Seinerzeit begab sich, dass ein Bursche und Jung-Germane die „völkisch-nationalen Elemente“ wachrütteln wollte und zu diesem Zwecke rühmend der Taten gedachte, mit denen „der Führer Hitler (…) die Firma (Deutschland) zunächst einmal ungemein in die Höhe brachte”. Auch die nationalsozialistischen Konzentrationslager fand der Marburger Germane gut und wichtig. Die anderen 35 Aktiven der Marburger Burschenschaft fanden das furchtbar und schlossen ihn aus – „cum infamia“, also mit Schimpf und Schande.
Das wiederum fanden die Alten Herren der Marburger Germanen gar nicht gut und geißelten den Ausschuss als „grausame Panne“ und Verrat an der „Meinungsfreiheit“. Ein Großteil der Alten Herren verschwor sich und setzte die Suspendierung der gesamten Aktivitas durch. Einige besonders aufmüpfige und demokratisch orientierte Aktive wurden gleich ausgeschlossen. Anschließend machten sich die Alten Herren daran, eine neue Aktivitas nach ihrem Ebenbild zu schaffen und nahmen handverlesen Burschis auf.
Der Dachverband Deutsche Burschenschaft, der von Aufmüpfigen angerufen wurde, befand, dass die Suspendierung der Aktivitas völlig satzungswidrig beschlossen wurde und verfügte, dass die suspendierten Aktiven aufs Germanenhaus zurückkehren sollten. Die taten das auch, wurden aber von den völkisch-nationalen Burschis und Alten Herren rausgeekelt und gaben auf bzw. legten ihr Band zurück.
Die braunen Burschis und Alten Herren aber lebten fröhlich in der Marburger Burschenschaft Germania weiter und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. Die ganze Geschichte spielte sich nämlich im Jahr 1957 ab, wurde damals vom Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ minutiös aufgezeichnet und so an uns überliefert.
Auf der Germanen-Webseite findet sich nichts über diese radikale Säuberungsaktion, die faktisch eine Neugründung war. Wer die Marburger Germanen googelt, landet rasch bei Meldungen, die auf deren rechtsextreme Gegenwart Bezug nehmen. 2015 befürchtete etwa die „Frankfurter Rundschau“ eine weitere Radikalisierung der Deutschen Burschenschaft durch den Vorsitz der Marburger Germanen. Nicht unbegründet, wie die Auseinandersetzung der Burschis mit dem Islamkritiker Hamed Abdel-Samad zeigte, über die der Blog „Burschenschafterpacktaus“ berichtete.
Zunächst waren die Marburger Germanen mächtig stolz, dass sie mit der Einladung des Islamkritikers öffentliche Aufmerksamkeit und Disput erzeugt hatten. Als dann aber Hamed Abdel-Samad auf seiner Facebook-Seite der Burschenschaft acht Fragen zu Holocaust, Hitler und den „Abstammungsbedingungen“ für Burschenschafter stellte, war Schluss mit lustig und mit der Debatte. Hamed Abdel-Samad wurde ausgeladen:
Nachdem ich die 8 Fragen an die Burschenschaft Germania geschickt habe, hat die Burschenschaft von sich aus die Veranstaltung abgesagt. Sie ist darüber verärgert dass ich die Sache auf Facebook öffentlich diskutiert und mich „durch linke Meinungsmacher unter Druck“ habe setzen lassen. Auch dass ich den Zentralrat der Juden und das Verfassungsschutz einbezogen habe, finden sie absurd. Ich bin der Meinung, auch das gehört zur Demokratie, dass kontroverse Fragen öffentlich diskutiert werden. Meine 8 Fragen empfanden sie als Gesinnungstest.
Zu ihrer Gesinnung wollen die Marburger Germanen nicht gerne befragt werden. Da gibt es auch durchaus heftige Schattierungen. Den burschenschaftlichen Pluralismus der Marburger Germanen charakterisiert der Blog „Naziwatchmarburg“ so: „vom Neonazikader bis zum neurechten Autor ist alles dabei“.
Über den engen Spezi von Martin Sellner und Marburger Germanen Philip Stein, der in Linz als Referent angeführt ist, hat der Blog „Wälder.Wiesen.Neonazis“ eine „Präsentation“ angefertigt, die das blasse neurechte Selbstbildnis des „Ein Prozent“-Aktivisten, in etwas kräftigerer, erdiger Farbe erstrahlen lässt.