf­tier­ten“ Holo­caust-Leug­ners Wolf­gang Fröh­lich mobi­li­siert und „Free­man Aus­tria“ über die „so genann­ten Gas­kam­mern“ räson­niert, dass er nichts „wis­se“, wenn ein OPPT-Mann zum „Absau­fen von Mos­lems“ auf­for­dert, die für ihn „Affen“ sind (vier Mona­te Haft wegen Ver­het­zung), dann geht es nicht um „angeb­li­che“ Rechts­las­tig­keit. Daher hal­ten wir die Schluss­fol­ge­rung der Sek­ten­stel­le für unan­ge­bracht: „Eine pau­scha­le Klas­si­fi­zie­rung der Free­man-Bewe­gung als „rechts“ oder gar „rechts­extrem“ erscheint jedoch nicht zutref­fend bzw. zu kurz gegrif­fen, mög­li­cher­wei­se sind hier die gän­gi­gen Kate­go­rien nicht anwend­bar.“ (S. 98)

Da fällt dann auch auf, dass es im Bericht etli­che Links zu den Quel­len, zu den Pro­pa­gan­da­sei­ten von OPPT, Free­man usw. gibt, wäh­rend Links zu kri­ti­schen deutsch­spra­chi­gen Sei­ten wie etwa der „Guruf­al­le“ oder „Psi­ram“ aus­ge­spart blei­ben. Auch die Aus­ein­an­der­set­zung mit kri­mi­nel­len Geschäfts­prak­ti­ken („zum Teil pro­ble­ma­ti­sche Geschäfts­mo­del­le“ nennt die der Bericht) wie der „WeRe Bank“, mit „Ubun­tu“ oder der „Frei­en Ener­gie“ bleibt sehr vor­sich­tig und zurück­hal­tend. War­um es dabei Hyper­links etwa zu völ­lig abge­fah­re­nen Bau­an­lei­tun­gen für „Ener­gie­spi­ra­len“ geben muss, erschließt sich gar nicht.

Aus­zug zur Anlei­tung für eine so genann­te „Ener­gie­spi­ra­le”

Ähn­li­ches gilt für den Teil des Schwer­punkts, der sich mit den Lais-Schul­pro­jek­ten, damit zusam­men­hän­gend der „Sche­t­i­nin-Schu­le“ und der reak­tio­nä­ren „Ana­sta­sia-Bewe­gung“ beschäf­tigt. Da wer­den alle Web-Adres­sen von Lais-Schu­len in Öster­reich neben der Eigen­be­schrei­bung von „Lais“ und „Ana­sta­sia“ wie­der­ge­ge­ben, die kri­ti­sche Aus­ein­an­der­set­zung fehlt aber fast voll­stän­dig. Um am Bei­spiel der „Ana­sta­sia-Bewe­gung“ den Unter­schied fest­zu­ma­chen. Der Bericht der Sek­ten­stel­le beschreibt sie so: „Die ‚Anastasia‘-Bücher sind in Russ­land selbst, aber auch außer­halb Russ­lands, rezi­piert wor­den, und es hat sich eine regel­rech­te Gefolg­schaft gebil­det, die von den zugrun­de lie­gen­den Ideen begeis­tert scheint.“ (S. 95) Viel mehr an „kri­ti­scher“ Dar­stel­lung zu „Ana­sta­sia“ kommt dann nicht mehr.

In dem von Roman Schweid­len­ka redi­gier­ten, wesent­lich kür­ze­ren stei­ri­schen „Eso-Jah­res­be­richt“ für das Jahr 2015 heißt es dage­gen über die Anastasia-Bewegung:

Ana­sta­sia­pro­jek­te zie­hen vie­le ori­en­tie­rungs­lo­se Men­schen an, denen Beach­tung geschenkt wird. Grund­le­gend ist eine radi­kal­al­ter­na­ti­ve, mit Eso­te­rik gar­nier­te Aus­stei­ger­ro­man­tik, die sich um aut­ar­ke Regio­nen und Selbst­ver­sor­gung durch land­wirt­schaft­li­che Tätig­kei­ten auf „Fami­li­en­land­sit­zen“ von einem Hekt­ar Grö­ße dreht. Die Anhänger_innen, die der moder­nen Tech­no­lo­gie ent­sa­gen sol­len, wer­den oft mit einer radi­ka­len Geg­ner­schaft zum bestehen­den demo­kra­ti­schen Sys­tem kon­fron­tiert . Ein­zel­ne Anhänger_innen der Bewe­gung for­dern immer wie­der dazu auf, Kin­der nicht in staat­li­che Schu­len zu schi­cken, da sie dort angeb­lich nur Lügen über die deut­sche Geschich­te ler­nen. Historiker_innen, Religionswissenschaftler_innen und Ver­tre­ter _innen der rus­sisch-ortho­do­xen Kir­che bezeich­ne­ten die Ana­sta­sia­be­we­gung als „tota­li­tä­re, destruk­ti­ve Sek­te. (Wiki­pe­dia, 09.06.2015)

Der Ver­gleich macht sicher: Der Bericht der Sek­ten­stel­le drückt sich aus­ge­rech­net dort um kla­re Aus­sa­gen, wo sie drin­gend not­wen­dig wären. Das ist nicht nur scha­de, das ist inakzeptabel!

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