In dem angeblichen Bekennerschreiben wird der Anschlag damit begründet, dass „seit Jahren“ auch Menschen mit einer menschenverachtenden Gesinnung das Stadion betreten dürften, statt die lokale Antifa zu Rate zu ziehen, „um solches Gedankengut aus dem Stadion zu verbannen“. Unterstellt wird damit, dass ein Stadion mittels Gesinnungsprüfung durch die Antifa von Personen mit „menschenverachtender Gesinnung“ gesäubert werden könne.
Die Unterstellung folgt rechtsextremen Ideologiemustern, wonach die Linken, die Antifa und die Grünen Meinungen (gemeint sind damit NS-Ideologie und Hetze) unterdrücken würden. Nicht zufällig wurde kurz nach der Veröffentlichung auf „Indymedia“ das Bekennerschreiben auf dem rechten Hetzblog „PI-News“ („Politically Incorrect“) veröffentlicht und so kommentiert:
Seit Jahren terrorisieren die Linken dieses Land und jenen Teil der Bürger, deren Meinung ihnen nicht passt. Sie drohen, erpressen und wenn das nichts nützt werden sie gewalttätig. Gerade die SPD schützt und unterstützt diese Verbrecher und wird es wohl auch weiterhin tun …
„Indymedia“ ist eine offene linke Plattform, auf der im Prinzip ohne Einschränkung veröffentlicht werden kann. Deshalb konnte auch das Bekennerschreiben passieren, wurde allerdings kurz darauf von den ModeratorInnen gelöscht, „weil die Falschmeldung so offensichtlich vor inhaltlichen Fehlern strotzte und klar war, dass es ein Fake ist“ (linksunten.indymedia.org).
Warum ist das angebliche Bekennerschreiben ein Fake, vermutlich eine False-Flag-Aktion von Rechtsextremen? Nicht nur wegen der Unterstellung, durch eine Antifa-Gesinnungsprüfung könne „menschenverachtende Gesinnung“ aus einem Stadion verbannt werden, sondern vor allem wegen der vorgeblich linken Sprachcodes, die in dem Bekennerschreiben verwendet, aber eigentlich verarscht werden.
Manche Linke schreiben zwar „Rassist_innen“, aber sicher nicht „Nazi_innen“ oder „Mensch_innen“. Und schon gar nicht Spieler_innen, wenn es sich um den Mannschaftsbus des BVB Dortmund handelt! Gegenderte Endungen dort, wo sie nichts zu suchen haben, werden vorzugsweise von Rechten und Rechtsextremen verwendet, um Linke und Grüne lächerlich zu machen.
Dass einige österreichische Medien noch etliche Stunden nach dem Anschlag auf den BVB-Bus von einem ernstzunehmenden linken bzw. antifaschistischen Bekennerschreiben fabulierten, spricht nicht unbedingt für deren Recherchequalität. Schließlich gibt es mittlerweile schon einige Erfahrungen mit sehr ähnlich gelagerten rechten Fakes. Als im September des Vorjahres in Dresden vor der „Fatih Camiine”-Moschee und dem Kongresscenter Sprengsätze gezündet wurden, fand sich kurz darauf auf indymedia.org ein Bekennerschreiben, angeblich von der „Antifa Dresden“. Die konterte damals über Twitter: „Lächerliches Faschopack versucht von sich abzulenken. Billig zusammengeschustert ist nicht so unser Stil und ungegendert erst recht nicht.“
Diesmal war das Schreiben gegendert – allerdings bewusst überzogen. Waren es dieselben unbekannten Rechtsextremen? In Dresden wurde Monate danach ein Rechtsextremer als Hauptverdächtiger für die Anschläge ausgeforscht.
2013 hatte die „Germanophobe Flut-Brigade“ mit einem Bekennerschreiben, das ebenfalls über Indymedia eingespeist und an die Öffentlichkeit gebracht wurde, den Verdacht für eine behauptete absichtliche Flutung von Dämmen und Deichen während der Hochwasserkatastrophe Linken in die Schuhe schieben wollen.
Die FPÖ erregte sich damals besonders über die Grünen und „Stoppt die Rechten”, weil wir auf unserer Seite des öfteren sogar Links zu Meldungen von indymedia.org gesetzt haben und deshalb mitverantwortlich für die Flutkatastrophe seien. Ausgerechnet Martin Graf (FPÖ) machte daraus sogar eine parlamentarische Anfrage, während FPÖ-Generalsekretär Vilimsky eine Distanzierung der Grünen von stopptdierechten.at forderte. Was die beiden damals nicht bedacht haben: Die FPÖ selbst hatte in der Vergangenheit schon in einer Presseaussendung „indymedia.org“ zitiert, zustimmend sogar!
Mittlerweile verdichten sich die Hinweise, dass der Anschlag in Dortmund einen jihadistischen Hintergrund haben könnte. Am Tatort (und nicht im Internet!) wurden nämlich drei Schreiben mit jihadistischen Positionen gefunden. Zu dem Bekennerschreiben auf Indymedia teilt die Bundesanwaltschaft mit: „Nach einer ersten Bewertung bestehen erhebliche Zweifel an der Echtheit dieser Bekennung.” (Süddeutsche Zeitung)
Patrick Gensing, der nächste Woche bei der Rechtsextremismus-Enquete der Grünen referieren wird, kommt für „Faktenfinder“ auf „tagesschau.de“ zu einem sehr ähnlichen Ergebnis.