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Verquerdenker

Auch mit der jüngs­ten Num­mer (August 2016) bleibt die Zeit­schrift „alles roger?“ von Unter­neh­mer Ronald Seunig ihrem bewähr­ten Kurs treu: ein biss­chen Stars, ein biss­chen Sex, ein biss­chen Gewalt, ein biss­chen Life­style – damit die Res­sen­ti­ments und der Ver­schwö­rungs­quatsch bes­ser rut­schen.  Das seit gut einem Jahr monat­lich erschei­nen­de Maga­zin posi­tio­niert sich selbst als kri­ti­sche Stimme […]

18. Aug 2016

Das seit gut einem Jahr monat­lich erschei­nen­de Maga­zin posi­tio­niert sich selbst als kri­ti­sche Stim­me jen­seits von „poli­ti­cal cor­rect­ness“ und Zeit­geist. Bei einem Her­aus­ge­ber, der auf sei­ner pri­va­ten Web­site erklärt, „daß die Ursa­chen und Tat­sa­chen des zwei­ten Welt­krie­ges nicht wei­ter­hin ver­fälscht dar­ge­stellt wer­den sol­len“ und auch ansons­ten an jeder Ecke Ver­tu­schung und Ver­schwö­rung (bevor­zugt durch Amis und „Finanz­ka­pi­tal“) wit­tert, ist frei­lich wenig Auf­klä­re­ri­sches zu erwar­ten. Und tat­säch­lich betreibt das selbst­er­nann­te „Quer­for­mat für Quer­den­ker“ statt Auf­klä­rung nichts ande­res als die Ver­stär­kung eben jener Res­sen­ti­ments und Gesell­schafts­kri­ti­ker­satz-Mythen, die an Stamm­ti­schen und in Ver­schwö­rer­fo­ren ohne­hin kursieren.

Schon die ers­te Text­sei­te der August-Aus­ga­be gibt die Rich­tung vor. Chef­re­dak­teur Roland Hof­bau­er freut sich über den „enor­men Gegen­wind“, den die Zeit­schrift ver­spü­re. Die Rich­tig­keit des Kur­ses erfah­re näm­lich durch den „Zorn der lin­ken Gesin­nungs­dik­ta­tur“ Bestä­ti­gung. Kampf­be­grif­fe wie die­se, die sonst nur in rechts­extre­men Dis­kur­sen auf­tau­chen, sind nun mal unab­ding­bar ist, wenn man sich mit einem aus Stamm­tisch­ge­rau­ne und Alu­hut­pro­sa zusam­men­ge­kleis­ter­ten Heft als kri­ti­scher Geist insze­nie­ren will. An der Sei­te Hof­bau­ers wirft Her­aus­ge­ber Seunig im Edi­to­ri­al ein­mal mehr die 9/11-Ver­schwö­rungs­lei­er an. Hier wie auch in ande­ren Belan­gen lässt sich für Seunig „par­tout nicht erklä­ren“, was er selbst nicht ver­stan­den hat oder nicht erklärt haben woll­te. Nicht feh­len darf auch ein aus­lei­ten­der Schlen­ker gegen die „nun ein­fal­len­den Hor­den von Schein­asy­lan­ten“.

Den Star im Inter­view gibt dies­mal Sus­an Saran­don, für den Sex sorgt ein Kreuz­fahrt­re­port („Grup­pen­sex auf hoher See“), für die Gewalt zeich­nen dies­mal grie­chi­sche Hoo­li­gans ver­ant­wort­lich. Ist das Publi­kum erst mal ange­fixt, liest es auch die Din­ge, die man eigent­lich vor­ran­gig trans­por­tie­ren will. Etwa die Ent­hül­lung, dass die „Finanz-Eli­te“ in Form von „den paar Fami­li­en …, die glo­bal die Fäden zie­hen“ uns beherrscht (die ansons­ten obli­ga­to­ri­sche Roth­schild-Men­ti­on ent­fällt dies­mal aus uner­find­li­chen Grün­den). Oder den Inves­ti­ga­tiv­knal­ler über die herr­schen­de „Grü­ne Mei­nungs­dik­ta­tur“. Belegt wird deren Exis­tenz etwa mit dem Umstand, dass Eva Gla­wi­sch­nig es wagt, Het­ze gegen sie und ande­re im Inter­net nicht län­ger hin­zu­neh­men, son­dern Rechts­mit­tel ein­zu­set­zen, wo gefähr­li­che Dro­hung oder ande­re recht­lich rele­van­te Tat­be­stän­de vor­lie­gen. Auch SdR wird pro­mi­nent behan­delt. Der Autor des Tex­tes, Klaus Faiß­ner, ‚weiß’ zwar, dass „Stoppt die Rech­ten“ von „Links­extre­men“ betrie­ben wird und „(o)ffensichtlich“ hin­ter einem jün­ge­ren Rück­schlag im Ver­trieb steckt (Bur­ger King ver­zich­te­te dar­auf, das Schmier­blatt in sei­nen Filia­len auf­stel­len zu las­sen) und wer sei­ne „Köp­fe“ sind, nicht aber, wie man die­se Köp­fe rich­tig schreibt. Selbst­ver­ständ­lich beschwert man sich in einem Extra­kas­ten über die „(b)esonders beliebt(e) … Nazi-Keu­le“, nur um sie dann selbst zu schwin­gen. „Die Grü­nen sind eine durch und durch tota­li­tä­re Par­tei. Das ver­bin­det sie mit den Kom­mu­nis­ten und den Nazis“, darf ein Wie­ner Notar erklä­ren – und sei­ne Kri­tik am Ver­het­zungs­pa­ra­gra­phen aus­wal­zen. Dass sich ein Medi­um durch die­sen Para­gra­phen ein­ge­schränkt fühlt, das sich über „Hor­den von Schein­asy­lan­ten“ ent­rüs­tet, Anrei­ßer wie „Asy­lan­ten kos­ten uns unglaub­li­che Sum­men“ dich­tet und vor­rech­net, dass man mit dem in Deutsch­land (sic) für Asyl­wer­be­rIn­nen aus­ge­ge­be­nen Geld „jedem Füh­rer­schein­be­sit­zer in Öster­reich einen Mit­tel­klas­se­wa­gen schen­ken“ kön­ne, darf frei­lich nicht verwundern.

Für das Polit-Inter­view wur­de dies­mal Hans Niessl vors Dik­ta­fon gebe­ten. Ver­dient hat er sich die Ehre dem Ein­lei­tungs­text zufol­ge damit, „in der Flücht­lings­fra­ge den Schwenk in sei­ner Par­tei vor­ge­ge­ben“ und durch sei­ne FPÖ-Koali­ti­on „die Bun­des-SPÖ zu einer bedeu­ten­den Annä­he­rung in Rich­tung poli­ti­sche Nor­ma­li­tät“ bewegt zu haben. Geführt wur­de das ami­ka­le Gespräch („Kaum ein ande­rer Poli­ti­ker ist in den ver­gan­ge­nen Wochen medi­al so deut­lich in Erschei­nung getre­ten wie du.“) von Peter Wes­ten­tha­ler, der auch stän­di­ger Kolum­nist der Zeit­schrift ist. Als inter­es­san­ter erweist sich jedoch ein ande­res Inter­view: jenes mit dem Vor­sit­zen­den des Maut­hau­sen-Komi­tees, Wil­li Mer­nyi. Inter­es­sant ist es vor allem auf­grund des Umstan­des, dass es bereits vor einem hal­ben Jahr wort­gleich in „alles roger?“ erschie­nen war. Offen­bar war Chef­re­dak­teur Hof­bau­er so stolz auf sei­ne Fra­gen, dass er sie (unter neu­em Titel) noch ein­mal gedruckt sehen woll­te. Nicht ganz zu unrecht, denn sie ver­ra­ten eini­ges über das Welt­bild des Herrn Schriftleiters:

„Darf man eine Fami­lie Roth­schild [da ist sie wie­der!] gene­rell nicht kritisieren…?“
„Wird der Aus­druck ‚anti­se­mi­tisch’ teil­wei­se infla­tio­när gebraucht?“
„Müs­sen sich heu­ti­ge Gene­ra­tio­nen noch immer für die Gräu­el­ta­ten ihrer Vor­fah­ren schul­dig fühlen?“
„Darf man die­se Sache [den Holo­caust, Anm.] auch mal ruhen lassen?“

Dan­ke, kei­ne wei­te­ren Fragen.

Frei­lich darf auch ein Bei­trag aus dem Gen­re regres­si­ve Putin­ver­eh­rung nicht feh­len. „Putin wird gemobbt und gehän­selt“, ist da zu lesen, und: „War­um Wla­di­mir Putin unser Feind sein soll, ver­steht nie­mand.“ So wie „alles roger?“ gene­rell haar­ge­nau zu wis­sen glaubt, was „das Volk“, „die Mehr­heit“ oder eben „alle“ den­ken – frei­lich ohne es für nötig zu befin­den, dafür einen hand­fes­te­ren Beleg als die Impres­sio­nen der Redak­teu­rIn­nen vozu­brin­gen. Wei­te­re Kost­pro­be: die „über­wie­gen­de Mehr­heit“ der ORF-Sehe­rIn­nen ste­he „bereits längst auf Kriegs­fuß mit dem Sen­der und sei­ner Pro­pa­gan­da“, schreibt Peter Wes­ten­tha­ler, der ja schon unter Hai­der gelernt hat, dass, wo Frei­heit­li­che spre­chen, per Defi­ni­ti­on die unge­fil­ter­te Stim­me des Vol­kes erklingt. Wo AutorIn­nen Bele­ge unum­gäng­lich erschei­nen, kom­men Exper­ten (sic) zu Wort. Frei­lich nicht irgend­wel­che, son­dern Rechts­au­ßen-Stich­wort­ge­ber wie Andre­as Unter­ber­ger, Jür­gen Elsäs­ser und Thi­lo Sar­ra­zin. Was man halt so liest als „alles roger?“-Redakteur/in …

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