Die Nazis im Freigang

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Der inhaf­tier­te Küs­sel auf Frei­gang bei den alten Nazis und Rechts­extre­men vom Ulrichs­berg? Schon ein Frei­gang Küs­sels im Juni hat öffent­li­ches Auf­se­hen erregt. Eine par­la­men­ta­ri­sche Anfra­ge soll­te Klä­rung brin­gen, denn Küs­sel ist nicht der ers­te Neo­na­zi, der aus der Haft her­aus wei­ter agie­ren konnte.

Die Auf­la­gen, die im gelo­cker­ten Voll­zug anfal­len, beinhal­ten so selbst­ver­ständ­li­che Punk­te wie das Gebot, das öster­rei­chi­sche Bun­des­ge­biet nicht zu ver­las­sen und so ver­schro­be­ne wie das Mohn­ver­bot. Mohn­fles­serl und Mohn­stru­del sind beim Harn­test von ande­ren opi­at­hal­ti­gen Stof­fen nicht zu unter­schei­den und im Frei­gang daher ver­bo­ten. Rechts­extre­me Akti­vi­tä­ten offen­sicht­lich nicht. Das ergab zumin­dest die Anfra­ge­be­ant­wor­tung zu Küs­sels Frei­gang, die nur ganz all­ge­mein davon spricht, dass sich Straf­ge­fan­ge­ne im Frei­gang „gemäß den gesetz­li­chen Bestim­mun­gen zu ver­hal­ten“ haben. Das gilt eigent­lich für alle, nicht nur für Straf­ge­fan­ge­ne im Freigang.

Wenn ein Neo­na­zi wie Gott­fried Küs­sel im Frei­gang in einer Run­de mit ande­ren Rechts­extre­men auf­taucht, dann erklärt sein Anwalt die zum „Fami­li­en­tref­fen“ mit einem „sicher­heits­über­prüf­ten Secu­ri­ty-Ange­stell­ten“ und ansons­ten unbe­kann­ten Teil­neh­mern, und die Jus­tiz­an­stalt prüft Kon­se­quen­zen, die es dann doch nicht gibt.

Nicht zum ers­ten Mal. Als der Ex-FPÖ- Land­tags­kan­di­dat und inhaf­tier­te Neo­na­zi Robert Dürr im April 2002 von etli­chen Men­schen bei der Neo­na­zi-Demo gegen die Wehr­machts­aus­stel­lung gesich­tet wird, folgt eine par­la­men­ta­ri­sche Anfra­ge des dama­li­gen SPÖ-Abge­ord­ne­ten Wal­ter Posch. Dürr hat­te sei­nen Frei­gang mit der „Auf­recht­erhal­tung der fami­liä­ren Bezie­hun­gen“ und der „Erle­di­gung drin­gen­der betrieb­li­cher Ange­le­gen­hei­ten“ begrün­det. Jus­tiz­mi­nis­ter Böhm­dor­fer ant­wor­te­te, dass „in kei­ner Wei­se gesi­chert [sei], dass sich der Genann­te tat­säch­lich an der Demons­tra­ti­on vom 13. April 2002 betei­ligt hat“. Auch Robert Dürr, der da ein Pro­blem mit sei­ner Frei­gangs­be­grün­dung gehabt hät­te, demen­tier­te kate­go­risch eine Teil­nah­me an der Demo.

Als „Suben Kna­ki“ pos­te­te Jür­gen Wind­ho­fer, der Boss der Neo­na­zi-Trup­pe „Objekt 21“, wäh­rend sei­ner Haft­zeit, die er zwi­schen 2010 und 2012 für sei­ne Neo­na­zi-Akti­vi­tä­ten mit dem Kampf­ver­band Ober­do­nau in der Jus­tiz­an­stalt Suben ver­brach­te, auf Face­book, setz­te sich dabei auch für den mut­maß­li­chen NSU-Mit­tä­ter „Wol­le“ ein. In der Ant­wort auf eine par­la­men­ta­ri­sche Anfra­ge muss­te die Jus­tiz­mi­nis­te­rin ein­räu­men, dass „Suben Kna­ki“ in sei­ner ein­ein­halb­jäh­ri­gen Haft­zeit ins­ge­samt 26 Frei­gän­ge erhal­ten hat­te. Die pro­pa­gan­dis­ti­schen Inter­net- Akti­vi­tä­ten Wind­ho­fers waren aber eigent­lich noch das gerin­ge­re Pro­blem. Wäh­rend sei­ner Frei­gän­ge und auch aus der Haft­zel­le her­aus diri­gier­te Wind­ho­fer die gera­de in die­ser Zeit erheb­li­chen kri­mi­nel­len Akti­vi­tä­ten von „Objekt 21“ und rekru­tier­te dafür sogar Per­so­nal in der Haftanstalt.


„Teil­neh­mer eines neo­na­zis­ti­schen »Bal­la­den­abends« im Objekt 21. Links: Jens Bruch­er­s­ei­fer von der Band »Sturm­wehr« und rechts: Jür­gen Wind­ho­fer” (Zitiert und Bild­quel­le von antifainfoblatt.de)

Der ehe­ma­li­ge FPÖ-Bezirks­rat und mehr­mals wegen Wie­der­be­tä­ti­gung ver­ur­teil­te Wolf­gang Fröh­lich hat 2015 wei­te­re drei Jah­re Haft wegen Wie­der­be­tä­ti­gung aus­ge­fasst, weil er ver­mut­lich aus der Haft­zel­le her­aus sei­ne revi­sio­nis­ti­schen, holo­caust­leug­nen­den Schrif­ten per Post ver­schickt hat. Die Jus­tiz­an­stalt konn­te sei­ne Brief­ak­tio­nen nicht wirk­lich klä­ren, weil eigent­lich jede Post – mit Aus­nah­me von Anwalts­post – kon­trol­liert wird (Kurier, 31.5.2016). Ob es ein gelo­cker­ter Voll­zug oder die Anwalts­post war, wur­de nicht geklärt.

Ähn­lich dürf­te es bei Gerd Hon­sik gelau­fen sein, der 2007 nach einer mehr­jäh­ri­gen Flucht nach Spa­ni­en fest­ge­nom­men und zunächst zu 18 Mona­ten, danach 2009 wegen neu­er­li­cher Wie­der­be­tä­ti­gung zu wei­te­ren fünf Jah­ren (die dann auf 4 Jah­re redu­ziert wur­den) und schließ­lich 2010 noch ein­mal zu zwei Jah­ren Haft ver­ur­teilt wur­de. 2011 wur­de Hon­sik den­noch vor­zei­tig aus der Haft ent­las­sen, weil eine sozia­le Inte­gra­ti­on in Spa­ni­en (!) gege­ben sei. Hon­sik hat wäh­rend sei­ner Haft und danach mit­hil­fe von ande­ren Neo­na­zis sei­ne brau­ne Agi­ta­ti­on fort­ge­setzt und damit ver­mut­lich fort­dau­ernd gegen sei­ne Bewäh­rungs­auf­la­gen verstoßen.

(Edit, 11.10.2016, 12:00: Wie sich her­aus­stell­te, war doch nicht Küs­sel dort, son­dern nur ein Dop­pel­gän­ger. Sie­he die ent­spre­chen­de Rich­tig­stel­lung im Arti­kel „Kein Küs­sel bei den Kärnt­ner Kame­ra­den”.)