Beginnen wir gleich mit einem schönen Beispiel: Die ziemlich blaue Webseite „Erstaunlich“ hat gestern einen tatsächlich erstaunlichen Fotobeitrag produziert. In zwei zum Vergleich nebeneinander montierten Fotos sieht man, laut „Erstaunlich“, ein- und dieselbe Person. Auf dem einen Foto hält sie zwei MPs hoch, auf dem anderen steht sie in einer Bahnhofshalle. Beide Fotos stammen von einer vermutlich arabischen Webseite. Unschwer ist der Zweck dieser Fotoübung zu erkennen: Einer, der gestern noch als grimmiger Kämpfer posierte, ist gerade am Wiener Westbahnhof angekommen. Denn „Erstaunlich“ schreibt zur Erklärung dazu: „Wo das linke Bild aufgenommen wurde entzieht sich unserer Kenntnis. Das rechte Bild wurde jedoch im Westbahnhof in Wien geschossen.“
Wer das Bild vom Westbahnhof „geschossen” hat, wird nicht klar. Klar sind aber die mahnenden Worte: „Ob sich die verantwortlichen Politiker fragen, wen wir wirklich in unser Land lassen und vor allem, was wissen wir von diesen Personen?“
Ja, was wissen wir von dieser Person? Das wollten wir eigentlich „Erstaunlich“ fragen, denn zu unserem Erstaunen ist dieselbe Person mit denselben Fotos anscheinend auch am Münchner Hauptbahnhof aufgetaucht. Das behauptet jedenfalls ein Eckard Strohm, der sich auch „Sir Eckard Prinz von Strohm“ nennen lässt und sicher einer ist, dem man gerne ein Auto, zumindest einen Teppich abkaufen möchte. Eckard Strohm ist etwas direkter als „Erstaunlich“. Da wird die nebenstehende Person nicht verpixelt und die Zielperson schlicht als IS-Kämpfer entlarvt: „Flüchtlinge und keine IS-Terroristen? Na schau mal an. Eben noch IS-Kämpfer und heute auf dem Münchner Hauptbahnhof. Bestimmt um nur mal eben die vermisste Weißwurst zu kaufen, oder?“
Vermutlich handelt es sich nur um einen Irrtum, aber von wem? Auf „Erstaunlich“ hat sich bald nach der Veröffentlichung ein User gemeldet, der schreibt: „Das ist definitiv nicht der Westbahnhof in Wien sondern irgendein Bahnhof in Deutschland.“ Auch zeitlich gesehen, hat der deutsche Phantasie-Prinz einen deutlichen Vorsprung bei der Veröffentlichung. Also was? Teleportation samt Bahnhofshalle? Nur einer, der lügt oder lügen alle zwei? Erstaunlich jedenfalls.
Beim nächsten Fall ist es einfacher – und noch blauer. „Unsere Blaue Seite“ hat sich auf Facebook der Verkündung und Interpretation von blauen Botschaften verschrieben. Natürlich wird auch dort die „Erstaunlich“-Botschaft vom bösen Mann am Westbahnhof verbreitet, aber „Unsere Blaue Seite“ hat auch noch andere Bildbotschaften parat. Von den Flüchtlingen, die auf ihrem Weg durch Europa nur Verwüstung hinter sich lassen: „Extrem hohe Belastung unserer Umwelt bedingt durch die unkontrollierte Völkerwanderung“, schreiben die „besorgten” Blauen und unterlegen das mit Fotos, die sie von einer anderen Hetzseite übernommen haben.
Das eine Foto zeigt eine tatsächlich ziemlich verwüstete Landschaft mit einem Rinnsal (Kanal), einer Straße und einem LKW im Hintergrund. Die Bäumchen, die man sieht, sind auch ziemlich kahl – könnte tatsächlich eine hohe Umweltbelastung als Ursache haben. Und siehe da: Das Foto stammt aus dem Jahr 2012 und zeigt eine illegale Mülldeponie bei Debrecen. Einige User machen die Blauen auch darauf aufmerksam („Haha, ihr Blauen…ihr seid erbärmlich“), geben die Bildquellen aus dem Jahr 2012 an und decken damit die Fälschung auf. Nützt alles nichts! „Unsere Blaue Seite“ lässt alles stehen, keine Entschuldigung, kein Kommentar. Nur einige blaue Fans nuscheln etwas herum von der unterschiedlichen Farbintensität und wundern sich, dass der LKW im Foto von 2015 trotzdem an der gleichen Stelle steht wie im Foto von 2012.
Hetzposting aus 2012
Das dritte Beispiel ist das klarste. Es stammt auch von einem FPÖ-Funktionär. Stefan Berndorfer ist FPÖ-Gemeinderat in Guntramsdorf. Auf Facebook veröffentlichte er ein Video, das angeblich eine Steinigungsszene zeigt. Ein Poster wirft ein, dass es sich dabei unmöglich um echte Steine handeln kann. Berndorfer versucht auszuweichen und beantwortet diesen Vorwurf mit dem Verweis auf ein anderes Video. Der Poster lässt sich nicht beirren und antwortet sehr entschieden: „Ich rede über dieses Video!“ Daraufhin Stefan Berndorfer in großer Offenheit: „Ist aber auch egal, denn in meinem Text steht ja nichts über die Echtheit, sondern etwas über den Islam per se und die Stellung der Frau dort.“
Stefan Berndorfer hat auch einen islamistischen Kämpfer entdeckt, der 2013 noch bei der Al Nusra Front mit Gewehr posierte und jetzt als Flüchtling irgendwo herumsteht – vermutlich exklusiv für Berndorfer! Ob es sich um einen Bruder des Mannes vom Westbahnhof handelt, wird gerade von einer Kommission, die aus dem deutschen Phantasie-Prinzen und dem „Erstaunlich“-Chef zusammengesetzt ist, überprüft. Das Untersuchungsergebnis wird auf der „Blauen Seite“ veröffentlicht. – Stimmt das? Ist egal, denn es geht um die blaue Wahrheit.