In der Salzburger Hochschülerschaft hat der VSStÖ die Koalition mit der GRAS aufgekündigt. Das interessiert uns nur insofern, als der VSStÖ die gewagte Behauptung aufstellt, dass er seine linken Positionen in einer Koalition mit der Aktionsgemeinschaft fortsetzen wolle. Die GRAS konterte mit dem Vorwurf, dass der VSStÖ nach rechts gehe und lieferte dafür auch einen Beleg: den stellvertretenden ÖH-Vorsitzenden Max Wagner (VSStÖ), der Mitglied einer schlagenden Studentenverbindung ist.
Der Bundes-VSStÖ reagierte auf die Enthüllung mit der Ankündigung eines Ausschlussverfahrens gegen Max Wagner: „Er wird für uns keine Funktion mehr ausüben. Ein Ausschlussverfahren läuft schon.“ Wagner selbst reagierte mit seinem Rücktritt als ÖH-Funktionär und dem Austritt aus dem VSStÖ. Im übrigen zeigte er sich enttäuscht über die „schäbige, niederträchtige und charakterlose Art“, wie er als Person durch die GRAS und den grünen Landtagsabgeordneten Simon Hofbauer zerstört werden sollte. Er bestätigte dem „Standard“ zwar seine Mitgliedschaft im Corps Budissa Leipzig zu Passau, betonte aber, „das ist keine Burschenschaft, auch keine österreichische Verbindung mit nationalem Gedankengut“ (Der Standard).

Was stimmt?
Nun, die Sache ist kompliziert. Ganz allgemein gibt es das Missverständnis, dass Burschenschafter, Corpsstudenten und Kartellbrüder (CV) so ziemlich dasselbe seien. Das stimmt nur insofern, als alle Mitglieder eines Männerbundes sind. Den Gruppen gemeinsam ist auch noch, dass sie sich kostümieren, „Farben“ tragen. Es gibt aber auch nicht farbentragende Studentenverbindungen. Und es gibt Frauenverbindungen – in allen genannten Gruppen.
Eine wesentlichere Unterscheidung ist aber die zwischen den konfessionell orientierten Studentenverbindungen (die wichtigste ist der CV – Cartellverband) und den nichtkonfessionellen (Burschenschaften, Corps, Landsmannschaften usw.). Darüber hinaus gilt noch eine Faustregel: Fast alle nichtkonfessionellen Verbindungen in Österreich sind dem deutschnationalen, freiheitlichen Lager zuzurechnen, während es in Deutschland durchaus bemerkenswerte Unterschiede gibt.
Die Corps waren eigentlich die nichtnationale Alternative zu der Deutschen Burschenschaft, die auch jetzt noch auf rassischen Kriterien basiert. Die Corps verstanden sich allerdings von Anfang an als „unpolitische“ Elite der Studentenschaft und „wurden zu Organisationen des bürgerlichen und aristokratischen Establishments“.
Für Österreich gelten diese Unterschiede zwischen Burschenschaften und Corps weitgehend nicht. Beide sind – mit ganz wenigen Ausnahmen — im deutschnationalen und freiheitlichen Lager verankert, über Dachorganisationen (z.B. Wiener Korporationsring, Freiheitliche Akademikerverbände) miteinander und auch mit der FPÖ verbunden.
Ist das Corps Budissa rechtsextrem?
Corps in Deutschland sind elitäre, männerbündlerische und im allgemeinen ziemlich konservative Einrichtungen, deren Mitglieder sich gegenseitig ihre Gesichter zu zersäbeln versuchen. Wir haben einen ausgewiesenen und engagierten Kenner der deutschen Korporationsszene, Christian J. Becker, den Sprecher der Initiative „Burschenschafter gegen Neonazis“ und Betreiber des Blogs „Burschenschafter packt aus“ dazu um eine Stellungnahme gebeten. Zum Corps Budissa wollte Becker keine Stellungnahme abgeben, weil er keine Informationen dazu hatte.

Seine allgemeine Einschätzung der Corps in Deutschland deckt sich weitgehend mit unserer:
Während sich manche Corps und Burschenschaften in Österreich besonders unter dem FPÖ-Dach ideologisch sehr nahe kommen, ist das in Deutschland anders. Hier gehen Corps auf deutliche Distanz zu rechten Burschenschaften. Diese Distanz der „Currys” zu den „Buxen” (so nennen sich Corps und Burschenschafter gegenseitig etwas herablassend) ist seit dem Rechtsruck der Deutschen Burschenschaft noch spürbarer geworden. Rechte Burschenschaften sind den apolitischen Corps ein Dorn im Auge — auch weil sie aus Corps-Sicht den Ruf aller Studentenverbindungen beschädigen können. Und das ziemlich rechte Prinzip der DB-Burschenschaften passt nicht zu den toleranteren Corps, die oft viele Nationalitäten unter einem Dach vereinen.
Die Unterschiede zeigen sich auch beim Fechten: Bestimmungsmensuren zwischen den beiden Lagern gibt es nicht so häufig.
Während in Deutschland viele DB-Burschenschaften als Bünde politisch rechts auffällig sind, gibt es das bei Corps als Gesamtbund gar nicht. Wenn es rechte Auffälligkeiten gibt, hängt das meist an einzelnen Personen in Corps. Beispielsweise ist der NRW-Chef der AfD, Marcus Pretzell, Mitglied eines Corps in Heidelberg. Es bleibt abzuwarten, ob die AfD ähnlich wie die FPÖ ein ideologisches Dach für die Rechten in unterschiedlichen Studentenverbindungen bauen wird.
Wir haben aber auch zum Corps Budissa Leipzig zu Passau Informationen zusammengetragen. Der Name des Corps ist die latinisierte Version des sorbischen Namens Budyssin für die ostsächsische Stadt Bautzen. In Passau ist das Corps ein Anlaufpunkt für die konservativen Schicki-Mickis. Darauf deutet ein Bericht im „Uni-Spiegel“ hin, wonach die Party des Jahres, „Riverboat“, vom Corps Budissa organisiert wird:
Die Männer tragen Anzug, die Frauen Abendkleid. Sie chartern ein Ausflugsschiff und fahren auf die Donau hinaus. In den vergangenen Jahren stürzten immer wieder Gäste betrunken in den Fluss, sie warfen Porsche-Schlüssel über Bord und Rolex-Uhren. Das Rote Kreuz musste am Rathausplatz ein Lazarett aufbauen, um erste Hilfe zu leisten.
Sonst ist wenig über Budissa zu finden. 2008 wird ein „Budisse“ in den Medien erwähnt – einschlägig sogar. Dem adeligen Mitarbeiter des damaligen CSU-Stars Guttenberg, der später dann über seine plagiierte Dissertation stolperte, wurde ein Foto zum Verhängnis, das ihn mit Hitlergruß zeigte. Der Leiter der CSU-Strategieabteilung und „Freiherr“ (so wie Guttenberg) war zwar Budisse – das Foto war allerdings im Alter von 16 Jahren entstanden. Die „Süddeutsche Zeitung“ ortete aber weder ihn noch das Corps im rechtsextremen Lager, auch wenn die angeführten „Beweise“ ziemlich problematisch sind: „Die Söhne von Ex-SED-Chef Egon Krenz oder der früheren DGB-Vize-Vorsitzenden Ursula Engelen-Kefer sind auch Mitglied dort.“
Ein anderer Vorfall, der das Corps Budissa betrifft, ist so grotesk wie bezeichnend. Im Jahr 2000 will ein Budisse als Zuschauer an einer Mensur, die bei der schwer rechtsextremen Burschenschaft Danubia München geschlagen wird, teilnehmen. Das Zuschauen bei Mensuren ist sehr streng geregelt, da sich die Korporierten (Burschis & Corps) nicht gern über die Schulter blicken lassen wollen. Der Zuseher vom Corps Budissa erfüllt eigentlich die Bedingungen, wird aber dennoch der Bude verwiesen. Der eigentliche, eindeutig rassistische Grund – der Budisse war offensichtlich kein „Germane“, sondern Eriträer — wurde erst in dem komplizierten Verfahren zur Streitbeilegung zwischen Corps Budissa und Burschenschaft Danubia sichtbar. Die „Strafe“ der Corps für die rassistische Burschenschaft soll damals übrigens gewesen sein, dass alle Kontakte zur Danubia abgebrochen wurden, also auch keine Mensuren mehr ausgefochten wurden! Na bumm!
Einfach ist es mit dem Corps Budissa nicht. In seiner Selbstdarstellung wird die NS-Ära als Phase des stillen Widerstandes dargestellt:
1935 machen sich Corpsstudenten bei einem Spargelessen in Heidelberg über Hitler lustig. Als dies bekannt wurde, wurde es von den Nationalsozialisten zum Anlaß genommen, alle Corps noch im selben Jahr zu verbieten. In der Folgezeit bestanden die Verbindungsreste als Ehemaligenvereine weiter. Viele Corpshäuser mußten zwangsliquidiert werden. Erst 1950 kam es dann zu Rekonstitution des Dachverbandes der Corps und die Verbindungen nahmen ihren Aktivenbetrieb wieder auf.
Das ist eine inakzeptable und grobe Verharmlosung. Der vermutlich bekannteste Budisse aller Zeiten war Horst Schumann, ein Nazi-Verbrecher der besonderen Art, der als Arzt und eindeutiger Nationalsozialist an der Ermordung von sogenannten Geisteskranken und behinderten Menschen im Rahmen des T 4‑Programms maßgeblich beteiligt war.

Ob das Corps Budissa über das Verschweigen hinaus auch noch ein ehrendes Gedenken an seine alten Nazis pflegt (wie das manche österreichische Burschenschaften tun), wissen wir nicht. Wir haben aber auch keine Ahnung, warum ein Aktivist und Mandatar des VSStÖ es für vereinbar hält, Mitglied einer elitären, konservativen, pflichtschlagenden und geschichtsvergessenden waffenstudentischen Verbindung zu sein.