Deutlich mehr fremdenfeindliche Attacken als der Innenminister nennt

Die Auswer­tung der Antworten von Innen­min­is­ter Sobot­ka auf die par­la­men­tarische Anfrage zu Über­grif­f­en auf Asylein­rich­tun­gen des Jus­tizsprech­ers der Grü­nen, Albert Stein­hauser, erbrachte einen erschreck­enden Anstieg der Attack­en, die sich gegenüber 2015 fak­tisch ver­dop­pelt haben. Erschreck­end ist aber auch, dass die Anfrage­beant­wor­tung etliche bekan­nte Attack­en unter den Tisch fall­en ließ.

49 Vor­fälle zu Asylein­rich­tun­gen zählt der Innen­min­is­ter in sein­er Anfrage­beant­wor­tung für das Jahr 2016 auf. Fünf von ihnen schied der Jus­tizsprech­er der Grü­nen, Albert Stein­hauser, aus, weil sie „wahrschein­lich nicht frem­den­feindlich motiviert“ (Stan­dard, 31.3.2017) waren. Somit hätte es 44 frem­den­feindlich motivierte Attack­en im Jahr 2016 gegeben.

Hätte! Wäre da nicht die Anfrage­beant­wor­tung von Sobot­ka für das erste Hal­b­jahr 2016. Ver­gle­icht man näm­lich die Angaben für das erste Hal­b­jahr mit denen für das ganze Jahr 2016, dann muss man fest­stellen, dass einige Attack­en, die noch im Hal­b­jahres­bericht enthal­ten waren, in der ganzjähri­gen Auf­stel­lung fehlen.

Mys­ter­iös­es Feistritz an der Drau/Bistrica ob Dravi: Im Sep­tem­ber 2016 weiß das BMI von einem sin­gulären Angriff im Feb­ru­ar 2016 zu bericht­en. Im März 2017 ist jen­er aus dem Feb­ru­ar 2016 dann vergessen, dafür ist für April 2016 ein Angriff dazugekom­men, der im Sep­tem­ber 2016 noch nicht berichtet wurde.

Beson­ders gravierend: die Attack­en auf die Unterkun­ft für unbe­gleit­ete min­der­jährige Flüchtlinge in Feistritz an der Drau/Bistrica ob Dravi um Feb­ru­ar 2016 fehlen völ­lig. Im Hal­b­jahres­bericht war wenig­stens eine, näm­lich die vom 20. Feb­ru­ar 2016, erwäh­nt. In Wirk­lichkeit gab es aber allein im Feb­ru­ar mehrere Attack­en. Wir schrieben damals:

„Die Attack­en umfassen ein bre­ites Reper­toire: in der Nacht auf den 20. Feb­ru­ar wurde ein Ziegel­stein durch ein Fen­ster in die Unterkun­ft gewor­fen, schon Tage vorher ein Böller gegen die Fas­sade, die ein ander­mal mit het­zerischen Parolen wie „Scheiß Asy­lanten“ und „Fuck off“ beschmiert wur­den. Die jugendlichen Bewohn­er sind auch schon auf offen­er Straße beschimpft worden.
Bei den Beschimp­fun­gen, so der Postenkom­man­dant der Polizei, wur­den schon Per­so­n­en angezeigt, während es bei den Sachbeschädi­gun­gen derzeit noch keine Tatverdächti­gen geben würde. „Die Ermit­tlun­gen gehen auch in Rich­tung Wieder­betä­ti­gung und Ver­het­zung, der Ver­fas­sungss­chutz wurde ver­ständigt“, heißt es in der APA-Mel­dung vom 4.3. 2016 weiter.”

Eben­falls nicht mehr in der Jahre­sauf­stel­lung enthalten:

  • die Attacke vom 16.1. 2016 in Klagenfurt/Celovec
  • die Attacke vom 24.1. in Wien, Zied­ler­gasse
  • eine nicht näher beschriebene Dro­hung über Face­book (18.2.2016).

Kön­nte man diese Weglas­sun­gen noch mit Schlampigkeit zu entschuldigen ver­suchen, so wird das mit den anderen „Weglas­sun­gen“ schon wesentlich schwieriger.

„Öster­re­ich“ berichtete am 3.2.2016, dass „am Mon­tag”, also am 1. Feb­ru­ar 2016, ein unbekan­nter Täter eine Plas­tik­flasche „durch ein geschlossenes Fen­ster“ eines Asyl­heims ins Innere der Unterkun­ft gewor­fen hat und geflüchtet ist.

Eben­falls unbekan­nte Täter „schossen in Lanzen­dorf bei Wien mit Farbpis­tolen auf das Haus Jamal (30 unbe­gleit­ete Min­der­jährige unterge­bracht)“, berichtete „heute“ am 16.9.2016. Es kön­nte sich vielle­icht dabei aber auch um die in der Jahre­sauf­stel­lung erwäh­nte Attacke vom 3.9.2016 han­deln. Auf­fäl­lig ist jeden­falls, dass das Haus Jamal in Lanzen­dorf mit seinen unbe­gleit­eten min­der­jähri­gen Flüchtlin­gen mehrmals attack­iert wer­den kon­nte, ohne dass diese Attack­en sowie der Anschlag mit einem Molo­tow-Cock­tail (!) in der Nach­barge­meinde Him­berg vom 26.11. aufgek­lärt wer­den konnten.

Nicht nur die Inten­sität, son­dern auch das Gefährdungspoten­zial hat bei manchen Attack­en neuer­lich zugenom­men. Der Molo­tow-Cock­tail von Him­berg ist längst nicht das ärg­ste Beispiel. Da ist natür­lich die Brand­s­tiftung von Altenfelden (OÖ) zu erwäh­nen, vor allem aber der Anschlag auf die Asy­lun­terkun­ft „La Gon­do­la“ in Tax­en­bach (Salzburg). Dort wur­den die Verbindungss­chläuche von großen Gas­flaschen so durchtren­nt, dass es zu einem Gasaus­tritt „und auf­grund der gegebe­nen Umstände zu ein­er Gefährdung“ vor allem der Haube­wohner­In­nen gekom­men ist. Ermit­telt wird daher wegen vorsät­zlich­er Gemein­dege­fährdung nach § 176 StGB, bish­er allerd­ings ohne Ergebnis.

Ärg­er­lich ist die Anfrage­beant­wor­tung auch dort, wo sie ganz offen­sichtlich der Erzäh­lung der Täter fol­gt. Als in Stuhlfelden Ende Dezem­ber vier alko­holisierte Täter Fen­ster ein­er Asy­lun­terkun­ft mit Steinen und Fäusten zer­störten, berichtete schon die „SN“ am 29.12. davon, dass sie „einen Stre­ich spie­len“ woll­ten. In der Anfrage­beant­wor­tung heißt es dazu: „Eine politische/fremdenfeindliche Moti­va­tion habe laut eige­nen Angeben der Beschuldigten nicht vorgele­gen“. Na dann!

Und wie schaut es mit­tler­weile bei dem 20-jähri­gen Mann aus dem Bezirk Linz-Land aus, der Ende Mai 2016 festgenom­men wurde, weil er nicht nur einen Amok­lauf gegen „alle Asy­lanten mit sein­er Schrot­flinte“ angekündigt hat­te, son­dern auch gegen eine konkrete Asy­lun­terkun­ft in seinem Bezirk? Bei ihm wur­den bei ein­er Haus­durch­suchung diverse Waf­fen, Muni­tion und Nazi-Schritt gefun­den, war damals in den Medi­en zu lesen. In der Auf­stel­lung des Innen­min­is­ters wird dieser Vor­fall nicht erwähnt.

Auch unsere Auf­stel­lung von Attack­en auf Asylein­rich­tun­gen im Jahr 2016 (um die 50) ist sich­er nicht voll­ständig. Dass man dem Innen­min­is­teri­um bei seinen Angaben nicht trauen darf, ist jeden­falls ein sehr konkretes Ergeb­nis der Anfragebeantwortung.