Leberkäse und ein brauner Lieblingsautor

Man­fred Haim­buch­ner, der ober­ös­ter­rei­chi­sche FPÖ-Vor­sit­zen­de und seit kur­zem auch Lan­des­haupt­mann­stell­ver­tre­ter, hat als sei­nen Lieb­lings­au­tor Ernst von Salo­mon genannt. Ganz offi­zi­ell auf den Sei­ten des Lan­des Ober­ös­ter­reich. Das hat was, denn Ernst von Salo­mon kämpf­te zeit sei­nes Lebens gegen Par­la­men­ta­ris­mus und Demo­kra­tie – in Wor­ten und mit Taten. Salo­mon war ein rechts­extre­mer Ter­ro­rist und auch Nazi mit Brü­chen und Widersprüchen.

Leber­kä­se und Schweins­bra­ten, die Lieb­lings­spei­sen von Haim­buch­ner, sind schon ziem­lich def­ti­ge Kost, aber sein Lieb­lings­au­tor Salo­mon über­trifft das bei wei­tem. Der Schrift­stel­ler Salo­mon ist mitt­ler­wei­le weit­ge­hend unbe­kannt. Wenn ihn ein blau­er Spit­zen­po­li­ti­ker aber als Lieb­lings­au­tor benennt und so wie­der bekannt machen will, dann ist es zwei­fel­los ange­bracht, sich mit ihm zu beschäf­ti­gen und die Ver­bin­dungs­li­ni­en zwi­schen den bei­den zu suchen.

Salo­mon, gebo­ren im Jahr 1902 als Spross einer Adels­fa­mi­lie, wur­de schon im zar­ten Alter von 16 Jah­ren Mit­glied rechts­extre­mer mili­tan­ter Grup­pie­run­gen. 1920 nahm er am Kapp-Putsch, einem geschei­ter­ten Putsch­ver­such gegen die Wei­ma­rer Repu­blik teil.

1922 war er betei­ligt an der Ermor­dung des deut­schen Außen­mi­nis­ters Wal­ter Rathen­au, wur­de dafür vor ein Gericht gestellt und auch ver­ur­teilt. Der 20-jäh­ri­ge Salo­mon war zuvor schon an einem Feme-Mord­ver­such an einem Mit­glied der rechts­extre­men, anti­se­mi­ti­schen und klan­des­ti­nen Ter­ror­or­ga­ni­sa­ti­on Con­sul betei­ligt, zu der auch er gehörte.

Eigent­lich ist der poli­ti­sche Lebens­lauf Salo­mons, der eng mit sei­ner lite­ra­ri­schen Kar­rie­re ver­knüpft ist, in dem Wiki­pe­dia-Ein­trag über ihn sehr gut dar­ge­stellt. Sein wich­tigs­tes Werk vor der Nazi-Ära war wohl der Roman „Die Geäch­te­ten“ (1930), der eben­so stark auto­bio­gra­phi­sche Züge auf­wies wie das Nach­kriegs­opus „Der Fra­ge­bo­gen“, das ein Best­sel­ler wurde.


Der Fra­ge­bo­gen

In den „Geäch­te­ten“ (1930) glo­ri­fi­zier­te Salo­mon sei­ne Putsch- und Ter­ror-Ära, in dem Roman „Der Fra­ge­bo­gen“ (1951) beklag­te Salo­mon sein Schick­sal als von den US-Behör­den mit dem „Fra­ge­bo­gen“ zur Ent­na­zi­fi­zie­rung belas­te­ter Nazi. Denn Salo­mon war nicht nur rechts­extre­mer Ter­ro­rist, son­dern auch Nazi. Aller­dings ein Nazi mit Brü­chen: ein Anti­se­mit mit einer jüdi­schen Freun­din, ein eli­tä­rer und gewalt­tä­ti­ger Rechts­extre­mist, dem die Nazis zu sim­pel waren, ein Natio­nal­so­zia­list, der trotz Par­tei­buch in Distanz zum Regime blieb, ein Schrift­stel­ler, der im NS-Regime ordent­lich ver­dien­te, aber einem Freund mit­teil­te: „… viel­mehr bin ich ein ganz kor­rup­tes Schwein gewor­den, das den schä­bi­gen Rest von See­le glatt für die Bro­sa­men ver­kauft, wel­che vom reich besetz­ten Tisch der UFA fallen.“

Der öster­rei­chi­sche Schrift­stel­ler Alfred Pol­gar hat mit Ernst von Salo­mon und des­sen Roman „Der Fra­ge­bo­gen“ in dem Auf­satz „Eine gespens­ti­sche Erschei­nung“ abge­rech­net, es schon vor­her in einem Brief als „voll faschis­tisch-nazis­ti­scher Pro­pa­gan­da“ bezeich­net. Das Buch war in den Nach­kriegs­jah­ren des­we­gen so beliebt, weil es Salo­mon lite­ra­risch gelang, die von den US-Ent­na­zi­fi­zie­rungs­pro­gram­men erfass­ten Alt­na­zis, egal ob Par­tei­gran­den und Ein­peit­scher oder ein­fa­che Par­tei­sol­da­ten, hin­ter der Bot­schaft zu ver­sam­meln, dass „den Deut­schen“ schon wie­der Unrecht geschehe.

„Dass aber die Natio­nal­so­zia­lis­ten mit Salo­mon das Ziel teil­ten, Deutsch­land um jeden Preis zu neu­er Grö­ße zu ver­hel­fen, fällt dabei völ­lig unter den Tisch. Ernst von Salo­mon ist nicht ange­tre­ten, um alles anders zu machen als die Natio­nal­so­zia­lis­ten, son­dern um es bes­ser zu machen. Sei­ne Abwen­dung von der Poli­tik nach 1933 ist von dem Gefühl bestimmt, dass Hit­ler und sei­ne Anhän­ger den Natio­na­lis­mus ver­hunzt hät­ten.“ (Frank­fur­ter Rund­schau)

Mög­li­cher­wei­se ist das auch ein Anknüp­fungs­punkt für Haim­buch­ners Vor­lie­be für Salo­mon. Viel­leicht sind es auch die vie­len Brü­che und Iden­ti­tä­ten bei Salo­mon, die Haim­buch­ner an Salo­mon fas­zi­nie­ren. Oder sein eli­tä­res Selbst­ver­ständ­nis, das bei Haim­buch­ner nicht nur in sei­ner Mit­glied­schaft zu einem Corps (Corps Ale­man­nia Wien zu Linz), son­dern auch in sei­ner Ver­bin­dung zum Witiko­bund (des­sen stell­ver­tre­ten­der Vor­sit­zen­der Haim­buch­ner war) oder auch sei­ner Rol­le beim Atter­see-Kreis zum Aus­druck kommt.

Unterm Strich bleibt: Ernst von Salo­mon war rechts­extre­mer Gewalt­tä­ter, der an einem wesent­li­chen poli­ti­schen Mord (Wal­ter Rathen­au) bzw. Mord­ver­su­chen betei­ligt war, der Natio­nal­so­zia­list war, aber sich in sei­ne pri­va­te Lebens­füh­rung von den Nazis nicht drein­re­den las­sen woll­te, und der über all das ein in den Nach­kriegs­jah­ren aus bestimm­ten Grün­den erfolg­rei­ches Buch geschrie­ben hat.

Lesens­wert: Rüdi­ger Ahrens, Die Ver­hun­zer des Natio­na­lis­mus, Frank­fur­ter Rund­schau.