WKÖ-Funktionär vergleicht SPÖ-Kampagne mit NSDAP

Für eine rechte Ent­gleisung sorgte Chris­t­ian Ebn­er, Funk­tionär der Wirtschaft­skam­mer Öster­re­ich (WKÖ), ehe­ma­liger ÖVP-Poli­tik­er und danach BZÖ-Gen­er­alsekretär. Er behauptete auf Twit­ter: „Fakt ist der Slo­gan #HolDirWas­DirZuste­ht hätte auch für die #NSDAP gepasst.” Eben­falls behauptete er, dass die „Nation­al Sozial­is­tis­che Deutsche Arbeit­er Partei eine sozial­is­tis­che Partei war”. Stimmt das?

Die SPÖ forderte Kon­se­quen­zen von WKÖ-Präsi­den­ten Christoph Leitl, die bis jet­zt aber aus­blieben. SPÖ-Bun­des­geschäfts­führer Georg Nie­der­mühlbich­ler kann das nicht nachvol­lziehen und fordert die WKÖ-Spitze, „konkret WKÖ-Präsi­dent Christoph Leitl, drin­gend zu ein­er Klarstel­lung auf”.

Ebn­er ist nicht nur WKÖ-Funk­tionär, er war auch ehe­ma­liges ÖVP-Parteim­it­glied und da in der „Nei­gungs­gruppe Wirtschaft” der „Per­spek­tiven­gruppe” tätig. 2010 wurde er von Josef Buch­er als neuer BZÖ-Gen­er­alsekretär vorgestellt. Die Presse berichtete damals über den Wech­sel Ebn­ers von der ÖVP zum BZÖ: „Doch glück­lich wurde Ebn­er in der Volkspartei nicht. „Die ÖVP ist keine bürg­er­liche Partei“, sagt er. „Sie ist eine Wis­chi­waschi-Zen­trumspartei, die für alles und nichts ste­ht.“ Im Sep­tem­ber 2009 trat er dem BZÖ sei, Buch­er und sein Kur­swech­sel hät­ten ihn überzeugt. Er selb­st sei seit jeher ein Recht­slib­eraler, so Ebner.”

Die Ver­harm­lo­sung des Nation­al­sozial­is­mus ist aber nicht die einzig prob­lema­tis­che Aus­sage von Ebn­er. So behauptet er in mehreren Twit­ter-Mel­dun­gen, die „Nation­al Sozial­is­tis­che Deutsche Arbeit­er­partei” sei „eine sozial­is­tis­che Partei” gewe­sen; oder „Kom­mu­nis­mus und Nation­al­sozial­is­mus sind beson­ders extreme Vari­anten des Sozial­is­mus”.

Sozialismus

Alle drei großen Strö­mungen des Sozial­is­mus — Sozialdemokratie, Kom­mu­nis­mus und Anar­chis­mus — beto­nen übere­in­stim­mend Gle­ich­heit, Gerechtigkeit, Sol­i­dar­ität. Bei der genauen Ausle­gung, was nun „Sozial­is­mus” sei, gibt es naturgemäß Wider­sprüche. Wikipedia nen­nt als „kle­in­sten gemein­samen Nen­ner des Begriffs” fol­gende Def­i­n­i­tio­nen:
 
 

  • Die Zeit definiert „Sozial­is­mus” in ihrem „Lexikon in 20 Bän­den” (Zeitver­lag, Ham­burg 2005) als ein „Gegen­mod­ell zum Kap­i­tal­is­mus entwick­elte poli­tis­che Lehre, die beste­hende gesellschaftliche Ver­hält­nisse mit dem Ziel sozialer Gle­ich­heit und Gerechtigkeit verän­dern will, und eine nach diesen Prinzip­i­en organ­isierte Gesellschaft­sor­d­nung sowie eine poli­tis­che Bewe­gung, die diese Gesellschaft­sor­d­nung anstrebt.”.
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  • Michael New­man in „Social­ism – A Very Short Intro­duc­tion, Oxford Uni­ver­si­ty Press” (2005): „Sozial­is­mus bezieht sich auf ein weites Spek­trum ökonomis­ch­er The­o­rien sozialer Organ­i­sa­tion, welche sich kollek­tiv­en Besitz und poli­tis­che Admin­is­tra­tion zum Ziel der Schaf­fung ein­er egal­itären Gesellschaft zum Ziel geset­zt haben.”
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  • Oder Gün­ter Rieger in „Sozial­is­mus” (Lexikon der Poli­tik, Bd. 7, direct­media, Berlin): „Sozial­is­mus beze­ich­net Ide­olo­gien, welche die Über­win­dung des Kap­i­tal­is­mus und die Befreiung der Arbeit­erk­lasse aus Armut und Unter­drück­ung (soziale Frage) zugun­sten ein­er an Gle­ich­heit, Sol­i­dar­ität und Emanzi­pa­tion ori­en­tierten Gesellschaft­sor­d­nung propagieren.”
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    Bes­tim­mendes Wesens­merk­mal aller sozial­is­tis­chen Strö­mungen ist die egal­itäre Gesellschaft, in der alle Men­schen gle­ich an Recht­en sind, in der der errun­gene Wohl­stand der Gesellschaft allen zu Gute kommt und nicht nur eini­gen weni­gen. Eben­so bes­tim­mend für sozial­is­tis­che Bewe­gun­gen ist Aufzeigen eines Inter­essens­ge­gen­satz zwis­chen UnternehmerIn­nen und Arbeit­nehmerIn­nen, so genan­nter Klassengegensätze.

    Nationalsozialismus

    Bes­tim­mendes Ele­ment des Nation­al­sozial­is­mus und auch des Recht­sex­trem­is­mus ist das Konzept der „Volks­ge­mein­schaft”. Der Nation­al­sozial­is­mus definierte die Volks­ge­mein­schaft als „die auf blut­mäßiger Ver­bun­den­heit, auf gemein­samem Schick­sal und auf gemein­samem poli­tis­chen Glauben beruhende Lebens­ge­mein­schaft eines Volkes, der Klassen- und Standes­ge­gen­sätze wesens­fremd sind. Die Volks­ge­mein­schaft ist Aus­gang und Ziel der Weltan­schau­ung und Staat­sor­d­nung des Nation­al­sozial­is­mus.“ (Der Volks­brock­haus A–Z, 10. Auflage, F. A. Brockhaus/Leipzig 1943, S. 741.) Die Zuge­hörigkeit zur arischen Rasse war eine zwin­gend notwendi­ge Bedin­gung für die Zuge­hörigkeit zur Volksgemeinschaft.

    Im Gegen­satz zum Sozial­is­mus negierte der Nation­al­sozial­is­mus die Inter­essens­ge­gen­sätze zwis­chen Kap­i­tal­istIn­nen („Kap­i­tal”) und Arbei­t­erIn­nen („Arbeit”) und ver­sprach eine Gemein­schaft, die die Klas­sen­ge­sellschaft über­windet. Das völkische Ide­al war eine kon­flik­t­freie, har­monis­che Gesellschaft, die den „Klassenkampf” hin­ter sich lässt.

    Gew­erkschaften und Betrieb­sräte wur­den im Nation­al­sozial­is­mus nicht nur ver­boten, son­dern auch ver­fol­gt. Schon vor der Machtüber­nahme des Nation­al­sozial­is­mus wur­den von völkischen Grup­pen so genan­nte „gelbe” „Werks­ge­mein­schaften” ein­gerichtet, die ein har­monis­ches Miteinan­der von Arbeit­ge­berIn­nen und Arbeit­nehmerIn­nen anstrebten. Am 2. Mai 1933, einen Tag nach dem von den Nazis umgedeuteten „Tag der nationalen Arbeit”, wur­den Gew­erkschafts­ge­bäude beset­zt, deren Ver­mö­gen beschlagnahmt und Funk­tionäre ver­haftet. Das Gesetz zur Ord­nung der nationalen Arbeit vom 20. Jan­u­ar 1934 führte zu ein­er Umdeu­tung der Arbeit­ge­ber in „Betrieb­s­führer“ und der Arbeit­nehmer in „Gefol­gschaft“. Am 10. Mai 1933 wurde die „Deutsche Arbeits­front” (DAF) gegrün­det, die for­mal zwis­chen UnternehmerIn­nen und Arbei­t­erIn­nen ver­mit­telte. Tat­säch­lich ori­en­tierte sich die DAF an die max­i­male Leis­tungssteigerung und damit Aus­beu­tung der ArbeitnehmerInnen.

    So kann es nicht ver­wun­dern, dass zahlre­iche Indus­trielle überzeugte Anhänger der NSDAP waren und das NS-Regime finanzkräftig unter­stützten (im Bild der dama­lige Fir­menchef der Oetk­er-Gruppe, Richard Kaselowsky, mit Hitler-Stel­lvertreter Her­mann Göring). Krupp, Siemens, Gute­hoff­nung­shütte und Rhein­metall grün­de­ten eine „Met­al­lur­gis­che Forschungs­ge­mein­schaft” (Mefo), die mit dem Grund­kap­i­tal von ein­er Mil­lion Reichs­mark aus­ges­tat­tet wurde und mit der der Umfang der Aufrüs­tung ver­schleiert wurde. Und wie der Grüne Nation­al­ratsab­ge­ord­nete Har­ald Walser in „Die Hin­ter­män­ner, Vorarl­berg­er Indus­trielle und die NSDAP 1933–1934” aus­führt, entschlossen sich auch in Vorarl­berg „die ein­flußre­ich­sten Unternehmer des Lan­des, beein­druckt vom Erfolg der „nationalen Eini­gung” im Reich, eine gemein­same Kampf­front mit der NSDAP zu bilden.”

    Rechtsextremismus als Extremisierung bürgerlich-konservativer Wertvorstellungen

    Sozial­is­mus und Nation­al­sozial­is­mus unter­schei­den sich diame­tral. Während der Sozial­is­mus die Gle­ich­heit aller Men­schen ein­fordert, musste sich im Nation­al­sozial­is­mus alles ein­er kon­stru­ierten „Volks­ge­mein­schaft” unterord­nen. Gesellschaft wird im Sozial­is­mus als kul­turelle Errun­gen­schaft ver­standen, während im Nation­al­sozial­is­mus Gesellschaft als ein natür­lich­er Organ­is­mus und als eine natür­liche Gliederung der men­schlichen Gesellschaft (neben der Fam­i­lie) ver­standen wird. Das Volk wird so nicht als ein Kon­strukt ver­standen, son­dern als lebendi­ges Wesen, das Attribute wie „gesund“, „stark“, „schwach“, „feig“ oder „mutig“ ein­nehmen kann. Während sich die Wertvorstel­lun­gen von Men­schen und daher auch von Grup­pen im Laufe der Zeit ändern kön­nen, bleibt das „Volk“ oder zu min­destens das Ide­al in der Vorstel­lung der über die Zeit­en kon­stant. Jedes Bestreben nach einem „Gle­ichauf“, ein­er Emanzi­pa­tion der Men­schen nicht nur inner­halb ein­er Gruppe, son­dern auch zwis­chen ver­schieden­er Eth­nien und Natio­nen, wider­spricht der völkischen Def­i­n­i­tion von „Volk“. Sozial­is­mus wird als „gemein­schafts­ge­fährdende Natur­widrigkeit“ beschrieben.

    Damit ist der Nation­al­sozial­is­mus wesensver­wandt mit dem Recht­sex­trem­is­mus, der eine Extrem­isierung bürg­er­lich-kon­ser­v­a­tiv­er Werte darstellt. In der wis­senschaftlichen Lit­er­atur zum The­ma Recht­sex­trem­is­mus, z.B. vom Doku­men­ta­tion­sarchiv des öster­re­ichis­chen Wider­standes (DÖW), u.a., wird die Recht­sex­trem­is­mus­the­o­rie von Willibald Holz­er angewen­det. Ent­ge­gen der weit ver­bre­it­eten Total­i­taris­mus-The­o­rie (angewen­det z.B. von den Ver­fas­sungss­chutzein­rich­tun­gen Deutsch­lands und Öster­re­ichs), die von ein­er bipo­laren Gesellschaft aus­ge­ht, in der es zwei Extreme gibt (Links und Rechts) und eine “gute” Mitte, die diese bei­den Extreme unter Kon­trolle brin­gen und hal­ten muss, geht die Recht­sex­trem­is­mus­the­o­rie von Willibald Holz­er einen anderen Weg. Einen weniger ide­ol­o­gisierten und wis­senschaftlichen Weg.

    Dem­nach entste­ht Recht­sex­trem­is­mus aus der Extrem­isierung bürg­er­lich-kon­ser­v­a­tiv­er Wertvorstel­lun­gen (s.a. „Reak­tionär­er Back­lash”). Diese Wertvorstel­lun­gen umfassen z.B. Fam­i­lie, Staat, Nation, Volk. Diese Werte ins Extrem gedacht – biol­o­gisiert – mit ein­er naturge­woll­ten Ord­nung verse­hen, stellt den Nährbo­den für Recht­sex­trem­is­mus dar.