Das seit gut einem Jahr monatlich erscheinende Magazin positioniert sich selbst als kritische Stimme jenseits von „political correctness“ und Zeitgeist. Bei einem Herausgeber, der auf seiner privaten Website erklärt, „daß die Ursachen und Tatsachen des zweiten Weltkrieges nicht weiterhin verfälscht dargestellt werden sollen“ und auch ansonsten an jeder Ecke Vertuschung und Verschwörung (bevorzugt durch Amis und „Finanzkapital“) wittert, ist freilich wenig Aufklärerisches zu erwarten. Und tatsächlich betreibt das selbsternannte „Querformat für Querdenker“ statt Aufklärung nichts anderes als die Verstärkung eben jener Ressentiments und Gesellschaftskritikersatz-Mythen, die an Stammtischen und in Verschwörerforen ohnehin kursieren.
Schon die erste Textseite der August-Ausgabe gibt die Richtung vor. Chefredakteur Roland Hofbauer freut sich über den „enormen Gegenwind“, den die Zeitschrift verspüre. Die Richtigkeit des Kurses erfahre nämlich durch den „Zorn der linken Gesinnungsdiktatur“ Bestätigung. Kampfbegriffe wie diese, die sonst nur in rechtsextremen Diskursen auftauchen, sind nun mal unabdingbar ist, wenn man sich mit einem aus Stammtischgeraune und Aluhutprosa zusammengekleisterten Heft als kritischer Geist inszenieren will. An der Seite Hofbauers wirft Herausgeber Seunig im Editorial einmal mehr die 9/11-Verschwörungsleier an. Hier wie auch in anderen Belangen lässt sich für Seunig „partout nicht erklären“, was er selbst nicht verstanden hat oder nicht erklärt haben wollte. Nicht fehlen darf auch ein ausleitender Schlenker gegen die „nun einfallenden Horden von Scheinasylanten“.
Den Star im Interview gibt diesmal Susan Sarandon, für den Sex sorgt ein Kreuzfahrtreport („Gruppensex auf hoher See“), für die Gewalt zeichnen diesmal griechische Hooligans verantwortlich. Ist das Publikum erst mal angefixt, liest es auch die Dinge, die man eigentlich vorrangig transportieren will. Etwa die Enthüllung, dass die „Finanz-Elite“ in Form von „den paar Familien …, die global die Fäden ziehen“ uns beherrscht (die ansonsten obligatorische Rothschild-Mention entfällt diesmal aus unerfindlichen Gründen). Oder den Investigativknaller über die herrschende „Grüne Meinungsdiktatur“. Belegt wird deren Existenz etwa mit dem Umstand, dass Eva Glawischnig es wagt, Hetze gegen sie und andere im Internet nicht länger hinzunehmen, sondern Rechtsmittel einzusetzen, wo gefährliche Drohung oder andere rechtlich relevante Tatbestände vorliegen. Auch SdR wird prominent behandelt. Der Autor des Textes, Klaus Faißner, ‚weiß’ zwar, dass „Stoppt die Rechten“ von „Linksextremen“ betrieben wird und „(o)ffensichtlich“ hinter einem jüngeren Rückschlag im Vertrieb steckt (Burger King verzichtete darauf, das Schmierblatt in seinen Filialen aufstellen zu lassen) und wer seine „Köpfe“ sind, nicht aber, wie man diese Köpfe richtig schreibt. Selbstverständlich beschwert man sich in einem Extrakasten über die „(b)esonders beliebt(e) … Nazi-Keule“, nur um sie dann selbst zu schwingen. „Die Grünen sind eine durch und durch totalitäre Partei. Das verbindet sie mit den Kommunisten und den Nazis“, darf ein Wiener Notar erklären – und seine Kritik am Verhetzungsparagraphen auswalzen. Dass sich ein Medium durch diesen Paragraphen eingeschränkt fühlt, das sich über „Horden von Scheinasylanten“ entrüstet, Anreißer wie „Asylanten kosten uns unglaubliche Summen“ dichtet und vorrechnet, dass man mit dem in Deutschland (sic) für AsylwerberInnen ausgegebenen Geld „jedem Führerscheinbesitzer in Österreich einen Mittelklassewagen schenken“ könne, darf freilich nicht verwundern.
Für das Polit-Interview wurde diesmal Hans Niessl vors Diktafon gebeten. Verdient hat er sich die Ehre dem Einleitungstext zufolge damit, „in der Flüchtlingsfrage den Schwenk in seiner Partei vorgegeben“ und durch seine FPÖ-Koalition „die Bundes-SPÖ zu einer bedeutenden Annäherung in Richtung politische Normalität“ bewegt zu haben. Geführt wurde das amikale Gespräch („Kaum ein anderer Politiker ist in den vergangenen Wochen medial so deutlich in Erscheinung getreten wie du.“) von Peter Westenthaler, der auch ständiger Kolumnist der Zeitschrift ist. Als interessanter erweist sich jedoch ein anderes Interview: jenes mit dem Vorsitzenden des Mauthausen-Komitees, Willi Mernyi. Interessant ist es vor allem aufgrund des Umstandes, dass es bereits vor einem halben Jahr wortgleich in „alles roger?“ erschienen war. Offenbar war Chefredakteur Hofbauer so stolz auf seine Fragen, dass er sie (unter neuem Titel) noch einmal gedruckt sehen wollte. Nicht ganz zu unrecht, denn sie verraten einiges über das Weltbild des Herrn Schriftleiters:
„Darf man eine Familie Rothschild [da ist sie wieder!] generell nicht kritisieren…?“
„Wird der Ausdruck ‚antisemitisch’ teilweise inflationär gebraucht?“
„Müssen sich heutige Generationen noch immer für die Gräueltaten ihrer Vorfahren schuldig fühlen?“
„Darf man diese Sache [den Holocaust, Anm.] auch mal ruhen lassen?“
Danke, keine weiteren Fragen.
Freilich darf auch ein Beitrag aus dem Genre regressive Putinverehrung nicht fehlen. „Putin wird gemobbt und gehänselt“, ist da zu lesen, und: „Warum Wladimir Putin unser Feind sein soll, versteht niemand.“ So wie „alles roger?“ generell haargenau zu wissen glaubt, was „das Volk“, „die Mehrheit“ oder eben „alle“ denken – freilich ohne es für nötig zu befinden, dafür einen handfesteren Beleg als die Impressionen der RedakteurInnen vozubringen. Weitere Kostprobe: die „überwiegende Mehrheit“ der ORF-SeherInnen stehe „bereits längst auf Kriegsfuß mit dem Sender und seiner Propaganda“, schreibt Peter Westenthaler, der ja schon unter Haider gelernt hat, dass, wo Freiheitliche sprechen, per Definition die ungefilterte Stimme des Volkes erklingt. Wo AutorInnen Belege unumgänglich erscheinen, kommen Experten (sic) zu Wort. Freilich nicht irgendwelche, sondern Rechtsaußen-Stichwortgeber wie Andreas Unterberger, Jürgen Elsässer und Thilo Sarrazin. Was man halt so liest als „alles roger?“-Redakteur/in …