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Dortmund: Antifa-Bekennerschreiben ist rechtsextreme False-Flag-Aktion

Nach dem Anschlag auf den Mann­schafts­bus von Borus­sia Dort­mund vor dem Cham­pi­ons-League-Vier­­tel­­fi­na­­le gegen den AS Mona­co am Diens­tag, 11.4., wur­de auf der Platt­form „Indy­me­dia“ der Bei­trag eines unbe­kann­ten Nut­zers mit dem Namen „Anti­fa“ ver­öf­fent­licht, in dem sich „Anti­fa“ zu dem Anschlag bekennt. Mit Sicher­heit han­delt es sich dabei um einen wei­te­ren Ver­such, anti­fa­schis­ti­sche Arbeit in […]

13. Apr 2017

In dem angeb­li­chen Beken­ner­schrei­ben wird der Anschlag damit begrün­det, dass „seit Jah­ren“ auch Men­schen mit einer men­schen­ver­ach­ten­den Gesin­nung das Sta­di­on betre­ten dürf­ten, statt die loka­le Anti­fa zu Rate zu zie­hen, „um sol­ches Gedan­ken­gut aus dem Sta­di­on zu ver­ban­nen“. Unter­stellt wird damit, dass ein Sta­di­on mit­tels Gesin­nungs­prü­fung durch die Anti­fa von Per­so­nen mit „men­schen­ver­ach­ten­der Gesin­nung“ gesäu­bert wer­den könne.

Die Unter­stel­lung folgt rechts­extre­men Ideo­lo­gie­mus­tern, wonach die Lin­ken, die Anti­fa und die Grü­nen Mei­nun­gen (gemeint sind damit NS-Ideo­lo­gie und Het­ze) unter­drü­cken wür­den. Nicht zufäl­lig wur­de kurz nach der Ver­öf­fent­li­chung auf „Indy­me­dia“ das Beken­ner­schrei­ben auf dem rech­ten Hetz­blog „PI-News“ („Poli­ti­cal­ly Incor­rect“) ver­öf­fent­licht und so kommentiert:

„Seit Jah­ren ter­ro­ri­sie­ren die Lin­ken die­ses Land und jenen Teil der Bür­ger, deren Mei­nung ihnen nicht passt. Sie dro­hen, erpres­sen und wenn das nichts nützt wer­den sie gewalt­tä­tig. Gera­de die SPD schützt und unter­stützt die­se Ver­bre­cher und wird es wohl auch wei­ter­hin tun…“

„Indy­me­dia“ ist eine offe­ne lin­ke Platt­form, auf der im Prin­zip ohne Ein­schrän­kung ver­öf­fent­licht wer­den kann. Des­halb konn­te auch das Beken­ner­schrei­ben pas­sie­ren, wur­de aller­dings kurz dar­auf von den Mode­ra­to­rIn­nen gelöscht, „weil die Falsch­mel­dung so offen­sicht­lich vor inhalt­li­chen Feh­lern strotz­te und klar war, dass es ein Fake ist“ (linksunten.indymedia.org).

Fake Bekennerschreiben zum Dortmunder Angriff auf den Bus, gepostet auf indymedia
Fake Beken­ner­schrei­ben zum Dort­mun­der Angriff auf den Bus, gepos­tet auf indymedia

War­um ist das angeb­li­che Beken­ner­schrei­ben ein Fake, ver­mut­lich eine Fal­se-Flag-Akti­on von Rechts­extre­men? Nicht nur wegen der Unter­stel­lung, durch eine Anti­fa-Gesin­nungs­prü­fung kön­ne „men­schen­ver­ach­ten­de Gesin­nung“ aus einem Sta­di­on ver­bannt wer­den, son­dern vor allem wegen der vor­geb­lich lin­ken Sprach­codes, die in dem Beken­ner­schrei­ben ver­wen­det, aber eigent­lich ver­arscht werden.

Man­che Lin­ke schrei­ben zwar „Rassist_innen“, aber sicher nicht „Nazi_innen“ oder „Mensch_innen“. Und schon gar nicht Spieler_innen, wenn es sich um den Mann­schafts­bus des BVB Dort­mund han­delt! Gegen­der­te Endun­gen dort, wo sie nichts zu suchen haben, wer­den vor­zugs­wei­se von Rech­ten und Rechts­extre­men ver­wen­det, um Lin­ke und Grü­ne lächer­lich zu machen.

 

Sinnlosen Gendern - wie bei "GrünInnen" oder "LinkInnen" - als Methode um Gendern an sich zu diffamieren wird offenbar niemals langweilig...
Sinn­lo­sen Gen­dern — wie bei „Grü­nIn­nen” oder „Lin­kIn­nen” — als Metho­de um Gen­dern an sich zu dif­fa­mie­ren wird offen­bar nie­mals langweilig…

Dass eini­ge öster­rei­chi­sche Medi­en noch etli­che Stun­den nach dem Anschlag auf den BVB-Bus von einem ernst­zu­neh­men­den lin­ken bzw. anti­fa­schis­ti­schen Beken­ner­schrei­ben fabu­lier­ten, spricht nicht unbe­dingt für deren Recher­che­qua­li­tät. Schließ­lich gibt es mitt­ler­wei­le schon eini­ge Erfah­run­gen mit sehr ähn­lich gela­ger­ten rech­ten Fakes. Als im Sep­tem­ber des Vor­jah­res in Dres­den vor der „Fatih Camiine”-Moschee und dem Kon­gress­cen­ter Spreng­sät­ze gezün­det wur­den, fand sich kurz dar­auf auf indymedia.org ein Beken­ner­schrei­ben, angeb­lich von der „Anti­fa Dres­den“. Die kon­ter­te damals über Twit­ter: „Lächer­li­ches Fascho­pack ver­sucht von sich abzu­len­ken. Bil­lig zusam­men­ge­schus­tert ist nicht so unser Stil und unge­gen­dert erst recht nicht“.

Angebliches Bekennerschreiben der "Antifa Dresden" aus 2016 - auch dieses ein Fake.
Angeb­li­ches Beken­ner­schrei­ben der „Anti­fa Dres­den” aus 2016 — auch die­ses ein Fake.

Dies­mal war das Schrei­ben gegen­dert – aller­dings bewusst über­zo­gen. Waren es die­sel­ben unbe­kann­ten Rechts­extre­men? In Dres­den wur­de Mona­te danach ein Rechts­extre­mer als Haupt­ver­däch­ti­ger für die Anschlä­ge aus­ge­forscht.

2013 hat­te die „Ger­ma­no­pho­be Flut-Bri­ga­de mit einem Beken­ner­schrei­ben, das eben­falls über Indy­me­dia ein­ge­speist und an die Öffent­lich­keit gebracht wur­de, den Ver­dacht für eine behaup­te­te absicht­li­che Flu­tung von Däm­men und Dei­chen wäh­rend der Hoch­was­ser­ka­ta­stro­phe Lin­ken in die Schu­he schie­ben wollen.

Die FPÖ erreg­te sich damals beson­ders über die Grü­nen und stoppt­die­rech­ten, weil wir auf unse­rer Sei­te des öfte­ren sogar Links zu Mel­dun­gen von indymedia.org gesetzt haben und des­halb mit­ver­ant­wort­lich für die Flut­ka­ta­stro­phe sei­en. Aus­ge­rech­net Mar­tin Graf (FPÖ) mach­te dar­aus sogar eine par­la­men­ta­ri­sche Anfra­ge, wäh­rend FPÖ-Gene­ral­se­kre­tär Vilims­ky eine Distan­zie­rung der Grü­nen von stopptdierechten.at for­der­te. Was die bei­den damals nicht bedacht haben: die FPÖ selbst hat­te in der Ver­gan­gen­heit schon in einer Pres­se­aus­sendung „indymedia.org“ zitiert, zustim­mend sogar! Wie furchtbar!

Mitt­ler­wei­le ver­dich­ten sich die Hin­wei­se, dass der Anschlag in Dort­mund einen jiha­dis­ti­schen Hin­ter­grund haben könn­te. Am Tat­ort – und nicht im Inter­net! — wur­den näm­lich drei Schrei­ben mit jiha­dis­ti­schen Posi­tio­nen gefun­den. Zu dem Beken­ner­schrei­ben auf Indy­me­dia teilt die Bun­des­an­walt­schaft mit: „Nach einer ers­ten Bewer­tung bestehen erheb­li­che Zwei­fel an der Echt­heit die­ser Beken­nung.” (Süd­deut­sche Zeitung).

Patrick Gen­sing, der nächs­te Woche bei der Rechts­extre­mis­mus-Enquete der Grü­nen refe­rie­ren wird, kommt für „Fak­ten­fin­der“ auf „tagesschau.de“ zu einem sehr ähn­li­chen Ergebnis.

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