Staatliche Förderungen für private Schießvereine

Ein paar­mal geri­eten nun bere­its Bun­desheer-nahe Vere­ine ins Schlaglicht der Öffentlichkeit. Jew­eils ging es um rechte Untriebe oder Begeis­terung für das Dritte Reich. Was immer gle­ich ist: Das Vertei­di­gungsmin­is­teri­um ver­ste­ht die Aufre­gung nicht und ver­weigert die Auskunft.

Wehrpoli­tis­che Vere­ine, am Rande der Armee
Das öster­re­ichis­che Bun­desheer ist bekan­ntlich viel­gliedrig: So gibt es Land- und Luft­stre­itkräfte, bis 2006 gab es Ein­heit­en auch zu Wass­er. Dann Sol­datIn­nen des Präsenz‑, des Miliz- und des Reser­ve­s­tandes, so wollte es die Volks­be­fra­gung 2013. Am Rand dieses Gefüges befind­en die Wehrpoli­tis­chen Vereine.

Es dürfte nicht allzuschw­er sein als Vere­in vom Min­is­teri­um als „wehrpoli­tisch“ anerkan­nt zu wer­den: Melden bei der Vere­ins­be­hörde, in den „Statuten aus­drück­lich zu den geset­zlich normierten Auf­gaben des Bun­desheeres beken­nen“ und in der „konkreten Vere­in­sar­beit grundle­gende, erkennbare und unter­stützende Beiträge für das Öster­re­ichis­che Bun­desheer leis­ten“ (1)

Wehrpoli­tis­che Vere­ine und ihre Mit­glieder genießen dafür eine ganze Rei­he an Vorteilen, die es in sich haben: Vere­insver­anstal­tun­gen kön­nen zusam­men mit dem Bun­desheer ver­anstal­tet wer­den, Vere­in­szeitun­gen und Vere­in­shome­pages wer­den mit Bun­desheer-Inser­at­en gefüt­tert, Vere­ins­mit­glieder die für das Bun­desheer arbeit­en erhal­ten „Son­derurlaub bzw. Dien­st­freis­tel­lung für Tätigkeit­en im Rah­men des Vere­ins“. Die Vere­ine dür­fen zudem „mil­itärische Infra­struk­tur“ und Trans­port­mit­tel des Bun­desheer mit­benützen, darüber­hin­aus auch in Kasern­ern verpflegt wer­den. (2)


Gedenk­feier in der Steier­mark, Wehrpoli­tis­che Vere­ine marschieren zusam­men mit Wehrma­chtsvet­er­a­nen und Bun­desheerof­fizieren — Bildquelle: albertsteinhauser.at
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Beispiele
Es gibt zweifel­los Dutzende wehrpoli­tisch anerkan­nte Vere­ine, die wichtige Arbeit für das Heer oder die Gesellschaft leis­ten: Solche die sich dem Sport wid­men, solche die sich um Sol­dat­en und Sol­datin­nen küm­mern die von Aus­land­sein­sätzen mit einem Trau­ma heimkom­men. Dass diesen dafür Dien­st­freis­tel­lun­gen, Son­derurlaube und Kaser­nen­mit­benützung eingeräumt wird kann kaum jemand in Frage stellen. Andere wehrpoli­tis­che Vere­ine hinge­gen sind da weit prob­lema­tis­ch­er: Weil sie und ihre Mit­glieder rechts sind oder Mit­glieder nur unzure­ichend im Auge behal­ten, gle­ichzeit­ig auf mil­itärische Infra­struk­tur und Aus­rüs­tung zugreifen und an Tra­di­tio­nen und Inhalte des Drit­ten Reich­es anschließen.

Der Stan­dard skizzierte erst kür­zlich einen Vere­in, dessen Lan­des­ob­mann sich auf Face­book pos­i­tiv auf die „Iden­titäre Bewe­gung” bezieht – die dem BVT immer­hin „recht­sex­trem­istisch” gilt. Der Obmann dieses Vere­ins ver­glich zudem „Mus­lime mit Nation­al­sozial­is­ten“, teilte eine Zeich­nung, in der Sol­dat­en an der Gren­ze Mus­lime mit Schweinen abwehren und bezieht sich auf Face­book pos­i­tiv auf die Aus­sage, dass die Jahren „1933 bis 1939“ die „erfol­gre­ich­sten und für die deutsche Seele schön­sten Jahre ihrer Geschichte“ gewe­sen seien. (3)

Ein Vor­standsmit­glied eines anderen wehrpoli­tis­chen Vere­ins, verkauft laut Stan­dard im Inter­net „Volks­gas­masken” und „Ost­mark-Keramik“ und fürchtet die Ent­waffnung der Bevölkerung durch die EU. Gle­ichzeit­ig ver­fügt der Vere­in als wehrpoli­tis­ch­er Vere­in Zugang zu Kaser­nen, Waf­fen und Schieß­plätzen und führt Schießübun­gen in Bun­desheer-Uni­for­men durch. (4)

Eine Par­la­men­tarische Anfrage doku­men­tierte, dass im Novem­ber 2015 Mit­glieder eines wehrpoli­tis­chen Vere­ins aus der Steier­mark zusam­men mit einem Ver­band des Bun­desheeres in Leoben eine gemein­same Gedenk­feier für Sol­dat­en der Wehrma­cht abhiel­ten. Der Vere­in legte zusam­men mit Bun­desheer­sol­dat­en einen Kranz „Den Helden zu Ehren“ für die Wehrma­cht ab, die Vere­ins­mit­glieder feierten nach der Feier selb­stver­ständlich auf dem Bun­desheer-Übun­gungs­gelände mit. (5)

Wieder ein ander­er Vere­in erzeugte 2012 Wirbel im Min­is­teri­um: Man habe sich „als ‚Kam­er­ad­schaft Gle­ich­gesin­nter‘ gegrün­det“, zu den Zie­len zäh­le die „Förderung der Wehrbere­itschaft öster­re­ichis­ch­er Staats­bürg­er“ gle­ich wie die „Pflege und Fes­ti­gung der Kam­er­ad­schaft zwis­chen Per­so­n­en mit gle­ich­er Gesin­nung“. Dabei nützte man die Berech­ti­gun­gen als wehrpoli­tis­ch­er Vere­in aus­giebig: „Zu diesem Zweck geht der kleine Vere­in in zahlre­ichen Bun­desheer-Kaser­nen des Lan­des ein und aus, organ­isiert gemein­sam mit dem Heer­ess­portver­band Schießübun­gen und bietet in Tschechien eine eigene Fallschirm­springer­aus­bil­dung an.“ Der Vere­in sei straff hier­ar­chisch aufge­baut: Es gäbe „in den Bun­deslän­dern ‚Stan­dortkom­man­dan­ten‘“ sowie „Kom­man­dan­ten“ in den „ver­schiede­nen Bun­desheerkaser­nen sowie für die Polizei und die Jus­tizwache“. Auch einen „Ansprech­part­ner für unsere deutschen Kam­er­aden” gibt es. Auch dieser Vere­in nahm an Gedenk­feier für Sol­dat­en der Wehrma­cht und der Waf­fen-SS teil, organ­isierte außer­dem einen „Hochge­birgs­marsch samt Schießen“, zu dem Bun­desheerange­hörige „im Kamp­fanzug“ erscheinen sollen, Polizis­ten in ihrer Uni­form. (6a)/(6b)

Wieder ein ander­er vom Bun­desheer als wehrpoli­tisch anerkan­nter Vere­in ver­anstal­tete in Brau­nau einen Schießbe­werb. Die Angemelde­ten aus weit und fern, auch aus dem Aus­land, kon­nten dazu in die örtliche Kaserne fahren und wur­den mit Bun­desheerg­erät auf den örtlichen Schieß­platz gebracht. Am Schießbe­werb nahm auch die örtliche Abor­d­nung des Ring frei­heitlich­er Jugend (RFJ) teil: obwohl teils min­der­jährig durften diese mit sämtlichen Waf­fen schießen und damit für Fotos posieren. Genau diese sind auf Face­book mit gle­ich mehreren Grup­pen der „Iden­titären Bewe­gung“ und deren Mit­gliedern befre­un­det und bekan­nt. Nach dem Schießen nah­men alle am „großen Zapfen­stre­ich des öster­re­ichis­chen Bun­desheeres“ teil, durften bei Inter­essse auch in der Kaserne über­nacht­en und wur­den in der Früh vom Bun­desheer verköstigt. (7)

Reak­tio­nen bisher
Im Vertei­di­gungsmin­is­teri­ums sah man bish­er kein Prob­lem in dieser Unter­stützung, man förderte die Vere­ine und ihre Mit­glieder eifrig weit­er, gewährte weit­er­hin die umstrit­te­nen Sonderrechte.

2012 gab es 137 wehrpoli­tis­che Vere­ine, 2016 bere­it 147. Auf die Ende Okto­ber 2012 einge­brachte kri­tis­che Anfrage wurde geant­wortet, dass bere­its seit Anfang Sep­tem­ber 2012 (bis Dezem­ber 2013) eine Evaluierung aller Vere­ine läuft — was damals nie­mand wirk­lich geglaubt hat. Alle kri­tis­chen Nach­fra­gen wur­den sei­ther mit Ver­weis auf die Evaluierung abge­blockt. Sehr fundiert kann die Über­prü­fung nicht gewe­sen sein, wie die Beispiele der let­zten Zeit gezeigt haben…

Die Liste der Vere­ine wollte das Min­is­teri­um nicht öffentlich machen: Eine lis­ten­mäßige namentliche Anführung der als wehrpoli­tisch rel­e­vant anerkan­nten Vere­ine (…) kann aus daten­schutzrechtlichen Grün­den nicht erfol­gen. Diese Auskun­ft im Som­mer 2016 über­raschte, denn dabei han­delt es sich um kein Geheimwis­sen, sämtliche genehmigten Vere­ine und ihre Mit­glieder sind ja sowieso über das zen­trale Vere­in­sreg­is­ter abruf­bar. Doskozil reagierte nun im Feb­ru­ar 2017 exakt wie seine Vor- und Vor­vorgänger: Schon vor vierzehn Tagen habe er eine Evaluierung in Auf­trag gegeben“. Außer­dem werde man die Vere­ine dann auf der „Home­page des Bun­desheeres auch veröffentlichen“.

Doskozil behauptet also im Som­mer 2016, er könne die Vere­ine aus Daten­schutz­grün­den dem Par­la­ment nicht nen­nen, sie wären aber ger­ade erst über­prüft wor­den, prob­lema­tis­che Vere­ine sei­ther nicht mehr darunter. Nach­dem zwei kri­tis­che Artikel das Gegen­teil andeuten heißt es, er werde erneut geprüft was schon zuvor 15 Monate lang geprüft wurde – und dann kom­men die Dat­en auf die Home­page! Anders gesagt: Solang die Liste also möglicher­weise rechte, paramil­itärische Vere­ine enthält unter­liegt sie dem Daten­schutz. Sobald sich Doskozil sich­er ist, dass sie sauber ist, dür­fen die Namen in die Öffentlichkeit. Wir sind nicht sehr überzeugt.

Presseartikel zum Thema:
— derstandard.at, 28.1.2017: Vertei­di­gungsmin­is­teri­um: Geheime Priv­i­legien für 147 Vereine
— derstandard.at, 10.2.2017: Bun­desheer-Umfeld: Schießbe­werbe mit Anhängern der Identitären
— derstandard.at, 10.2.2017: Doskozil will Trans­parenz für „wehrpoli­tis­che Vereine”
— ZEIT online, 27.8.2012: Recht­es Net­zw­erk in Öster­re­ichs Kasernen
— derstandard.at, 21.8.2012: Mil­itärvere­in organ­isiert braune Feier
— derstandard.at, 21.8.2012: Wehrma­chts­ge­denken: Inakzept­abel schwammig

Artikel auf stopptdierechten.at:
— stopptdierechten.at, 22.8.2012: Schießübun­gen für Ostarrichi?
— stopptdierechten.at, 29.7.2012: Bun­desheer und Gedenkpoli­tik am Beispiel der “Kre­ta-Gedenk­feier”

Anfra­gen zum Thema:
— Par­la­men­tarische Anfrage 2016 zu „wehrpoli­tis­che Vere­ine”: Anfrage und Anfrage­beant­wor­tung
— Par­la­men­tarische Anfrage 2012 zu „wehrpoli­tis­che Vere­ine”: Anfrage und Anfrage­beant­wor­tung