Schon kurz nach der mörderischen Amokfahrt des 26-jährigen Mannes aus Kalsdorf in der Grazer Innenstadt blühten die ersten hetzerischen Kommentare auf. FPÖ-Parteichef Strache nahm gleich die ethnische Witterung auf und postete auf FB: „Wahnsinnstat in Graz! Der Täter ist aus Bosnien. Ein religiös begründetes Attentat wird nicht ausgeschlossen!“
Das Posting wirft die Frage auf, wie lange ein Mensch österreichischer Staatsbürger sein bzw. hier leben muss, um auch von der FPÖ bzw. Strache als Österreicher anerkannt zu werden? 20 Jahre reichen offensichtlich nicht – tun es 50 Jahre, reichen zwei Generationen? Das sollte jedenfalls im Wahlprogramm der FPÖ klar angesprochen werden, damit sich die Zuwanderer auskennen, was die FPÖ von ihnen hält!
Vermutlich ist es Strache aber noch mehr um die wilde Spekulation mit dem „religiös begründeten Attentat“ gegangen. Die Grazer Polizei hat das zwar gleich einmal ausgeschlossen, aber was weiß schon die lokale Polizei? Die „Krone“ hat noch am Samstag online und dann am Sonntag in der Print-Ausgabe eine ordentliche Vorgabe gemacht: Das „blindwütige Vorgehen“ des Amokfahrers trage „leider auch die schreckliche Handschrift von Dschihadisten-Einzelkämpfern“ (Krone, 21.6.15). Das Blatt mischt zum Beweis dafür das sensationslüsterne Zitat des Verfassungsschutzchefs Gridling dazu, wonach die Terrorangriffe von heute mit Messer oder Auto ausgeführt würden.
Mittlerweile ist die „Krone“ umgeschwenkt vom „blindwütigen Vorgehen“ bei der Amokfahrt hin zur Tat, die „bis ins Detail geplant“ und „bewusst durchgeführt“ wurde. (Krone, 23.6.15) Strache gefällt auch dieser Schwenk der „Krone“ – er teilt den Beitrag auf seiner FB-Seite „zur Info“. Den Eintrag über die möglichen religiösen Motive hat er längst gelöscht, nachdem er medial und auf FB dafür heftig kritisiert wurde. Jetzt sieht er sich als Opfer einer „üblen Kampagnisierung“.
Apropos tatsächliche Opfer: Eines der Todesopfer ist Muslim, ebenso seine Kopftuch tragende Frau, die schwerst verletzt überlebte. Wie mehrere Medien berichten, hat der Täter auch eine andere Frau mit Kopftuch mit einem Messer bedroht.
Das alles interessiert die Hetzer von „unzensuriert“ bis zu den Obskuranten der FB-Gruppe „Gegen Dekadenz und Werteverfall“, die die Hetzwache angekündigt haben, nicht. Während sich „unzensuriert“ noch damit abmüht, aus dem Gehör einer „angeblichen Augenzeugin“ und dem Geschreibe der „Krone“ ein „islamistisches Motiv“ zusammenzureimen, ist das für die FB-Gruppe des Ex-Pegida-Sprechers Georg Nagel schon klar: „Es ist naheliegend, dass es sich wahrscheinlich um einen islamischen Bosniaken handelt und die ganze Tat mithin als islamischer Terrorakt zu bewerten ist. Die zunehmende Anzahl von islamisch motivierten Gewaltverbrechen in Europa soll systematisch vertuscht werden.“
Facebook-Seite des Ex-Pegida-Sprechers Georg Nagel
Und dann wird doch glatt behauptet, dass es auch in Österreich „schon oft islamischen Terror“ gab. Einer von denen, die besonders eifrig in der Gruppe gegen den Werteverfall aktiv sind und auch zur Teilnahme an der Mahnwache aufrufen, wird nach eigenen Angaben gerade auf seine Freilassung vorbereitet – er ist wegen versuchten Mordes an einem – bosnischen! – Jugendlichen und wegen Sprengstoffanschlägen (darunter eine Moschee) 2008 zu einer empfindlichen Freiheitsstrafe verurteilt worden.