Zahlreiche Prominente fordern von Justizminister Maßnahmen gegen Skandale bei Verbotsgesetzfällen

Wien (OTS) — In einem Offe­nen Brief wen­den sich mehr als 50 Per­sön­lichkeit­en an Jus­tizmin­is­ter Wolf­gang Brand­stet­ter: Sie ver­lan­gen von ihm wirk­same Maß­nah­men, um weit­ere Jus­tizskan­dale bei Fällen von NS-Wieder­betä­ti­gung zu ver­hin­dern. Solche Skan­dale gibt es immer wieder, teil­weise erre­gen sie auch inter­na­tionales Auf­se­hen. Zulet­zt hat eine Graz­er Staat­san­wältin den Het­zartikel eines bekan­nten Recht­sex­trem­is­ten gegen KZ-Über­lebende „nachvol­lziehbar“ gefun­den und das Strafver­fahren eingestellt. (⇒ Presseaussendung, Mau­thausen Komi­tee, OÖ. Net­zw­erks gegen Ras­sis­mus und Recht­sex­trem­is­mus).

Die nächsten Justizskandale in Sachen NS-Wiederbetätigung verhindern!

Sehr geehrter Herr Bundesminister!

Das Ver­fas­sungs­ge­setz vom 8. Mai 1945 über das Ver­bot der NSDAP, das erste Gesetz der Zweit­en Repub­lik, erfüllt auch beste­hende völk­er­rechtliche Verpflich­tun­gen (Artikel 9 des Staatsver­trages von Wien).

Der Ver­fas­sungs­gerichshof hat fest­gestellt: „Die kom­pro­miss­lose Ablehnung des Nation­al­sozial­is­mus ist ein grundle­gen­des Merk­mal der wieder­er­stande­nen Repub­lik. Aus­nahm­s­los jede Staat­stätigkeit hat sich daran zu orientieren.“

Lei­der wer­den immer wieder Fälle bekan­nt, in denen die Strafrecht­spflege dieser klaren Vor­gabe keineswegs gerecht wird. Manche Staat­san­wälte und Richter set­zen das Ver­bots­ge­setz fak­tisch außer Kraft, sodass selb­st übel­ste neon­azis­tis­che Umtriebe straf­frei bleiben. Jene Graz­er Staat­san­wältin, die die men­schen­ver­ach­t­ende Het­zpro­pa­gan­da eines notorischen Recht­sex­trem­is­ten gegen KZ-Über­lebende für „nachvol­lziehbar“ hielt und deshalb das Strafver­fahren ein­stellte, ist nur das jüng­ste Beispiel von vielen.

Solche Jus­tizskan­dale sind eine Ver­höh­nung der NS-Opfer und schädi­gen das Anse­hen Öster­re­ichs. Außer­dem wer­den sie von der braunen Szene, die ohne­hin immer dreis­ter und bru­taler wird, als Ermunterung zu neuen Attack­en verstanden.

Sehr geehrter Herr Bun­desmin­is­ter! Wir Unterze­ich­ner­in­nen und Unterze­ich­n­er dieses Offe­nen Briefes schätzen Ihre unmissver­ständliche Hal­tung gegenüber dem Recht­sex­trem­is­mus. Diese Hal­tung war auch bei der gelun­genen Reform des Ver­het­zungspara­graphen spürbar.

Ger­ade deshalb richt­en wir an Sie den drin­gen­den Appell, die abse­hbaren näch­sten Jus­tizskan­dale in Sachen NS-Wieder­betä­ti­gung durch fol­gende Maß­nah­men zu verhindern:

+ Die Staat­san­waltschaften müssen dem Bun­desmin­is­teri­um für Jus­tiz laufend über sämtliche Ver­bots­ge­set­zfälle berichten.

+ Die Staat­san­waltschaften müssen die Öffentlichkeit über sämtliche Ver­bots­ge­set­zfälle und ihre Erledi­gung informieren. Über die jew­eilige Erledi­gung müssen auch Per­so­n­en, die Anzeige erstat­tet haben, zeit­nah schriftlich informiert werden.

+ Alle Staat­san­wälte und Strafrichter wer­den in der Materie Ver­bots­ge­setz inten­siv geschult, und zwar auch unter Ver­mit­tlung notwendi­gen Hin­ter­grund­wis­sens über den his­torischen Nation­al­sozial­is­mus sowie über die heutige neon­azis­tis­che Szene.

Bedenkt man die Bedeu­tung des Ver­bots­ge­set­zes, sind diese Maß­nah­men ein mehr als vertret­bar­er Aufwand, um die kon­se­quente und wirk­same Anwen­dung des Geset­zes sicherzustellen. Nicht vertreten ließe sich, taten­los auf die näch­sten ein­schlägi­gen Fehlleis­tun­gen zu warten.

Mit fre­undlichen Grüßen

Wil­helm ACHLEITNER, Leit­er des Bil­dung­shaus­es Schloss Puch­berg, Diözese Linz
Irm­gard ASCHBAUER, Vor­sitzende der Öster­re­ichis­chen Lagerge­mein­schaft Mauthausen
Wolf­gang BANDION, Kul­turhis­torik­er und Delegiert­er im Inter­na­tionalen Mau­thausen Komitee
Andreas BAUMGARTNER, Gen­er­alsekretär des Inter­na­tionalen Mau­thausen Komitees
Ger­hard BAUMGARTNER, Leit­er des Doku­men­ta­tion­sarchivs des österr. Widerstandes
Alois BIRKLBAUER, Strafrechtswis­senschafter
Bert BRANDSTETTER, Präsi­dent der Katholis­chen Aktion Oberösterreich
Michael BÜNKER, Bischof der Evan­ge­lis­chen Kirche A.B.
Inge DALMA, Prä­sid­i­umsmit­glied der Öster­re­ichisch-Israelis­chen Gesellschaft
Mer­cedes ECHERER, Schaus­pielerin
Robert EITER, Sprech­er des OÖ. Net­zw­erks gegen Ras­sis­mus und Rechtsextremismus
Marko FEINGOLD, Über­leben­der des KZ Auschwitz
Peter FLORIANSCHÜTZ, Prä­sid­i­umsmit­glied der Öster­re­ichisch-Israelis­chen Gesellschaft
Erich FOGLAR, Präsi­dent des Öster­re­ichis­chen Gewerkschaftsbundes
FRANZOBEL, Schrift­steller
Win­fried R. GARSCHA, His­torik­er und stv. Bun­desvor­sitzen­der des KZ-Verbandes
Rudolf GELBARD, Über­leben­der des KZ Theresienstadt
Roland GIRTLER, Sozi­ologe und Kulturanthropologe
Heimo GRUBER, Prä­sid­i­umsmit­glied der Öster­re­ichisch-Israelis­chen Gesellschaft
Har­ald GRÜNN, Bun­desvor­sitzen­der des KZ-Verbandes
Elfriede JELINEK, Lit­er­aturnobel­preisträgerin
Michael JOHN, His­torik­er und Obmann der Öster­re­ichis­chen Lagerge­mein­schaft Auschwitz
Gün­ter KAINDLSTORFER, Jour­nal­ist und Schriftsteller
Rudolf KASKE, Präsi­dent der Bun­de­sar­beit­skam­mer und der Arbeit­erkam­mer Wien
Har­ald KRASSNITZER, Schaus­piel­er
Lud­wig LAHER, Schrift­steller
Andreas MAISLINGER, Poli­tik­wis­senschafter
Willi MERNYI, Vor­sitzen­der des Mau­thausen Komi­tees Österreich
Wolf­gang NEUGEBAUER, His­torik­er
Cor­nelius OBONYA, Schaus­piel­er
Elis­a­beth ORTH, Schaus­pielerin und Präsi­dentin der Aktion gegen den Antisemitismus
Andreas PEHAM, Autor und Rechtsextremismus-Experte
Anton PELINKA, Poli­tik­wis­senschafter
Veroni­ka PERNSTEINER, Vor­sitzende der Katholis­chen Frauen­be­we­gung Österreichs
Alexan­der POLLAK, Sprech­er von SOS Mitmensch
Mar­tin POLLACK, Schrift­steller
Doron RABINOVICI, Schrift­steller
Thomas RAMMERSTORFER, Autor und Rechtsextremismus-Experte
Wern­er RETZL, Vor­sitzen­der der Welser Ini­tia­tive gegen Faschismus
Ger­hard RUISS, Schrift­steller und Sprech­er der IG Autorin­nen und Autoren
Uwe SAILER, Träger des Ute-Bock-Preis­es für Zivilcourage
Käthe SASSO, Über­lebende des KZ Ravensbrück
Ger­da SCHAFFELHOFER, Präsi­dentin der Katholis­chen Aktion Österreich
Hans-Hen­ning SCHARSACH, Autor und Rechtsextremismus-Experte
Man­fred SCHEUER, Bischof von Linz
Thomas SCHMIDINGER, Poli­tik­wis­senschafter
Franz SCHUH, Schrift­steller
Johannes SCHWANTNER, Vor­sitzen­der des Bun­des Sozialdemokratis­ch­er Freiheitskämpfer
Susanne SHAKED, Gen­er­alsekretärin der Öster­re­ichisch-Israelis­chen Gesellschaft
Erwin STEINHAUER, Schaus­piel­er
Mar­lene STREERUWITZ, Schrift­stel­lerin
Hans-Jür­gen TEMPLMAYR, Prä­sid­i­umsmit­glied der Öster­re­ichisch-Israelis­chen Gesellschaft
Peter WEIDNER, Beiratsmit­glied der Öster­re­ichisch-Israelis­chen Gesellschaft