Ein Sympathisant der Angeklagten begrüßt mich freundlich vor Beginn der Hauptverhandlung („Stoppt die Rechten ist immer ziemlich gut informiert“), während mich die anderen eher skeptisch beäugen. Dann geht’s auch schon los. Zunächst ist der Richter dran, der die Personalien der Angeklagten aufnimmt. Hauptangeklagter ist Ronny N. (29), im Forum „Nordglanz“ , Zweitangeklagte seine frühere Freundin Janine S. (27), im Forum „OnMyOwn“ dann folgen die Mutter des Hauptangeklagten, Sabine N. (55) und Andreas H. (28). Alle aus der Gegend um Laa/Thaya.
Der Staatsanwalt trägt die Anklage ziemlich gerafft vor. Die audiovisuelle Einlage, das Video eines Liederabends, bei dem der Hauptangeklagte den Song „Giftgas“ von „Kommando Freisler” vorträgt, misslingt, weil der Ton im Saal kaum zu hören ist. Der Staatsanwalt verweist darauf, dass einzelne Texte später noch im Detail erörtert würden.
Die Bedeutung des Forums „Nationale Revolution“ kommt nur unzureichend zur Sprache. Immerhin gab es zu den Glanzzeiten des Forums 3.000 registrierte UserInnen, auch wenn das Gros davon völlig oder weitgehend inaktiv war. Ab 2007 bestand das Forum, aber die Glanzzeit, die dauerte nur kurz. Nach der Abschaltung von Thiazi, das mit über 30.000 UserInnen und zahlreichen Gruppen und Untergruppen ganz andere Dimensionen erreicht hatte, ging es kurz aufwärts mit der „Nationalen Revolution“, bevor im Oktober 2014 dann Schluss war. Die Verbindung mit den deutschen Mitbetreibern des Forums wurde nur ganz kurz angesprochen, als die Mitangeklagte und damalige Freundin erklärt, ihr seien die Administratoren- und Moderatorenrechte vom deutschen Mitbetreiber und Administrator zuerkannt worden und nicht von „Nordglanz“.
„OnMyOwn“
Ihr Verteidiger hatte vorher den angesichts ihres Schuldeingeständnisses etwas seltsamen Versuch unternommen, die subjektive Tatseite unter Hinweis auf die Liebe zu „Nordglanz“ wegzureden. Der vorsitzende Richter wollte von den Angeklagten nicht allzuviel wissen, aber bei der Frau genügten wenige kurze Fragen, bis sie selbst klarstellte, dass sie ihre Postings vom „jüdischen Gebrabbel” und der „weißen Rasse” selbstständig formuliert und auch ihre Administratoren- und Moderatorenrechte ohne Anleitung ihres Freundes ausgeübt hatte.
Werner Tomanek, der die anderen drei Angeklagten vertritt, ist als Alter Herr der Burschenschaft Olympia abgeklärt: „Umerziehen wird man ihn nicht können”, formuliert er in einschlägiger Diktion über den Erstangeklagten, um dann hinzuzufügen: „Er wird sich seinen Teil weiterhin denken, aber halt nicht mehr laut.“
14Wotan88-OÖ im Forum „Nationale Revolution”
Für die Geschworenen macht er diese schon für die Zukunft vermutete Haltung seines Schützlings dadurch deutlich, dass er sich stellvertretend von der Vergangenheit distanziert, symbolisch auf ihr herumtrampelt: „Vertrottelte, schiache Texte“ seien es gewesen, die der da verbreitet habe, „widerwärtig“ und „gschissen“. Aber „die Mama“ habe nicht gewusst, was drin ist in der Post, die sie verschickt hat, und der Viertangeklagte, den er auch noch vertritt, der sitze überhaupt nur da wegen einem „schiachen Leiberl“. Der vorsitzende Richter stellt klar, dass das „schiache Leiberl“ die Inschrift trug „Gut – besser – Hitler“. Getragen wurde es bei dem Liederabend mit dem „Giftgas“-Song. An wie vielen Liederabenden er teilgenommen habe, daran wollte sich der Viertangeklagte nicht so recht erinnern, aber ein paar dürften es schon gewesen sein.
Nur das Allernotwendigste war aus den Angeklagten herauszubekommen und selbst das so leise, dass es kaum zu hören war. Auch als der Staatsanwalt seine PowerPoint-Präsentation über die „Nationale Revolution“ mit vielen Bildern auffahren ließ, hielten sie den Blick zu Boden gesenkt. Ob das nun eine gespielte Unterwerfungsgeste oder so etwas wie ein Anflug von schlechtem Gewissen war, lässt sich nicht wirklich einschätzen.
Am eindeutigsten ist es beim Hauptangeklagten, der schon vier Vorstrafen von der Körperverletzung bis zur Sachbeschädigung in die Causa mit einbringt. Sieben Jahre seines Lebens widmete er der „Nationalen Revolution“, schrieb weit über 10.000 Beiträge, in denen er von Rezensionen über Nazimusik und ‑Konzerte über praktische Tipps („Wo kriege ich in Österreich Szene-Klamotten“) bis hin zu klaren Nazi-Positionen („Juden beherrschen Österreich“) das übliche Repertoire abdeckte. Seit er 14, 15 Jahre alt war, habe er sich über ältere Kameraden immer mehr der NS-Ideologie angenähert, erklärte er. Wer die Älteren waren, wird nicht gefragt. Nach unseren Recherchen hatte er jedenfalls schon früh Kontakt zur Kameradschaft Germania.
„Skarburz” im Forum „Nationale Revolution”
Rosenkrieg spielte vermutlich mit, als er seine frühere Freundin „OnMyOwn“ belastete. Den ersten Kontakt zu ihr habe es gegeben, als sie auf der Suche nach einer Ausgabe von „Mein Kampf“ war. Das spricht nicht gerade für die These des Verteidigers, die Frau habe weder vor der Beziehung noch danach rechtsextrem getickt. Aber eigentlich ist es auch egal. Janine S. war über mehrere Jahre im Forum und dort in verantwortlicher Position.
Bei Sabine N. ist das anders. Sie führte gemeinsam mit ihrem Sohn ein Konto, über das die Einnahmen und Ausgaben von NR liefen, sie brachte die Packerl mit den Nazi-CDs zur Post, sie empfing auch die Post. Sie ist Postbedienstete, sorgte über die Jahre der Tätigkeit ihres Sohns auch für dessen Unterhalt, wollte aber in all diesen Jahre weder von einer rechtsextremen Gesinnung noch von seiner doch ziemlich intensiven neonazistischen Aktivität etwas gewusst oder mitbekommen haben. Auch als sie der Vorsitzende befragte, was sie denn zu der von ihr verschickten SMS an einen Besteller („Welche Farbe soll’s haben, Dein „Alpen-Donau“-Leiberl“) sage, gab sie sich ahnungslos. Warum sie auf Facebook ein Foto von sich mit örtlichen und deutschen Neonazis mit „Our Family“ titelt, das wurde sie nicht gefragt. Vermutlich hat sie auch davon keine Ahnung.
Vom viertangeklagten Andreas S. wollte niemand Genaueres wissen. Mit seinem „schiachen Leiberl“ lieferte er eine Steilvorlage für die Staatsanwaltschaft, er bekannte sich schuldig, das war’s dann auch schon.
Zeugen wurden keine mehr einvernommen, alle verzichteten darauf. Das mag prozessökonomisch günstig sein, trug aber nicht zur Aufklärung, zum besseren Verständnis, was da wirklich gelaufen ist, bei. Für zwei Tage war der Prozess anberaumt, nach nicht einmal drei Stunden war schon das Ende eingeläutet. Zu Mittag zog sich das Gericht zur Vorbereitung der Fragen an die Geschworenen zurück. Am späten Nachmittag, nach Beratung der Geschworenen, dann das Urteil: drei Jahre unbedingt für „Nordglanz“, zwei Jahre bedingt für „OnMyOwn“, ein Jahr bedingt für den Viertangeklagten und ein Freispruch für die Mutter. Die Verurteilten nahmen die Strafe an, der Staatsanwalt überlegt noch.