Die Auflagen, die im gelockerten Vollzug anfallen, beinhalten so selbstverständliche Punkte wie das Gebot, das österreichische Bundesgebiet nicht zu verlassen und so verschrobene wie das Mohnverbot. Mohnflesserl und Mohnstrudel sind beim Harntest von anderen opiathaltigen Stoffen nicht zu unterscheiden und im Freigang daher verboten. Rechtsextreme Aktivitäten offensichtlich nicht. Das ergab zumindest die Anfragebeantwortung zu Küssels Freigang, die nur ganz allgemein davon spricht, dass sich Strafgefangene im Freigang „gemäß den gesetzlichen Bestimmungen zu verhalten“ haben. Das gilt eigentlich für alle, nicht nur für Strafgefangene im Freigang.
Wenn ein Neonazi wie Gottfried Küssel im Freigang in einer Runde mit anderen Rechtsextremen auftaucht, dann erklärt sein Anwalt die zum „Familientreffen“ mit einem „sicherheitsüberprüften Security-Angestellten“ und ansonsten unbekannten Teilnehmern, und die Justizanstalt prüft Konsequenzen, die es dann doch nicht gibt.
Nicht zum ersten Mal. Als der Ex-FPÖ- Landtagskandidat und inhaftierte Neonazi Robert Dürr im April 2002 von etlichen Menschen bei der Neonazi-Demo gegen die Wehrmachtsausstellung gesichtet wird, folgt eine parlamentarische Anfrage des damaligen SPÖ-Abgeordneten Walter Posch. Dürr hatte seinen Freigang mit der „Aufrechterhaltung der familiären Beziehungen“ und der „Erledigung dringender betrieblicher Angelegenheiten“ begründet. Justizminister Böhmdorfer antwortete, dass „in keiner Weise gesichert [sei], dass sich der Genannte tatsächlich an der Demonstration vom 13. April 2002 beteiligt hat“. Auch Robert Dürr, der da ein Problem mit seiner Freigangsbegründung gehabt hätte, dementierte kategorisch eine Teilnahme an der Demo.
Als „Suben Knaki“ postete Jürgen Windhofer, der Boss der Neonazi-Truppe „Objekt 21“, während seiner Haftzeit, die er zwischen 2010 und 2012 für seine Neonazi-Aktivitäten mit dem Kampfverband Oberdonau in der Justizanstalt Suben verbrachte, auf Facebook, setzte sich dabei auch für den mutmaßlichen NSU-Mittäter „Wolle“ ein. In der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage musste die Justizministerin einräumen, dass „Suben Knaki“ in seiner eineinhalbjährigen Haftzeit insgesamt 26 Freigänge erhalten hatte. Die propagandistischen Internet- Aktivitäten Windhofers waren aber eigentlich noch das geringere Problem. Während seiner Freigänge und auch aus der Haftzelle heraus dirigierte Windhofer die gerade in dieser Zeit erheblichen kriminellen Aktivitäten von „Objekt 21“ und rekrutierte dafür sogar Personal in der Haftanstalt.
„Teilnehmer eines neonazistischen »Balladenabends« im Objekt 21. Links: Jens Brucherseifer von der Band »Sturmwehr« und rechts: Jürgen Windhofer” (Zitiert und Bildquelle von antifainfoblatt.de)
Der ehemalige FPÖ-Bezirksrat und mehrmals wegen Wiederbetätigung verurteilte Wolfgang Fröhlich hat 2015 weitere drei Jahre Haft wegen Wiederbetätigung ausgefasst, weil er vermutlich aus der Haftzelle heraus seine revisionistischen, holocaustleugnenden Schriften per Post verschickt hat. Die Justizanstalt konnte seine Briefaktionen nicht wirklich klären, weil eigentlich jede Post – mit Ausnahme von Anwaltspost – kontrolliert wird (Kurier, 31.5.2016). Ob es ein gelockerter Vollzug oder die Anwaltspost war, wurde nicht geklärt.
Ähnlich dürfte es bei Gerd Honsik gelaufen sein, der 2007 nach einer mehrjährigen Flucht nach Spanien festgenommen und zunächst zu 18 Monaten, danach 2009 wegen neuerlicher Wiederbetätigung zu weiteren fünf Jahren (die dann auf 4 Jahre reduziert wurden) und schließlich 2010 noch einmal zu zwei Jahren Haft verurteilt wurde. 2011 wurde Honsik dennoch vorzeitig aus der Haft entlassen, weil eine soziale Integration in Spanien (!) gegeben sei. Honsik hat während seiner Haft und danach mithilfe von anderen Neonazis seine braune Agitation fortgesetzt und damit vermutlich fortdauernd gegen seine Bewährungsauflagen verstoßen.
(Edit, 11.10.2016, 12:00: Wie sich herausstellte, war doch nicht Küssel dort, sondern nur ein Doppelgänger. Siehe die entsprechende Richtigstellung im Artikel „Kein Küssel bei den Kärntner Kameraden”.)