Oberster Richter zu rechtsextremer Gewalt: „Hochgefährliche Situation“

Tho­mas Fischer ist Vor­sit­zen­der Rich­ter beim Bun­des­ge­richts­hof in Karls­ru­he (BRD). Ein streit­ba­rer Rich­ter, der nicht nur ein exzel­len­ter Exper­te im Straf­recht ist, son­dern sein Wis­sen und sei­ne Stand­punk­te auch ger­ne der Öffent­lich­keit mit­teilt. Unter „Fischer im Recht“ bloggt er lust­voll und enga­giert zu Recht und Poli­tik, etwa zu den Vor­schlä­gen, das Asyl­recht zu rela­ti­vie­ren. Bei einem Wien-Besuch gab er dem „Stan­dard“ ein Inter­view. Auch zu Jus­tiz und Rechts­extre­mis­mus. Abso­lut lesenswert!

Zunächst ein­mal Fischers Ant­wort zu dem Vor­schlag, das Recht auf Asyl nur mehr „nach Maß­ga­be der Mög­lich­kei­ten“ zu gewähren:

Das Erbärm­lichs­te, was uns Poli­ti­ker zur­zeit lie­fern – ob mit oder gegen ihre Über­zeu­gung – ist die Reak­ti­vie­rung von natio­na­lis­ti­schen Dumm­hei­ten und einer Kul­tur der Abschot­tung, die angeb­lich dem „Inter­es­se der Men­schen” ent­spricht. Das wird ver­brämt mit Phra­sen von den „Sor­gen der Bür­ger” und aller­hand „Befürch­tun­gen. (Zeit online,Fischer im Recht)

Und weil sei­ne Argu­men­ta­ti­on ful­mi­nant, sei­ne Pole­mik vir­tu­os ist, noch ein paar Sät­ze von Fischer zum The­ma Flücht­lin­ge und zur Fra­ge, ob wir es „schaf­fen“ können:

Es steht fest, dass „wir das schaf­fen wer­den”. Was sonst? (…) Wir haben die Aus­rot­tung von fast 70 Pro­zent der euro­päi­schen Bevöl­ke­rung geschafft, zwei gro­ße und unzäh­li­ge klei­ne­re Krie­ge mit Hun­der­ten von Mil­lio­nen Erschla­ge­nen. Wir haben es geschafft, halb Asi­en und ganz Afri­ka und Süd­ame­ri­ka über Jahr­hun­der­te im Elend zu hal­ten, um uns deren Reich­tü­mer anzueignen.
Da wer­den wir es doch wohl schaf­fen, ein paar Mil­lio­nen Hun­ger­lei­der in deut­schen Turn­hal­len durch­zu­füt­tern, bis ihnen und uns etwas Bes­se­res einfällt.
Herr Win­ter­korn und sei­ne Spieß­ge­sel­len – auch dies muss jetzt ein­mal gesagt wer­den dür­fen – haben in den letz­ten zwei Wochen knapp 50 Mil­li­ar­den Euro ver­nich­tet. Davon kann der deut­sche Pegi­dia­ner bei 2.000 Euro vor­aus­set­zungs­lo­sem Grund­ein­kom­men 500.000 Jah­re lang leben. Hier­von gibt er, kin­der- und tier­lieb wie er ist, gern etwas ab, und schon ist die Gren­ze der Mög­lich­kei­ten eine ganz andere.
Es wird schon irgend­was raus­kom­men. Hof­fent­lich nicht Herrn Söders Grenz­boll­werk. 
(Zeit online)

Fischer im „Standard“-Interview über rechts­extre­me Gewalt in der BRD:

STANDARD: Wor­an ist die Auf­klä­rung der rechts­extre­men NSU-Mor­de gescheitert?

Fischer: Die Bereit­schaft, Rechts­extre­me zu ver­fol­gen, geht gegen Null. Weil das in der Wahr­neh­mung der Men­schen ja ordent­li­che Jungs sind. Den­ken Sie, was in den Sieb­zi­ger­jah­ren zur Zeit des RAF-Ter­ro­ris­mus in Deutsch­land los war, wie die gesam­te Gesell­schaft mobi­li­siert war, um die­se paar Hansln zu fin­den. Es gab Stra­ßen­in­ter­views, da waren die Leu­te bereit, die Ter­ro­ris­ten an jeder Stra­ßen­la­ter­ne Deutsch­lands auf­zu­hän­gen. Was da für Todes­stra­fen­ar­ten vor­ge­schla­gen wur­den – unglaublich.

STANDARD: Bei den aktu­el­len Brand­an­schlä­gen auf Asyl­hei­me ist weni­ger Empö­rung zu merken?

Fischer: Die ganz gro­ße Mehr­heit ist zwar gegen sol­che Anschlä­ge – aber sie distan­zie­ren sich nicht von den Men­schen. Da gibt es die­se merk­wür­di­ge Vor­stel­lung, dass das schon ordent­li­che Jungs sind, die ja das rich­ti­ge wol­len, nur halt mit ein biss­chen jugend­li­chem Über­ei­fer. Das ist eine hoch­ge­fähr­li­che Situa­ti­on, weil dadurch Gewalt­straf­tä­ter extre­men Rück­halt in der Gesamt­be­völ­ke­rung, in der nor­ma­ti­ven Kul­tur der Gesell­schaft finden.