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Bundesheer und Gedenkpolitik am Beispiel der „Kreta-Gedenkfeier”

Die Grü­nen the­ma­ti­sie­ren regel­mä­ßig die pro­ble­ma­ti­sche Tra­di­ti­ons­pfle­ge des Bun­des­hee­res. So auch Albert Stein­hau­ser, Jus­tiz­spre­cher des Par­la­ments­klubs der Grü­nen. Unter dem Titel „Tra­di­ti­ons­pfle­ge im Bun­des­heer” ver­weist er dar­auf, dass im öster­rei­chi­schen Bun­des­heer „Bezü­ge auf die k.u.k. Armee, das Bun­des­heer der Ers­ten Repu­blik und die B‑Gendarmerie erlaubt” sind, dage­gen sei aber „jeg­li­cher Bezug auf Ver­bän­de des Drit­ten Rei­ches” nicht […]

29. Jul 2012

Unter dem Titel „Tra­di­ti­ons­pfle­ge im Bun­des­heer” ver­weist er dar­auf, dass im öster­rei­chi­schen Bun­des­heer „Bezü­ge auf die k.u.k. Armee, das Bun­des­heer der Ers­ten Repu­blik und die B‑Gendarmerie erlaubt” sind, dage­gen sei aber „jeg­li­cher Bezug auf Ver­bän­de des Drit­ten Rei­ches” nicht vorgesehen.

Die Rea­li­tät sieht lei­der anders aus, denn „Bun­des­heer­ver­bän­de und Mili­tärt­kom­man­den neh­men auf viel­fäl­ti­ge Wei­se auf Ope­ra­tio­nen und Schlach­ten der Wehr­macht und der (Waffen-)SS Bezug”, so Stein­hau­ser. Ein Bei­spiel ist die Kre­ta-Gedenk­fei­er in Feld­bach-Gnie­bing, in der Stei­er­mark, „für meh­re­re Ope­ra­tio­nen der deut­schen Wehr­macht, dar­un­ter der Über­fall auf Kre­ta durch deut­sche Fall­schirm­jä­ger. An der Fei­er nah­men zahl­rei­che Rit­ter­kreuz­trä­ger teil, dane­ben auch Ehren­ab­ord­nun­gen des Bun­des­hee­res.” Ein Bun­des­heer-Kom­man­dant hielt 2011 eine Festrede.


Kre­ta-Gedenk­fei­er in Feld­bach-Gnie­bing, Stei­er­mark, „Fak­si­mi­le www­ka­me­rad­schaf­tedel­weis­sat”, Bild­quel­le: Albert Steinhauser

Die Schlacht um Kre­ta, von den Nazis Unter­neh­men Mer­kur genannt, war eine, nur unter mas­si­ven Eigen­ver­lus­ten, auf­grund von Füh­rungs­feh­lern und vor­han­de­nen Män­geln in der Boden­or­ga­ni­sa­ti­on, erfolg­rei­che Luft­lan­de­ope­ra­ti­on der deut­sche Wehr­macht (vgl. Win­s­ton Chur­chill, The Second World War).

Die Beset­zung Kre­tas durch deut­sche und ita­lie­ni­sche Trup­pen hat­te, ent­ge­gen der Mythen­bil­dung durch „Tra­di­ti­ons­ver­bän­de”, kei­ner­lei stra­te­gi­sche Aus­wir­kun­gen auf die wei­te­re Kriegs­füh­rung. Der star­ke Wider­stand der kre­ti­schen Bevöl­ke­rung gegen die deut­sche Beset­zung kam für die deut­sche Füh­rung völ­lig über­ra­schend. So kam es schon Anfangs zu spon­ta­nen Ver­gel­tungs­maß­nah­men von Sei­ten der ein­ge­setz­ten deut­schen Trup­pen. Spä­ter wur­den die­se Ver­gel­tungs­maß­nah­men „offi­zi­ell” durch den Kriegs­ver­bre­cher und Wehr­machts-Gene­ral Kurt Stu­dent am 31. Mai 1941 angeordnet:

Jetzt ist die Zeit gekom­men, allen der­ar­ti­gen Fäl­len plan­mä­ßig nach­zu­ge­hen, Ver­gel­tung zu üben und Straf­ge­rich­te abzu­hal­ten, die auch als Abschre­ckungs­mit­tel für die Zukunft die­nen sol­len. Ich beab­sich­ti­ge, in die­ser Rich­tung mit äus­sers­ter Här­te vor­zu­ge­hen. (…) Als Ver­gel­tungs­maß­nah­men kom­men in Fra­ge: 1.) Erschies­sun­gen 2.) Kon­tri­bu­tio­nen 3.) Nie­der­bren­nen von Ort­schaf­ten (vor­her Sicher­stel­lung aller Bar­mit­tel, die rest­los den Ange­hö­ri­gen zugu­te kom­men sol­len) 4.) Aus­rot­tung der männ­li­chen Bevöl­ke­rung gan­zer Gebie­te. Die Geneh­mi­gung zu 3.) u. 4.) behal­te ich mir vor. Sie ist auf dem kür­zes­ten Wege ein­zu­ho­len (mit stich­wort­ar­ti­ger Begrün­dung). Es kommt nun dar­auf an, alle Maß­nah­men mit größ­ter Beschleu­ni­gung durch­zu­füh­ren, unter Bei­sei­te­las­sung aller For­ma­li­en und unter bewuss­ter Aus­schal­tung von beson­de­ren Gerich­ten. Bei der gan­zen Sach­la­ge ist dies Sache der Trup­pe und nicht von ordent­li­chen Gerich­ten. Sie kom­men für Bes­ti­en und Mör­der nicht in Frage.


Deut­sche Wehr­machts-Sol­da­ten kurz vor der Ermor­dung von Zivi­lis­tIn­nen in Kon­doma­ri; Bun­des­ar­chiv, Bild 101I-166‑0525-39 / Weix­ler, Franz Peter / CC-BY-SA


Ermor­dung von Zivi­lis­tIn­nen in Kon­doma­ri; Bun­des­ar­chiv, Bild 101I-166‑0525-30 / Weix­ler, Franz Peter / CC-BY-SA

Nur drei Tage nach Beginn der Kämp­fe auf Kre­ta (die vom 20. Mai 1941 bis zum 1. Juni 1941 andau­er­ten) erfolg­te der Ver­gel­tungs­be­fehl von Gene­ral Rin­gel vom 23.5.1941 (der so genann­te Rin­gel-Befehl); dem­nach sei in Ort­schaf­ten „sofort Gei­seln fest­zu­neh­men (Män­ner von 18 – 55 Jah­ren) und ihnen und der Ein­woh­ner­schaft bekannt­zu­ge­ben, daß im Fal­le feindl. Hand­lun­gen jeder Art gegen die deut­sche Wehr­macht sofor­ti­ge Erschies­sung erfolgt. Für jeden Deut­schen 10 Grie­chen, dazu wer­den die in der Nähe befind­li­chen Ort­schaf­ten angezündet.”


Der „Rin­gel-Befehl”

All die­se befoh­le­nen Maß­nah­men wäh­rend der Inva­si­on wie auch die anschlie­ßen­den Kriegs­ver­bre­chen unter dem Deck­na­men „Son­der­un­ter­neh­men Völ­ker­bund”, bei denen vom Beginn der Inva­si­on, im Mai 1941 bis Sep­tem­ber 1941 2.000 Zivi­lis­tIn­nen ermor­det wur­den, waren im Sin­ne des Kriegs­völ­ker­rechts Kriegs­ver­bre­chen. Und ent­we­der Teil der Luft­lan­de­schlacht um Kre­ta, oder sie stan­den in direk­tem Zusam­men­hang mit der Inva­si­on Kre­tas. Bei der Kre­ta-Gedenk­fei­er in Feld­bach-Gnie­bing wird aber genau die­ser „Schlacht um Kre­ta” gedacht. In einer Anfra­ge der Abge­ord­ne­ten Albert Stein­hau­ser und Harald Wal­ser zur „Tra­di­ti­ons­pfle­ge des Öster­rei­chi­schen Bun­des­hee­res” ist zu lesen:

2007 nah­men rund 15 Sol­da­ten des Bun­des­hee­res teil. (…) An Ange­hö­ri­gen des Bun­des­hee­res, die die Aus­gangs­uni­form tru­gen, konn­te nur einer erkannt wer­den: Es han­delt sich um (den spä­te­ren Ver­an­stal­ter der Fei­er) Bgdr. i.R. J.-P.P. Er trug Aus­gangs­uni­form zusam­men mit dem oli­ven Barett des Bun­des­hee­res mit dem Jagd­kom­man­do-Abzei­chen des Bundesheeres.

Der ange­spro­che­ne Bri­ga­dier in Ren­te ist Josef-Paul Pun­ti­gam, der auch Lan­des­ver­bands­ob­mann der Kame­rad­schaft vom Edel­weiß (KvE) ist. Daher ver­wun­dert es auch nicht, wenn auf der Web­site der KvE meh­re­re Bei­trä­ge zu der Schlacht um Kre­ta zu fin­den sind. So heißt es in einem Erlebnisbericht:

Im Zuge unse­res heu­ri­gen Fami­li­en­ur­lau­bes auf der Urlaubs­in­sel Kre­ta war es eine Ehren­pflicht, dass wir am 22.05.11 anläss­lich des 70. Jah­res­ta­ges der Schlacht um Kre­ta an der Gedenk­ver­an­stal­tung am Deut­schen Sol­da­ten­fried­hof Male­me teil­nah­men. Mein Urgroß­va­ter kämpf­te als Gebirgs­jä­ger im Gebirgs­jä­ger Regi­ment 141 auf Kre­ta und so galt mein Inter­es­se, neben der schö­nen Insel und dem Meer sowie dem kul­tu­rel­len Ange­bot, natür­lich der Mili­tär­ge­schich­te und den Ereig­nis­sen vor 70 Jah­ren.” Die­ser Auf­satz schließt mit einem angeb­li­chen Zitat eines deut­scher Offi­zier der Wehr­macht: „In Kre­ta erho­ben sich nur die Stei­ne nicht zum Kampf gegen uns. Jedes Lebe­we­sen kämpf­te gegen uns bis zum letz­ten Augen­blick und mach­te die­sen Kampf zu einer der denk­wür­digs­ten und ruhm­reichs­ten Schlach­ten der Geschichte.


„Fami­li­en­ur­laub” auf Kre­ta, Fak­si­mi­le der Web­site kameradschaftedelweiss.at

Ange­sichts der (noch wäh­rend der Inva­si­on befoh­le­nen) Kriegs­ver­bre­chen, wie das Kon­doma­ri-Mas­sa­ker am 2. Juni 1941, zei­gen Zita­te wie „einer der denk­wür­digs­ten und ruhm­reichs­ten Schlach­ten” und die Ver­mi­schung von Krieg, Fami­li­en­ur­laubs­freu­den, „kul­tu­rel­len Ange­bot”, bei gleich­zei­ti­gem Aus­las­sen der Ver­bre­chen der Wehr­macht, das pro­ble­ma­ti­sche Geschichts­be­wusst­sein des pri­va­ten Ver­eins Kame­rad­schaft vom Edel­weiß. Autor ist ein Ober­st­abs­wacht­meis­ter des Bun­des­hee­res und der 2. Obmann-Stell­ver­tre­ter des Orts­ver­band Leo­ben, der Kame­rad­schaft vom Edel­weiß.

Das Pro­blem an dem bis­he­ri­gen Bun­des­heer-inter­nen „Tra­di­ti­ons­pfle­ge­er­lass” ist nun, dass die­ser Erlass „nicht für alle Sol­da­ten gilt und dar­über hin­aus kei­ne Stra­fen ent­hält. Ver­ge­hen zie­hen kei­ne Bun­des­heer-inter­nen dis­zi­pli­nä­re Ver­fah­ren nach sich, Teil­nah­me an ‚ver­bo­te­nen’ Ver­an­stal­tun­gen sind nur mit mini­ma­len Stra­fen sank­tio­nier­bar”, so Stein­hau­ser. Auch reagiert Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter Nor­bert Dara­bos auf von den Grü­nen kri­ti­sier­te Vete­ra­nen­tref­fen, „die Umset­zung geschah jedoch immer über Ein­zel­er­läs­se. Es fehlt im Öster­rei­chi­schen Bun­des­heer an einer kla­ren, sank­tio­nier­ba­ren Abgren­zung zu Ver­bän­den des Drit­ten Rei­ches.” Die For­de­run­gen der Grü­nen sind daher fol­gen­de: „Die Bestim­mun­gen des Tra­di­ti­ons­pfle­ge­er­las­ses über die Abgren­zung zum Drit­ten Reich muss im Wehr­ge­setz fest­ge­schrie­ben wer­den. Nur das garan­tiert, dass es für alle Sol­da­ten bin­dend gilt und die­se durch­ge­setzt wer­den kön­nen.” Und: „Statt die Taten von Wehr­machts-Offi­zie­ren zu wür­di­gen sol­len jene gewür­digt wer­den, die sich dem Ver­nich­tungs­krieg der Wehr­macht ent­zo­gen haben.” Dazu wur­de im Par­la­ment fol­gen­der Antrag ein­ge­bracht: „Ver­ord­nung für den Miliz‑, Reser­ve- und Prä­senz­stand über die Teil­nah­me an Tref­fen mit Bezug zum Drit­ten Reich”

Das Bun­des­heer & die Rech­ten, Albert Stein­hau­ser im Par­la­ment zum „Kre­ta-Geden­ken”